„Ich möchte wieder fit werden“

Das Interview: Hans-Jörg Weinbrenner erzählt über seine Zeit als Aspacher Bürgermeister und welche Pläne er im Ruhestand hat

Seit 24 Jahre ist er der Bürgermeister der Gemeinde Aspach. Heute Abend wird Hans-Jörg Weinbrenner offiziell verabschiedet, am 1. Dezember übernimmt seine Nachfolgerin Sabine Welte-Hauff. In unserem Interview lässt er seine Amtszeit Revue passieren und erzählt unter anderem, was er gerne noch vor seinem Ruhestand erledigt hätte.

Hans-Jörg Weinbrenner ist es wichtig, sich immer korrekt zu verhalten. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Hans-Jörg Weinbrenner ist es wichtig, sich immer korrekt zu verhalten. Foto: J. Fiedler

Von Silke Latzel

Morgen ist Ihr letzter Tag als Bürgermeister. Wie geht es Ihnen gerade, so kurz vor Ihrem Abschied?

Es ist schon ein eigenartiges Gefühl, aber man gewöhnt sich an alles. Ich versuche meinen Bereich möglichst gut aufzuräumen und zu übergeben und dann wird wohl alles werden. Ich hatte noch nicht wirklich Zeit darüber nachzudenken, wie es mir damit geht. Aber am Montagabend bin ich ja schon im Gemeinderat verabschiedet worden und wenn jetzt die Nachrufe anfangen, dann ist das ein bisschen komisch.

Auf dieser Gemeinderatssitzung wurde erwähnt, dass Sie am liebsten nur still und leise die Türe hinter sich schließen und Adieu sagen würden. Wieso das?

Ich bin ja eigentlich auch nur Arbeitnehmer, das heißt, ich habe meine Arbeit gemacht und die ist nun vorbei. Ich mag einen Hype um meine Person nicht so sehr, das ist nicht so meine Welt und damit kann ich nicht gut umgehen. Ich bin sowieso kein Personenfetischist, mir geht es immer lieber um die Sache. Das ist jetzt keine falsche Bescheidenheit, ich weiß, wir haben ordentlich gearbeitet und da bin ich ganz zufrieden, aber ich denke, man darf sich selbst nicht zu wichtig nehmen. Jeder ist ersetzbar. Andere Menschen arbeiten 40 Jahre bei der gleichen Firma, da sind meine 24 Jahre eher überschaubar.

Als Sie vor 24 Jahren Bürgermeister geworden sind, hatten Sie doch bestimmt eine Vorstellung davon, wie das sein wird. Ist es so geworden oder ganz anders?

Ich habe ja vorher schon als Hauptamtsleiter sehr viel im repräsentativen Bereich oder in der Kontaktpflege mit den Vereinen gemacht und kannte das schon ein Stück weit. Insofern hat sich vieles von dem bestätigt, wie ich es erwartet hatte. Was einschneidender war, ist tatsächlich der Verlust der Privatsphäre, da kann man sich schlecht darauf vorbereiten. Und wenn man nicht unbedingt von Haus aus die größte Festles-Sau ist, dann tut man sich ein bisschen schwer, dass man, egal wo man ist, auch im dümmsten Bereich angesprochen wird. Wie etwa beim Metzger, wenn man sich konzentrieren muss, dass man auch wirklich das heimbringt, was man sich vorgenommen hat und dann kommen irgendwelche Leute und pampen einen wegen Nichtigkeiten an, da gewöhnt man sich nicht so schnell dran. Aber ich habe mich dann irgendwann nicht mehr geärgert, sondern habe den samstäglichen Einkauf quasi als Bürgersprechstunde gesehen und mir etwas zum Schreiben mitgenommen. Und dann ging das auch schon. Das ist einfach auch sehr viel Einstellungssache.

Was empfinden Sie als Ihren größten Erfolg?

