„Ich will nicht, dass der Baum sterben muss“

Wer keinen Einweg-Christbaum möchte, kann sich auch ein Exemplar im Topf kaufen und das später auch noch im Garten pflanzen

Weihnachtsbäume waren schon immer ein Fall für die Wegwerfgesellschaft. Nach dem Fest durften die Nadelbäume noch ein paar Tage in der guten Stube stehen, dann landeten sie bei der Christbaumsammlung. Das muss nicht sein. Noch ist es kein wirklicher Trend, aber es gibt die Möglichkeit, die Bäume nicht nur im Topf zu kaufen, sondern sie danach auch im Garten einzugraben.

Selbst ist der Mann: Kai-Uwe Kugler (aus Liemannsklinge) gräbt seiner Patentante Sybille Mohr alljährlich eine sanfte Nordmannstanne aus. „Blaufichte wäre besser geeignet – aber die sticht!“ Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Selbst ist der Mann: Kai-Uwe Kugler (aus Liemannsklinge) gräbt seiner Patentante Sybille Mohr alljährlich eine sanfte Nordmannstanne aus. „Blaufichte wäre besser geeignet – aber die sticht!“ Foto: J. Fiedler

Von Ute Gruber

SULZBACH AN DER MURR. „Ich würde gern einen Baum nehmen, der nicht sterben muss“, sei der immer wieder geäußerte Wunsch ihrer Kunden in der Vorweihnachtszeit gewesen, erzählt Gärtnermeisterin Katja Meindl, die seit 20 Jahren zusammen mit Ehemann Hubertus und bald auch mit Sohn Jonas die Garten-Baumschule Wöhrle in Winnenden betreibt. Ungern wollte man das Fest der Liebe eigennützig mit einem Einweg-Christbaum schmücken. Was in früheren Zeiten als glanzvolle Erfüllung im Leben eines Nadelbaumes betrachtet wurde, nämlich neben dem Christuskind in der Krippe als Lichterbaum in der weihnachtlichen Stube zu enden, überschattet heute aus moralischen Überlegungen die Festlichkeiten.

Wobei genau genommen der Weihnachtsbaum heutzutage eine Feldfrucht ist wie Gemüse, Kartoffeln oder Getreide auch, die eigens zum Verbrauch gepflanzt werden. Nur eben mit einer deutlich längeren Wachstumszeit als jene – pro Astkranz ein Jahr. „Heimische Waldbäume werden nur noch selten als Weihnachtsbäume genutzt“, erläutert Ulrich Häußermann von Kreis-Forstamt in Backnang, der den Käufern die Bedenken nehmen möchte, „die heutigen Weihnachtsbäume werden zwar in heimischen Kulturen angebaut, die Baumarten haben aber ihre Herkunft im Kaukasus (Nordmannstanne) oder USA (Blaufichte, Colorado- und Nobilistanne). Wer stellt sich denn heute noch (außer den Idealisten wie Förster oder Waldbesitzer) eine Weißtanne oder eine Rotfichte ins Haus? Macht nichts her und nadelt auch noch.“

Topfbäume können auch nach den Feiertagen zurückgegeben werden

Gartenbauunternehmerin Katja Meindl hat sich der Wünsche der Kundschaft angenommen und bietet nicht nur seit Jahrzehnten jährlich rund 100 selbst gezogene Bäumchen im Topf, sondern für gartenlose Baumfreunde seit zehn Jahren den Weihnachtsbaum zur Miete an: Der regulär – inklusive Pflegeanweisung – erstandene Topfbaum kann nach den Festtagen im Januar zurückgegeben werden. Bei nicht offensichtlich grob misshandelter Ware – zum Beispiel mit Glitzerspray – werden 30 Prozent des Kaufpreises erstattet und der Ausflügler wandert wieder zu seinen Genossen auf den Acker. Dass dort je nach Frühjahrswitterung tatsächlich 80 bis 90 Prozent wieder anwachsen, ist Folge einer aufwendigen Vorarbeit: „Die Bäumchen werden alle zwei Jahre verschult“, erklärt die Fachfrau. Sprich: mitsamt der anhaftenden Erde ausgegraben und mit mehr Platz wieder eingepflanzt. „Dadurch bilden sich stammnah viele neue Feinwurzeln, die das Überleben sichern.“ Deshalb kann der zurückgegebene Baum auch erst nach zwei Jahren wieder seine Weihnachtsbaumrolle übernehmen – dann dafür deutlich größer.

