Hintergrund

Im Alter getrennt, aber doch vereint

Ab Mitte kommenden Jahres darf es in Heimen keine Doppelzimmer mehr geben. Das gibt die Landesheimbauverordnung aus dem Jahr 2009 vor. In besonderen Fällen wird eine Fristverlängerung gewährt. Konkrete Lösungen haben bislang nur die wenigsten Einrichtungen. Die meisten befinden sich noch in Beratungsgesprächen mit der Heimaufsicht. Ehepaare müssen dennoch nicht befürchten, auseinandergerissen zu werden. Es gibt gute Lösungen.

Haus-Elim-Chef Thomas Gengenbach verteidigt das Einzelzimmergebot. Zimmer von Paaren ließen sich beispielsweise am Ende eines Ganges zu einer Einheit zusammenschließen. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Haus-Elim-Chef Thomas Gengenbach verteidigt das Einzelzimmergebot. Zimmer von Paaren ließen sich beispielsweise am Ende eines Ganges zu einer Einheit zusammenschließen. Foto: J. Fiedler

Von Florian Muhl

BACKNANG. Die Auswirkungen der Landesheimbauverordnung sind immens. Viele Kritiker hat diese Vorschrift auf den Plan gerufen. Von hohen Investitionen und großem Aufwand ist die Rede, von Reduzierung der Plätze und Kostensteigerung. Laut Sozialministerium mussten beziehungsweise müssen im Rems-Murr-Kreis – mit Ausnahme einer Pflegeeinrichtung (Haus am Kappelberg in Fellbach) sämtliche Pflegeeinrichtungen bauliche Veränderungen vornehmen. Schließungen von Einrichtungen könnten laut Ministerium auch nicht ausgeschlossen werden, „wenn diese von den Vorgaben der Landesheimbauverordnung in so erheblichem Maße abweichen, dass mit Blick auf das Wohl der Bewohnerinnen und Bewohner weder für verlängerte Übergangsfristen noch für Befreiungen von einzelnen Vorgaben Raum ist“. Trotzdem gibt es auch zahlreiche Befürworter der Verordnung, die der Überzeugung sind, dass ihre Vorteile überwiegen.

Zu den Kritikern zählt Gaby Schröder, Geschäftsführerin des Alexander-Stifts der Diakonie Stetten. „Von der Einzelzimmerverordnung halte ich als Geschäftsführerin nicht viel – ich möchte gerne die betroffenen Menschen als mündige Bürger entscheiden lassen“, sagt Schröder. Ihres Erachtens regele der Markt Angebot und Nachfrage und so sei es auch bei den Pflegeheimplätzen.

Das Alexander-Stift mit seinen insgesamt 21 Standorten verliert im kommenden Jahr insgesamt 20 Pflegeplätze in Doppelzimmern (das heißt aus Doppelzimmern werden Einzelzimmer) und dann bis zum Ende der Übergangsfristen weitere mindestens 80 Plätze aus Doppelzimmer. Weitere Platzverluste können noch nicht genau benannt werden, sagt Schröder. Nachdem im Oktober 2017 entschieden worden war, den Standort Großerlach-Neufürstenhütte zu schließen – im Juli dieses Jahres wurde das Grundstück mit dem Pflegeheim an einen privaten Investor verkauft – gibt es im Raum Backnang noch vier Standorte, für die bereits folgende Befristungen für Umbaumaßnahmen erteilt wurden: Allmersbach im Tal (Mai 2022), Aspach (Juli 2022), Weissach im Tal (Juli 2026) und Kirchberg an der Murr (März 2033). Dabei gibt es folgende Besonderheiten: In Allmersbach ist es die Vermischung von stationärer Pflege und betreutem Wohnen. Sollten sich alle Bewohner aus dem betreuten Wohnen damit einverstanden erklären, dass die Wohnungen zur Pflege genutzt werden, können die elf Plätze erhalten bleiben; dazu müssen aber alle Eigentümer der Wohnungen zustimmen. In Aspach entsprechen alle Einzelzimmer nicht der Mindestgröße; sie sind um bis zu 0,3 Quadratmeter zu klein. In Weissach fehlen rund 70 Quadratmeter Gemeinschaftsfläche.

Bei allen vier Gemeindepflegehäusern handelt es sich um Heime, die im sogenannten Investorenmodell gebaut wurden. Es gibt teilweise bis zu 50 Einzeleigentümer, das heißt, jedes Pflegezimmer hat einen anderen Eigentümer. „Teilweise haben Ehepaare ein Pflegezimmer gekauft, um im Fall der Pflegebedürftigkeit gemeinsam in einem Zimmer leben zu können. Dies geht jetzt nur noch über sogenannte Nutzungseinheiten“, sagt Schröder. Davon müsse im gesamten Pflegeheim aber nur eine zur Verfügung stehen. „Diese Investoren können die Landesheimbauverordnung nicht nachvollziehen“, so die Geschäftsführerin. Auch wenn sie zu den Kritikern der Verordnung gehört, betont Schröder: „Die Zusammenarbeit mit der Heimaufsicht ist sehr gut und konstruktiv.“

Zu den Befürwortern der Landesheimbauverordnung zählt Thomas Gengenbach, Vorsitzender des Vereins Haus Elim, Alten- und Pflegeheim. „Was ich bemängele, ist, dass die Landesheimbauverordnung nicht in der Dimension der Chance für die Einrichtungen gesehen wird. Dass man nicht sieht: Welche Chancen bietet denn die Verordnung hinsichtlich der Verbesserung der Wohnqualität für die Menschen, die wir pflegen und betreuen?“

Dass die Hausaufgaben, die da zu machen seien, nicht einfach zu bewerkstelligen seien, das sei völlig klar. „Und dass ich da einen einrichtungsindividuellen Weg der Umsetzung finden muss, das ist auch klar“, gesteht Gengenbach ein. Aber: „Diese Wege gibt es. Da muss man halt gute Lösungen erarbeiten.“ Die größten Umbaumaßnahmen standen und stehen im Stammhaus in Leutenbach an. Diese führen dazu, dass von den ursprünglichen 87 Plätzen 20 wegfallen.