Es gibt natürlich die ganzen Investitionen, die man gemacht hat, den Kindergarten und die Sporthalle gebaut bis hin zu dem Jahrhundertwerk, die ganzen Höfe und Weiler anzuschließen. Das sind natürlich alles Dinge, auf die man stolz ist. Aber ich finde, viel wichtiger ist, dass das Gemeinwesen funktioniert, man von vorne herein die Bürger an Prozessen beteiligt und das haben wir sehr schnell gemacht. Ich denke, dass wir eine Beteiligungs- und Mitwirkungskultur etabliert haben, die zumindest in den letzten Jahren ganz gut war. Jetzt entwickelt sich das Ganze weiter und es ist auch gut, wenn dann neue Köpfe kommen und das dann besser machen. Wir waren in verschiedener Hinsicht auch Modellkommune und wurden dann in Stuttgart in den Ministerien herumgereicht.

Und was war Ihre größte Niederlage?

Ich weiß noch, ganz am Anfang, schon in meinem Wahlkampf, waren Lärmschutz und Verkehrslärm ein großes Thema. Ich habe mich damals als Bürgermeister informiert, wie wir zu einem Lärmschutzwall für Großaspach kommen, aber es hieß, dass das Land dafür keine Mittel zur Verfügung stellt. Ich dachte, dass wir dann so etwas wie eine umlagefinanzierte Geschichte versuchen, die betroffenen Anwohner übernehmen die eine Hälfte der Kosten für einen Wall, die Gemeinde die andere Hälfte. Voraussetzung war, dass man den Lärmschutz auch durchgehend macht, das heißt, die Einfahrten der Kernerstraße und des Wüstenbacher Wegs dicht zumacht. Mit diesem Vorschlag war das Thema dann sofort schon im Gemeinderat gescheitert, da habe ich mir gleich eine blutige Nase geholt so nach dem Motto „Wasch‘ mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“. So funktioniert es nicht, aber wenn man jünger ist, dann wurmt einen das ein bisschen und man denkt „was lauf ich mir hier die Hacken ab und ihr wollt es dann nachher gar nicht um den Preis“. Jetzt sind die Einfahrten zu, der Unmut ist groß. Aber es ist aus Sicherheitsgründen zwingend geboten, mich hat es gewundert, dass die Einfahrten noch offen waren, aus Expertensicht war es höchste Zeit, dass sie geschlossen werden.

Was hätte Sie gerne noch vor ihrem Ruhestand geschafft oder beendet?

Das Thema Breitband hätte ich gerne noch abgewickelt. Da wäre ich gerne ein Stück weiter gekommen. Das ist wirklich eine zähe und langwierige Geschichte und es wird auch wahrscheinlich noch zehn bis 15 Jahre dauern, bis Aspach wirklich Gigabit-fähig ist. Ich hatte gehofft, dass das ein bisschen schneller geht. Klar, die Schule, das Feuerwehrhaus, das wären alles Dinge, die mich noch reizen würden, aber es geht eben nicht mehr. Und der Gemeinderat wird das zusammen mit Frau Welte-Hauff schon richten.

Ihre Einschätzung: Was in Aspach steht für Hans-Jörg Weinbrenner, wo haben Sie ihren Stempel aufgebracht?

Das sehe ich gar nicht so. Ich denke, Verwaltung und Gemeindeentwicklung sind ein Gemeinschaftsprojekt, das kann man gar nicht einer Person zuordnen. Ich hab gerne meinen Beitrag geleistet und bin da auch sehr dankbar dafür, aber es gehören immer viele dazu, Ich habe Mitarbeiter gehabt, die immer sehr stark mitentwickelt, mich unterstützt und Ideen gebracht haben. Und ein Gemeinderat muss ja auch mitziehen. Das Gremium ist zwar immer besser im Bremsen als im Anziehen, aber trotzdem ist es immer eine Gemeinschaftsgeschichte und ich denke, man kann jetzt hier kein Denkmal erkennen.

Wenn man sich ein bisschen in der Gemeinde umhört, dann bekommt man gesagt, dass Sie sich immer korrekt verhalten haben. Empfinden Sie das persönlich auch so, oder gibt es eine „Leiche“ in Ihrem Keller, eine Sache, die Sie im Nachhinein anders gemacht hätten?

