IG Metall sieht Industrie schlecht auf Wandel vorbereitet

dpa Frankfurt/Main. Auch die IG Metall kann Digitalisierung und Energiewende nicht verhindern. Die Gewerkschaft will aber negative Folgen für die Arbeitnehmer lindern und nimmt die Unternehmen in die Pflicht.

IG-Metall-Chef Jörg Hofmann kritisiert die Industrie: „Wenn sich die Unternehmen weiterhin so defensiv verhalten, spielen sie Roulette mit der Zukunft der Beschäftigten.“ Foto: Oliver Dietze

IG-Metall-Chef Jörg Hofmann kritisiert die Industrie: „Wenn sich die Unternehmen weiterhin so defensiv verhalten, spielen sie Roulette mit der Zukunft der Beschäftigten.“ Foto: Oliver Dietze

Viele Industriebetriebe sind nach Einschätzung der IG Metall nicht auf den digitalen und ökologischen Wandel vorbereitet.

Knapp die Hälfte der Unternehmen habe keine oder keine ausreichende Strategie, den anstehenden Wandel durch Digitalisierung und Energiewende zu bewältigen, kritisierte Gewerkschaftschef Jörg Hofmann in Frankfurt. Die IG Metall stützt sich auf Daten und Betriebsrats-Einschätzungen aus knapp 2000 Betrieben aus ihrem Organisationsbereich, die in Frankfurt in einem sogenannten Transformationsatlas vorgestellt wurden.

„Manche machen sich gar keine Gedanken, solange die Auftragsbücher voll sind“, schilderte Hofmann einige Rückmeldungen aus der Fläche. Dabei müssten sich Betriebe und Beschäftigte auf neue Qualifikationen und Geschäftsmodelle einstellen. Dafür sei unter Einbindung der Betriebsräte intensive Weiterbildung der Beschäftigten notwendig. 96 Prozent der Betriebsräte gingen von einem höheren Qualifizierungsbedarf als in der Vergangenheit aus. „Wenn sich die Unternehmen weiterhin so defensiv verhalten, spielen sie Roulette mit der Zukunft der Beschäftigten“, erklärte Hofmann.

Während die großen Auto-Hersteller ihre Belegschaften mit In-Sourcing zuvor ausgelagerter Tätigkeiten auslasteten, fehlten bei vielen Zulieferern bislang die Alternativen, sagte der IG-Metall-Chef. Ein positives Beispiel für eine Neu-Orientierung sei der Zulieferer Kühler-Behr aus Stuttgart, der sich neben dem Motorkühler-Geschäft nun auch Technologie zur Kühlung von Batterien erschlossen habe.

In Folge der politischen Regulierungen zur Energiewende seien derzeit die schärfsten Rationalisierungen zu erwarten, die in manchen besonders betroffenen Gegenden die Industriestruktur in Frage stellten. „Es drohen sonst industrielle Wüsten.“ Hofmann nannte in diesem Zusammenhang West-Thüringen, Mittelhessen und das Saarland, die stark von der Verbrennertechnologie abhängig seien.

Analog zur Finanzkrise 2008/2009 regt die IG Metall die Einrichtung regionaler Strukturfonds an. Diese könnten sich um „geduldiges“ privates Kapital bemühen, wenn beispielsweise die staatliche KfW-Bank bestimmte Risikogarantien übernehme. So müsse zunächst kein Steuergeld eingesetzt werden, warb Hofmann.

Hofmann forderte bessere Weiterbildungsmöglichkeiten für alle Beschäftigten sowie ein neuartiges Kurzarbeitergeld für Qualifizierungszeiten. „Wir brauchen das Transformations-Kurzarbeitergeld als Beschäftigungsbrücke, wenn Entlassungen vermieden werden sollten“, erklärte er. Kurzarbeitergeld wird aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung bezahlt.

Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall kritisierte die Betriebsratsbefragung. Sie solle wie ihre Vorgänger in erster Linie die nächste Tarifrunde vorbereiten, erklärte Hauptgeschäftsführer Oliver Zander in Berlin. Bei den richtigen politischen Rahmenbedingungen würden die 25.300 Betriebe der Metall- und Elektroindustrie auch den anstehenden Strukturwandel meistern. „Dort, wo Entwicklungen klar erkennbar sind, werden sie von den Unternehmen schon jetzt konsequent berücksichtigt.“ Gewerkschaft und Arbeitgeber müssten künftig stärker gemeinsam ihre Interessen vertreten.

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Erstellt:
5. Juni 2019, 19:31 Uhr

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