Meteorologe Sven Plöger
„Ich will keinen Urlaub madig machen“
Die aktuelle Hitzewelle ist ein fühlbares Element des Klimawandels, sagt der Meteorologe Sven Plöger im Interview. Der aber werde auf Dauer auch Reisepläne beeinflussen.

© /M. Dahlke
So kennt man Sven Plöger: Seit über 25 Jahren moderiert er das Wetter in der ARD.
Von Philipp Hedemann
Er ist wahrscheinlich Deutschland bekanntester Meteorologe. Im Interview spricht Sven Plöger über die aktuelle Hitzewelle, den Kampf gegen Klimawandel und warum er Optimist bleibt.
Herr Plöger, die Hitze hat derzeit Deutschland und Europa fest im Griff. Woran liegt das?
Aktuell liegt ein riesiges Hochdruckgebiet mit extrem warmer Luft über ganz Europa. Am stärksten sind Spanien, Frankreich, Deutschland und die Benelux-Staaten betroffen. Hinzu kommt, dass das Mittelmeer mit 24 bis 28 Grad derzeit wahnsinnig warm ist, im Westen sogar vier bis fünf Grad wärmer als normalerweise in dieser Jahreszeit. Auch in der Biskaya ist das Wasser drei bis vier Grad wärmer. Das warme Wasser steigert die Hitzewelle so noch.
Wird es bei uns so heiß wie nie zuvor?
Nein, das glaube ich nicht. Denn am 25. Juli 2019 haben wir in großen Teilen Westdeutschlands die 40-, teilweise sogar die 41-Grad-Marke überschritten. Am Mittwoch werden voraussichtlich Temperaturen von bis zu 39 Grad erreicht. Im Rhein-Main-Gebiet könnte aber auch wieder die 40 Grad-Marke geknackt werden.
Alles ganz normal?
Nein! Die Hitzewelle ist ungewöhnlich früh im Jahr. Vom 23. Juli bis zum 23. August haben wir die berühmten Hundstage. Allgemein kann man sagen, dass es bei uns zwischen Mitte Juli bis Mitte August am heißesten ist.
Wann wird’s wieder kühler?
Die Hitzewelle dauert nicht lange an. Es gibt den berühmten Meteorologen-Spruch: „Nach der Hitze, kommen die Blitze.“ Das stimmt auch dieses Mal. Ab Mittwoch werden Gewitter zunächst im Westen und Nordwesten, spätestens Donnerstag auch in den anderen Landesteilen für Abkühlung sorgen. Im Norden stärker als im Süden, denn dort bleibt eine schwülwarme Luftmasse liegen.
Drohen in diesem Sommer weitere solche Temperaturanstiege?
Auf jeden Fall. Kalendarisch hat der Sommer ja gerade erst begonnen und der Planet erwärmt sich durch den Klimawandel immer weiter. Zudem sind die Meerestemperatur ungewöhnlich hoch, und es gibt sehr aufwendige Langzeitberechnungen, die zwar nicht das Wetter für den ganzen Sommer vorhersagen, aber mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit prognostizieren können, dass der Sommer 2025 im Durchschnitt wieder ein bis zwei Grad wärmer als die Sommer zwischen 1991 und 2020 werden. Und in einem heißen Sommer steigt die Gefahr von Hitzewellen.
Was bedeutet das für die Urlaubspläne?
Ich will niemandem den Urlaub madig machen, das ist nicht meine Absicht. Das extrem warme Mittelmeer mag vielleicht manchen Urlauber freuen. Aber ich bin Taucher. Wenn ich mir angucke, wie unfassbar viel das „maritime Feuer“ im Mittelmeer an Fauna und Flora schon zerstört hat, macht mich das sehr traurig. Und man kann sich natürlich fragen: Muss ich unbedingt irgendwo hinfahren, wo es im Sommer unglaublich heiß ist? Für unseren Organismus kann das eine extreme Belastung sein. Möchte man es trotzdem, sollte man sich so verhalten, wie die Menschen, die dort leben: Also: Über Mittag nicht übermäßig anstrengen, sportliche Aktivitäten auf den frühen Morgen oder den Abend verlegen. Ich will kein Schreckensszenario malen: Aber man muss – wie eben schon erwähnt - natürlich auch damit rechnen, dass es zu Waldbränden kommen kann.
Darf man noch in den Süden reisen?
Natürlich darf man das. Die Entscheidung fällt jeder selbst. Aber ich finde schon, dass man sich bewusst sein sollte, dass Flugreisen den Klimawandel beschleunigen. Und wenn man in Regionen fährt, in denen die Bevölkerung große Schwierigkeiten hat, ihre Wasserversorgung sicherzustellen, sollte man dort sehr verantwortungs- und respektvoll mit dieser wertvollen Ressource umgehen. Wir sollten den Menschen vor Ort signalisieren, dass wir kein Fliegenschwarm sind, der einfach nur einfällt, um irgendwo Remmidemmi zu machen.
Wie machen Sie denn Ferien?
Wir fahren mit unserem kleinen VW-Bus nach Wales. Dort werden die Temperaturen wahrscheinlich sehr erträglich sein.
Ist diese aktuelle Hitzewelle noch Wetter oder schon der Klimawandel?
Zunächst einmal ist die Hitzewelle ein Wetterphänomen. Es gab auch schon früher Hitzewellen. Aber es ist auch ganz klar, dass der menschengemachte Klimawandel der entscheidende Trigger für die Häufung der Hitzewellen in den letzten Jahren ist. Diese Hitzewelle ist ein fühlbares Element des Klimawandels.
Macht Ihnen das Angst?
Angst kann dazu führen, dass man in Schockstarre verfällt. Bei mir ist es so: Wenn ich Angst habe, dann weiß ich nicht mehr richtig, was ich machen soll. Die Angst vor dem Klimawandel kann dazu führen, dass die Menschen sagen: Das kriegen wir nicht mehr hin, jetzt ist auch egal, ob wir noch etwas tun. Dann wird die Klimakatastrophe zur selbsterfüllenden Prognose. Wenn man unser Wissen über den Klimawandel und unser Verhalten vergleicht, müssen wir aktuell leider zur Schlussfolgerung kommen: Die menschliche Gesellschaft ist für die Lösung dieses Problems nicht reif. Punkt. Aber das will ich nicht akzeptieren: Wer will schon seinen Kindern ins Gesicht sagen: Ich möchte, dass es dir später schlechter geht als mir, darum verhalte ich mich jetzt so ignorant.
Kann die Hitze derzeit ein Weckruf sein oder lässt sie uns abstumpfen?
Die Gefahr des Abstumpfens besteht leider. Wir erleben immer wieder, dass der Mensch die Fähigkeit hat, sich an alles Mögliche zu gewöhnen, wenn er nicht unmittelbar an Leib und Leben betroffen ist. Trotzdem sehe ich die Chance, dass die Hitzewelle die Aufmerksamkeit wieder stärker auf das Thema Klimawandel lenkt.
Buchautor und Gleitschirmflieger
PersönlichesSven Plöger (58) war schon als Kind fasziniert vom Himmel, den Wolken, der Fliegerei. Seit über 25 Jahren moderiert er das Wetter in der ARD, zum Beispiel in den Tagesthemen. Außerdem ist Plöger Buchautor und Vortragsredner und hat zahlreiche Dokumentationen über Wetter und Klima gedreht. In seiner Freizeit wandert er gerne in den Bergen oder genießt sie aus der Luft – als Gleitschirmflieger.