(Muss lachen) Wenn ich eine habe, dann stinkt sie nicht. Nein, ganz ehrlich: Ich habe keine schlaflosen Nächte wegen einer Entscheidung gehabt. Ich bin da vermutlich zu sehr Pfadfinder, vielleicht auch für den Beruf des Bürgermeisters. Manchmal muss man einfach auch schlitzohriger sein. Für mich ist es sehr wichtig, dass ich jeden Morgen in den Spiegel schauen kann und ich korrekt bin, da lege ich größten Wert drauf. Schlimm fand ich immer, dass es oft hieß, hier gibt es Menschen, die gelten mehr als andere, die haben mehr Rechte, denen gibt man mehr. Und diese unterstellte Ungleichbehandlung die hat mich immer sehr geschmerzt, denn ich habe immer den größten Wert darauf gelegt, dass alle gleich behandelt werden. Und trotzdem habe ich etwa beim Andrea-Berg-Open-Air nachts noch Nachrichten aufs Handy bekommen, so nach dem Motto „Ihre Freundin übertreibt es heute aber wieder“ und mir wurde eine zu große Nähe zur Familie Ferber unterstellt. Ich weiß, dass die Themen Schlager und Fußball polarisieren, aber ich habe immer dafür gesorgt, dass alles korrekt ablief. Und deswegen bin ich weder bei den Leuten, noch bei den Betreffenden hoch angesehen. Aber man muss da einfach seinen eigenen Weg gehen.

Haben Sie in Ihrer Zeit als Bürgermeister etwas gelernt oder lernen müssen, das sie auch privat weitergebracht hat?

Ich musste viel eher ihm Privaten lernen, nicht immer der Chef zu sein – gerade bei meinen Kindern war ich vielleicht zu sehr Chef. Und meine Frau hat mich dann auch öfter zurechtgewiesen. Ich war schon immer der mit der großen Klappe, war Klassensprecher, Chef-Zivi, Mitarbeiter-Vorsitzender, Amtsleiter, Bürgermeister, Kreisverbandsvorsitzender... Ich habe als Bürgermeister eher von meinen Neigungen profitiert als andersherum.

Bleiben Sie in Ihrem Ruhestand in Aspach?

Das habe ich vor. Wir werden jetzt erst einmal sehen, was von unseren Sozialkontakten übrig bleibt – da darf man sich nichts vormachen, viele sind beruflich motiviert. Aber uns gefällt es hier sehr gut, wir sind eingelebt und haben auch schon etliche Jahre einige private Kontakte gepflegt.

Haben Sie Pläne für Ihren Ruhestand, gibt es Wünsche, die Sie sich jetzt erfüllen werden?

Ich hatte schon immer den Traum, mit dem Motorrad von Windhoek nach Kapstadt zu fahren, vielleicht mache ich das auch. Aber ich gehe ja nicht ganz freiwillig aus dem Amt, sondern habe ja ein gesundheitliches Problem und deshalb sind meine naheliegenden Ziele, dass ich erst einmal nach meiner Gesundheit schauen, viel Sport treiben, fit werden und mich wieder als ein Mensch fühlen möchte. Das ist zeitaufwendig und die Zeit werde ich mir auch nehmen. Ich habe mir vorgenommen, mindestens im nächsten halben Jahr nichts Neues anzufangen, sondern zu schauen, wie es mir geht, mich um mich zu kümmern und um meine Familie. Wir haben zwei Pflegefälle in der Familie, außerdem habe ich einen Enkel, meine Tochter studiert und da muss man das Kind hüten. Da kann ich mich jetzt stärker engagieren. Aber einen Lebenstraum, den ich mir erfüllen will, habe ich nicht. Wenn man gesundheitlich eingeschränkt ist, wird man mit der Zeit ein bisschen demütig. Ich habe mir kleine Ziele gesetzt, möchte wieder fit werden und dann sieht man weiter.

Wie werden Sie den 1. Dezember verbringen?

Am 30. November habe ich mir einen Tag Urlaub genommen, mein letzter Tag ist also schon heute. Meine Frau hat irgendetwas vorbereitet, sie hat eine Überraschung geplant, aber ich habe keine Ahnung was genau. Wir gehen morgen aber auf jeden Fall zusammen essen, so haben wir es verabredet.

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Erstellt:
29. November 2018, 06:00 Uhr

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