Illegales Autorennen vor den Augen der Polizei

Salomonisches Urteil für zwei Möchtegern-Rennfahrer: Geldstrafe und Fahrverbot, den Führerschein dürfen aber beide behalten.

Urteil zum illegalen Rennen Golf GTI gegen Golf Plus: Bis zum Leutenbachtunnel bringen es beide Fahrer auf eine Geschwindigkeit von knappen 150 Stundenkilometern. Foto: Erwin Wodicka / BilderBox.com

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Urteil zum illegalen Rennen Golf GTI gegen Golf Plus: Bis zum Leutenbachtunnel bringen es beide Fahrer auf eine Geschwindigkeit von knappen 150 Stundenkilometern. Foto: Erwin Wodicka / BilderBox.com

Von Hans-Christoph Werner

BACKNANG. Vor dem Amtsgericht haben sich zwei 20-jährige Männer, der eine Baugeräteführer, der andere Aushilfe, wegen eines verbotenen Autorennens zu verantworten. Die beiden Herren kannten sich zuvor nicht. Im Juli vergangenen Jahres kommen sie an einem Montagabend an der Ampelanlage Backnanger Straße, Ecke Neckarstraße am Ortsausgang Waldrems hintereinander zum Stehen. Beide sind sie gern motorisiert unterwegs und beide nennen sie einen VW Golf ihr Eigen. Wenngleich da ein kleiner Unterschied ist: Golf GTI gegen Golf Plus. Als die Ampel auf Grün springt, überholen beide ein vor ihnen fahrendes Fahrzeug und erreichen eine Kuppe, die den Blick freigibt auf die mit leichtem Gefälle und schnurgerade verlaufende Bundesstraße. Kurze Zeit, so sagt ein Polizeibeamter später, hätten die beiden ihre Fahrt gedrosselt und seien auf der zweispurigen Bundesstraße nebeneinander gefahren. Dass da noch dieses Zeichen „Daumen hoch“ gewesen sei, sagt nur der eine der beiden Fahrer. Aber auch ohne Daumenzeichen, die Situation lud ein. Freie Bahn und etwa gleichwertige fahrbare Untersätze.

Beide drücken tüchtig auf die Tube. Bis zum Leutenbachtunnel bringen es beide Fahrer auf eine Geschwindigkeit von knappen 150 Stundenkilometern. Gibt’s da irgendeine Geschwindigkeitsbegrenzung? Egal! Aber vor dem kurvigen Tunnel haben dann doch beide Respekt, sodass sie diesen gemäßigt durchfahren. Nach dem Tunnel gleich die erste Ausfahrt genommen, trifft man sich auf einem Parkplatz. Überraschenderweise hält neben den beiden Rennfahrern ein schwerer Mercedes, ein Zivilfahrzeug der Kriminalpolizei. Die beiden Golf-Piloten hatten ihr Autorennen vor den Augen von Ordnungshütern ausgefochten, die sofort die Verfolgung aufgenommen hatten. Die wollen nun Führerschein und Ausweis sehen. Der Aushilfsarbeiter findet das gar nicht amüsant, tröstet sich aber damit, das Zivilfahrzeug mit seinem Handy zu fotografieren. Damit seine Kumpels ihm die Sache glauben.

Beide Angeklagte zeigen sich in der Gerichtsverhandlung geständig. Wie es zu diesem kurzen Rennen kam, können sie nicht erklären. Jetzt, im Rückblick, müssen sie zugeben: Es war, so ihre Worte, unüberlegt, naiv, blöd, ja verantwortungslos. Und weil die Sache dumm für ihn ausgehen könnte, hatte der Baugeräteführer eiligst den Ratschlag seines Rechtsanwalts beherzigt. Er nahm vier Beratungsstunden bei einer Verkehrspsychologin. Es ging um Risikowahrnehmung und Stressabbau. Und darum, was denn so der Inhalt des Lebens sein könnte. Der Aushilfsarbeiter ist da etwas träger. Er belässt es bei dem Versuch, Therapiestunden zu nehmen. Beide Angeklagte machen in der Gerichtsverhandlung aber auch deutlich, dass ein längerer Führerscheinentzug für sie gravierende, auch die berufliche Tätigkeit betreffende, Folgen haben würde.

Die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe schildert kurz ihren Eindruck von den beiden jungen Männern. Sie plädiert für die Anwendung des Jugendstrafrechts. Und im Übrigen sei die Sache eine jugendtypische Verfehlung. Dieser Meinung ist der Staatsanwalt in seinem Plädoyer ganz und gar nicht. Von allen Generationen würden Autorennen gefahren. Die Anwendung des Jugendstrafrechts geht in Ordnung. Zugunsten der Angeklagten sei in die Waagschale zu werfen, dass sie sich einsichtig gezeigt hätten. Und der eine habe sogar psychologische Verkehrserziehung genommen. Weil die Verdienstlage der beiden Herren unterschiedlich sei, plädiert der Anklagevertreter für den Baugeräteführer auf eine Geldstrafe über 1200 Euro, der andere soll 400 Euro berappen. Und im Übrigen müsse beiden die Fahrerlaubnis für ein halbes Jahr entzogen werden.

Gegen Letzteres begehren die Verteidiger der beiden Angeklagten auf. Andere Verkehrsteilnehmer seien nicht gefährdet worden. Und ob ihre Mandanten jetzt, neun Monate nach dem Vorfall, zum Führen eines Fahrzeugs „ungeeignet“ seien? Warum da nicht der Führerschein gleich abgenommen wurde? Aber Strafe muss sein. Das wissen auch die Verteidiger. Und deshalb: Allenfalls für einen Monat wäre der Führerschein zu entziehen.

Zum letzten Wort aufgefordert, beteuern beide Angeklagte, dass solches nicht mehr vorkommen soll. Die Richterin nimmt in ihrem Urteil den Vorschlag des Staatsanwalts auf. 1200 Euro für den einen, 400 Euro für den anderen. Der Führerschein wird nicht entzogen, dafür aber beiden Angeklagten ein Fahrverbot über zwei Monate erteilt. Denn das liege in der Konsequenz der Tat. Beide jungen Männer werden das nun ihren Arbeitgebern zu beichten haben. Und hoffentlich eine Lösung finden, bei der sie nicht nur das Gesicht, sondern auch den Job bewahren können.

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Erstellt:
6. Mai 2021, 06:00 Uhr

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