Ifo-Institut senkt Wachstumsprognose auf 2,5 Prozent

dpa München/Frankfurt. Für den Sommer war eine kräftige Erholung der Wirtschaft erwartet worden. Doch die lässt noch auf sich warten. Auch Lieferengpässse machen den produzierenden Unternehmen zu schaffen.

Kräne der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) und Container stehen im Hamburger Hafen. Das ifo-Institut hat seine Wachstumsprognose für die deutsche Wirtschaft gesenkt. Foto: Georg Wendt/dpa

Kräne der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) und Container stehen im Hamburger Hafen. Das ifo-Institut hat seine Wachstumsprognose für die deutsche Wirtschaft gesenkt. Foto: Georg Wendt/dpa

Das Ifo-Institut hat seine Wachstumsprognose für die deutsche Wirtschaft wegen der anhaltenden Lieferengpässe in der Industrie deutlich gesenkt.

In diesem Jahr dürfte die Wirtschaftsleistung nur um 2,5 Prozent zulegen - 0,8 Prozentpunkte weniger als noch im Juni vorhergesagt: „Die ursprünglich für den Sommer erwartete kräftige Erholung nach Corona verschiebt sich weiter“, sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser am Mittwoch.

Obwohl die Auftragsbücher voll seien, „schrumpft die Produktion der Industrie als Folge von Lieferengpässen bei wichtigen Vorprodukten“, sagte Wollmershäuser. Die weltweite Nachfrage nach langlebigen Konsumgütern und elektronischen Artikeln habe viele Hersteller von Vorprodukten an ihre Kapazitätsgrenzen gebracht. Veränderte Warenströme stellten die globalen Lieferketten vor enorme Herausforderungen. Der Rückgang der Industrieproduktion dürfte sich bis Jahresende fortsetzen. Erst „nächstes Jahr ist dann mit einer kräftigen Erholung der Industrie zu rechnen“.

Privater Konsum tragende Säule

2020 war die Wirtschaftsleistung Deutschlands um 4,9 Prozent zum Vorjahr eingebrochen. Tragende Säule der Erholung sei derzeit der private Konsum, sagte Wollmershäuser. Nach dem Wegfall vieler Corona-Beschränkungen liefen Handel und Dienstleistungen wieder besser. „Die Konjunktur ist gespalten.“ Die Zahl der Arbeitslosen dürfte von 2,7 Millionen dieses Jahr auf 2,6 Millionen und nächstes Jahr auf 2,4 Millionen sinken. „Auch die Kurzarbeit wurde spürbar abgebaut und wird im kommenden Jahr ihr Vorkrisenniveau erreichen“, sagten die Wirtschaftsforscher voraus.

Die Inflationsrate dürfte in diesem Jahr auf 3,0 Prozent steigen, für das kommende Jahr erwartet das Institut eine Teuerung von 2,3 Prozent. Derzeit stiegen die Preise für Energie, in der Gastronomie und in einigen Dienstleistungsbereichen. Sollten die Lieferengpässe andauern und höhere Preise für Vorprodukte auf die Verbraucherpreise überwälzt werden, könnte die Inflation auch etwas höher ausfallen. Das Staatsdefizit - die Neuverschuldung von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen - dürfte dieses Jahr 157 Milliarden Euro erreichen.

Bessere Aussichten für 2022

Für 2022 rechnen die Münchner Wirtschaftsforscher mit 5,1 Prozent Wirtschaftswachstum - sofern die nächste Bundesregierung die derzeit beschlossenen Wirtschafts- und Finanzpakete umsetze. Eine andere Steuer- und Abgabenlast hätte natürlich Einfluss auf die Konjunktur, sagte Wollmershäuser.

Für das laufende Jahr hatte das ifo-Institut im März noch 3,7 Prozent, im Juni noch 3,3 Prozent Zuwachs vorhergesagt. Auch andere Forschungsinstitute hatten ihre Prognosen jüngst gesenkt. Das RWI in Essen erwartet in diesem Jahr 3,5 Prozent Wachstum, das IWH in Halle 2,2 Prozent, das DIW in Berlin 2,1 Prozent. Eine gemeinsame Herbstprognose wollen die führenden Institute Mitte Oktober vorlegen.

Die Chefvolkswirte der privaten Banken in Deutschland sehen die deutsche Wirtschaft auf „Erholungskurs mit Stolpersteinen“. Mit 3,3 Prozent Wachstum dürfte sie „bis Ende des Jahres ihr Vorkrisenniveau wieder erreichen“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbands BdB, Christan Ossig. Treiber sei neben dem belebten Welthandel vor allem der private Konsum. „Das Zwangssparen durch Corona scheint vorbei zu sein, die Nachholeffekte werden bis ins nächste Jahr hinein tragen.“ Größte Risiken seien die Liefer- und Produktionsengpässe der Industrie sowie Corona. Damit die Wirtschaft nach der Wahl nicht an Fahrt verliere, brauche es rasch eine „Koalition mit der Kraft zum Aufbruch“.

© dpa-infocom, dpa:210922-99-311811/4

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Erstellt:
22. September 2021, 10:55 Uhr

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