Bereits im September 2009 sei er in erste Gespräche mit der Heimaufsicht eingestiegen. Weitere folgten. Im Juni 2015 hat Haus Elim ein umfassendes Konzept bei der Heimaufsicht eingereicht, wie man gedenke, mit Abweichungen der Häuser umzugehen. Ende 2015 sei das Konzept abgesegnet worden.

Von den acht Einrichtungen, die Haus Elim betreibt, erfüllen bereits einige die Vorgaben, so auch die Heime in Erbstetten (seit 2011) und Unterbrüden. Die Landesheimbauverordnung sei nicht vom Himmel gefallen, sagt Gengenbach. „Sie fordert den Standard, wie sie sich heute vielleicht einen Pflegeheimplatz für ihre Eltern vorstellen.“ Für Paare gebe es tolle Lösungen, beispielsweise bei gegenüberliegenden Räumen am Flurende. „Ob in einem Zimmer zwei Betten stehen und das andere als Wohnzimmer genutzt wird, interessiert überhaupt keinen Menschen“, sagte der Vereinsvorsitzende.

Eckart Jost, Geschäftsführer der Stiftung Altenheime Backnang und Wildberg, zu der die Häuser Staigacker und Johannes-Brenz-Haus sowie die Pflegestifte Bürgerheim und Am Langenbach gehören, gab keine Auskunft. Der Grund: „Wir befinden uns noch in der Abstimmungsphase mit der Heimaufsicht“, so Jost.

Landesheimbauverordnung schreibt ab 2019 Einzelzimmer in Seniorenheimen vor – Lösungen für Paare gibt es dennoch
Hintergrund
Heimbauverordnung und Heimaufsichtsbehörde
Die Landesheimbauverordnung (LHeimBauVO) von 2009 nebst den ermessenslenkenden Richtlinien hierzu von 2015 regelt die Qualität des Wohnens nur für stationäre Einrichtungen (Heime). Ziel ist, den in einer stationären Einrichtung lebenden Menschen einen möglichst würdevollen und selbstbestimmten Aufenthalt zu ermöglichen. So sind Einzelzimmer vorgeschrieben, die mindestens 16 Quadratmeter groß sein müssen, jedes benötigt einen Sanitärbereich. Heimbewohner müssen in Wohngruppen von höchstens 15 Personen, alternativ in Wohnungen von maximal 8 Personen aufgeteilt werden. Einrichtungen, die nach 2009 in Betrieb gingen, müssen die Vorgaben der Landesheimbauverordnung bereits erfüllen. Für ältere Einrichtungen besteht eine zehnjährige Übergangsfrist bis zum 31. August 2019. In besonderen Fällen kann diese Frist sogar auf bis zu 25 Jahre ab Betriebsbeginn verlängert werden. Eine Verlängerung ist insbesondere dann möglich, wenn dies für die Refinanzierung betriebsnotwendiger Investitionen notwendig ist. Kleinsteinrichtungen (bis 14 Plätze) können Ausnahmen von den Vorgaben der LHeimBauVO beantragen. Die Verordnung zwingt niemanden, allein zu leben. Sie lässt Wohneinheiten von zwei Personen ausdrücklich zu. Sie verhindert aber, dass Betroffene gegen ihren Willen mit Unbekannten in einem Zimmer zusammenleben müssen, weil kein Einzelzimmer für sie da ist. Alten-, Pflege- und Behindertenheime für Volljährige werden regelmäßig überprüft, und zwar unangekündigt mindestens einmal pro Jahr von der Heimaufsichtsbehörde. Diese gehört zum Amt für Recht und Ordnung des Landratsamts. Wenn nötig, kommt die Heimaufsicht auch ein weiteres Mal zum Kontrollieren. Darüber hinaus überprüft auch der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) die Heime einmal jährlich. Wenn man für sich oder Angehörige nach einem guten Heim sucht, kann auch vor Ort im Heim den Prüfbericht der Heimaufsicht oder des MDK einsehen.
Info
Daten und Fakten
Im Rems-Murr-Kreis gibt es insgesamt 69 stationäre und teilstationäre Pflegeeinrichtungen, die über 3900 Dauerpflegeplätze, 254 Kurzzeit- und 217 Tagespflegeplätze verfügen. Im Verbreitungsgebiet der Backnanger Kreiszeitung und Murrhardter Zeitung (Altkreis Backnang) sind es 29 Alten- und Pflegeheime mit 1567 Dauer-, 100 Kurzzeit- und 62 Tagespflegeplätzen. Eine befristete oder auch unbefristete Befreiung von den Vorgaben der LHeimBauVO haben im Kreis bisher 21 Einrichtungen für Senioren erhalten. Im Altkreis Backnang sind das folgende 6 Einrichtungen: Haus am Aspacher Tor (Backnang), Alexander-Stift (Allmersbach, Aspach, Kirchberg und Weissach) und Seniorenzentrum Waldfrieden (Murrhardt). Zusammen mit den Einrichtungen für behinderte und psychisch kranke Menschen gibt es im Rems-Murr-Kreis rund 130 Heime, die über 6000 Plätze verfügen.

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Erstellt:
19. November 2018, 06:00 Uhr

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