Auch Bau- oder Supermärkte bieten vermehrt Topfpflanzen an – günstiger als die Baumschule, dafür wohlweislich mit dem Hinweis: „Zur Weiterkultur nicht geeignet!“ Denn diese Nadelbäumchen werden meist ohne die nötige Vorarbeit aus einer konventionellen Christbaumplantage ausgestochen und mit nackter Wurzel in einen viel zu kleinen Topf umgesetzt.

Außerdem spielt die Art der Bewurzelung eine entscheidende Rolle. Ausgerechnet die derzeit so beliebte Nordmannstanne hat als Tannenart eine ausgeprägte Pfahlwurzel, mit der sie Wasser aus tiefsten Bodenschichten holen kann. Wird sie ohne die nötige, jahrelange Vorarbeit ausgegraben, ist sie sozusagen beinamputiert und mit 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit dem Tode geweiht. Topf hin, Topf her.

Diese leidige Erfahrung muss Sybille Mohr alljährlich machen, wenn sie von ihrem Patenkind Kai-Uwe Kugler aus dessen Kultur eine Tanne ausgegraben bekommt. „Trotz schonender Eingewöhnung: Nur jede vierte wächst an“, wenn sie nach ihrem Dienst in der Stube ins geerbte Obstbaumstückle gepflanzt wird. Dennoch bleibt die Murrhardterin der Nordmannstanne treu, denn von den Überlebenden wird zur Adventszeit frisches Reisig geschnitten und schmerzfrei im Familienkreis zu Kränzen geflochten. Ausgewachsen schmücken sie auch mal abgesägt den Balkon. Dort hat sie sonst einen Abfallgipfel aus dem Forst stehen.

Sehr viel toleranter dem Umtopfen gegenüber ist die inzwischen wegen ihrer stacheligen Nadeln als Weihnachtsbaum aus der Mode gekommene Blaufichte, die offiziell wohlweislich Stechfichte heißt und in verschiedenen Farbrichtungen zu haben ist. Sie wurzelt von Natur aus schon oberflächlich und nimmt das Ausgraben kaum übel: Ausfallrisiko höchstens 10 bis 20 Prozent. Als ordnungsgemäß gegossene Topfpflanze entfällt zur Freude der Hausfrau sogar das Rieseln der Nadeln und sie verbreitet den fichtentypischen, harzigen Weihnachtsduft. Nur Handschuhe sollte man zum Schmücken besser anziehen.

Schon ewig und drei Tag einen Topfbaum aus dem Schwäbischen Wald hat der Brunnenwirt in der Stuttgarter Altstadt. Den bezieht er von Helmut Frisch (Name geändert) aus dem Lautertal, der seinen Stand um die Ecke hat und neben den abgesägten auch 20 Bäume im Topf verkauft. In der Wirtschaft ist gut geheizt. Aber gut gegossen hält das geschmückte, stabile Bäumchen gut durch bis ins neue Jahr. Blaufichte muss es sein, denn „do lasse die Gäscht‘ freiwillig d‘ Finger weg“, erklärt der Wirt den erzieherischen Effekt der wehrhaften Benadelung.

