Brennstoffzellen-Lkw
Im Alltag bewährt und trotzdem noch Zukunftsmusik
Daimler-Truck-Kunden ziehen nach einem Testjahr mit wasserstoff-getriebenen Schwerlastern eine positive Bilanz. Wie lange dauert es noch bis zur Serienproduktion?

© Daimler Truck AG
Amazon ist mit dem Brennstoffzellen-Lkw von Daimler Truck – hier auf der Teststrecke bei Wörth – in einem Jahr rund 60 000 Kilometer gefahren.
Von Matthias Schmidt
In der Theorie funktioniert es, in der Praxis auch. Trotzdem wird es noch bis in die 2030-er Jahre dauern, ehe Brennstoffzellen-Lkw von Daimler Truck in Serie gehen können. So lässt sich grob zusammenfassen, was bei der Bilanz eines einjährigen Alltagstests bei fünf großen Kunden des Nutzfahrzeugherstellers jetzt zu hören war. Damit am Ende ein Erfolg im Sinne des Klimaschutzes stehen kann, müsste noch vieles passieren – etwa der Aufbau von 2000 Wasserstofftankstellen in Europa.
Umgerechnet fünfeinhalb Mal haben die fünf Mercedes-Prototypen vom Typ GenH2 während des Testbetriebs die Erde umrundet: 225 000 Kilometer im Alltagseinsatz, wobei der Versandhändler Amazon mit 60 000 Kilometern auf der Route zwischen dem Logistikcenter Frankenthal in der Pfalz und dem Verteilzentrum Sindelfingen die längste Strecke machte. Weitere Kunden setzten die Lkw zum Transport von Zement, von Gasflaschen, Seecontainern und im „Gemischten Verkehr“ unterschiedlicher Lastträger ein.
„Aufgrund der Reichweite und den kurzen Tankzeiten können wir den GenH2-Truck wie einen Diesel-Lkw disponieren“, sagt der Geschäftsführer Micha Lege vom Logistik-Dienstleister Wiedmann & Winz aus Geislingen. Neben elektrischen Lkw für die kürzeren Strecken brauche man die Wasserstoff-Technologie, um auch auf Langstrecken um die tausend Kilometer CO2-freie Alternativen zum Diesel zu bekommen, ist er überzeugt.
Im GenH2-Lkw von Daimler Truck wird bei der Reaktion von Wasserstoff und Luft in der Brennstoffzelle Strom erzeugt, mit dem der Elektroantrieb gespeist wird. Wenn der Wasserstoff mithilfe von grünem Strom erzeugt wurde, ist der Betrieb der Fahrzeuge CO2-frei. Für die Gesamtdistanz des Testjahres hätten Diesel-Lkw laut Daimler Truck etwa 58 000 Liter tanken müssen und rund 154 Tonnen CO2 ausgestoßen.
Die Betriebskosten sind entscheidend für den Erfolg
Die Testpartner äußern sich durchweg positiv über den leisen und kraftvollen Antrieb sowie die kurzen Tankzeiten von zehn bis 15 Minuten. An der Praxistauglichkeit wird die Einführung des alternativen Antriebs folglich nicht scheitern, eher schon an den Rahmenbedingungen. Sowohl die Herstellung des Wasserstoffs wie dessen Verteilung muss erst noch im großindustriellen Maßstab aufgebaut werden. Zudem spielen im Geschäftsalltag die Betriebskosten die entscheidende Rolle.
Man strebe an, Brennstoffzellen-Lkw zu Preisen wie batterie-elektrische Lastwagen anbieten zu können, sagt Michael Scheib, der Leiter der Gesamtfahrzeugentwicklung bei Mercedes-Benz Trucks. Zudem müsse der Wasserstoff deutlich günstiger werden. Heute koste ein Kilogramm zehn, in manchen Ländern auch 15 Euro. Damit es sich rechnet, müsse der Preis auf zwei bis 2,50 Euro sinken, sagt Roger Haschka vom Baustofflieferanten Holcim, der am Test beteiligt war. „Die zentrale Herausforderung der Industrie liegt darin, einen Betrieb ohne Kostennachteile zu ermöglichen“, so Haschka.
Wegen des langsamer als erwarteten Ausbaus von Wasserstoff-Tankstellen werden Kunden in den nächsten Jahren noch nicht in der Lage sein, Wasserstoff-Lkw „in größerer Anzahl einzusetzen“, lautet heute die Prognose von Daimler Truck. Als nächsten Schritt geht der Hersteller, der im Joint Venture Cellcentric gemeinsam mit Volvo die Brennstoffzellen selbst im großen Maßstab bauen will, in eine zweite Erprobungsphase mit weiteren Kunden. Von 2026 soll für das öffentliche geförderte Projekt „Pegasus“ eine Testflotte von 100 Fahrzeugen der nächsten Generation gebaut werden. Eine Serienproduktion wasserstoff-getriebener Lkw wird für die frühen 2030er angestrebt.