Frischs Topfbaum-Kundschaft im Stuttgarter Zentrum interessiere nicht das Schicksal des Baumes oder Fragen der Nachhaltigkeit: „Die sparen sich so ganz einfach den Christbaumständer. Den müssten die ja einlagern.“

Info
Weihnachtsbäume aus der Region stammen nicht aus Plantagen

Die Aufzucht und der lukrative Verkauf von Weihnachtsbäumen an Städter hat im Schwäbischen Wald eine lange Tradition, und das nicht nur unter den Waldbauern. Früher wurden vor allem überzählige Rotfichten aus den Jungbeständen verkauft. Heiß begehrt waren Gipfel mit Zapfen, die unter Einsatz von Leib und Leben von fällreifen Altbäumen heruntergesägt wurden.

Von den einheimischen Familien haben noch viele etwas Land: Wald, Wiese oder ein Äckerle. Meist verpachtetet an die wenigen, übrig gebliebenen Landwirte, aber auch zunehmend wieder selbst im Nebenerwerb mit Obst- oder Christbäumen bepflanzt. Keine großen, maschinell und chemisch bearbeiteten Plantagen, sondern meist steile Parzellen, in denen oft nach Feierabend viel in Handarbeit gemacht wird: Pflanzen, Ausmähen, Beschneiden. Die fertigen Bäume werden sukzessive entnommen und ersetzt, sodass kein Kahlhieb entsteht. Chemie kommt allenfalls zum Schutz der Jungpflanzen gegen Unkrautkonkurrenz zum Einsatz oder wenn Bäume von Läusen befallen sind. Wird nur verhalten gedüngt, gibt es auch keine Probleme mit Pilzkrankheiten.

Für die Verkaufssaison vor Weihnachten nehmen sich die Berufstätigen oft eigens Urlaub von ihrer Firma, um den Kunden ein stimmungsvolles Event zu bieten, inklusive Lagerfeuer, Glühwein und heißer Suppe. Spezielle Kundenwünsche werden nach Möglichkeit erfüllt, sei es der selbstgeschlagene, der Vier-Meterbaum, der einseitige für die Zimmerecke oder eben der Mehrwegbaum zum Wiederauspflanzen.

Um Freude am lebenden Weihnachtsbaum zu haben, sollte man folgende Anweisungen der Baumschule Wöhrle beachten:

Der Baum sollte zum Eingewöhnen zuerst sechs bis acht Stunden im unbeheizten Hausgang oder in einer Garage stehen. Noch einmal gut gießen; im Zimmer dann alle drei Tage gießen. Maximal 10 bis 12 Tage im warmen Zimmer lassen. Sonst meint der Baum, es ist schon Frühling und treibt aus. Die Triebe erfrieren dann in der Kälte.

Zur weiteren Verwendung auf dem Balkon/als künftiger Weihnachtsbaum: Wieder schrittweise ans Kühle gewöhnen, Umtopfen in einen Topf in doppelter Ballengröße; regelmäßig gießen und düngen.

Zum Auspflanzen im Garten: Wieder schrittweise ans Kühle gewöhnen; Bei ungefrorenem Boden sofort mit Torf-Erde-Gemisch einpflanzen; etwas enger gepflanzt kann er nach zwei bis vier Jahren nochmal als abgesägter Baum das Fest verschönern. Solange der Boden stark gefroren ist, muss der Topf auf Balkon/Terrasse warten. Dabei den Wurzelbereich mit einem Teppich einpacken. Im ersten Pflanzjahr alle zwei bis drei Wochen kräftig wässern, zweimal im Jahr düngen

Topfbäume bis 1,5 Meter Höhe kosten:

- Im Bau-/Supermarkt: 14 bis 16 Euro

- Von der Baumschule: 26,50 Euro

- Vom Erzeuger: 25 Euro

Topfbäume zwischen 2 bis 2,5 Meter von Baumschule/Gartencenter: 60 Euro

Mieten statt kaufen: Rückgabe gegen Pfand nur mit Kaufbestätigung.

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Erstellt:
16. Dezember 2019, 06:00 Uhr

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