Im Besitz von Pornos mit Kindern

Fünf Jahre und ein Monat Freiheitsentzug: Ein 35-Jähriger muss in eine Entziehungseinrichtung.

Symbolfoto: Bilderbox/Erwin Wodicka

© BilderBox - Erwin Wodicka

Symbolfoto: Bilderbox/Erwin Wodicka

Von Wolfgang Gleich

BACKNANG. Drei Jahre und drei Monate Freiheitsentzug wegen des Besitzes kinder- und jugendpornografischen Materials, des unerlaubten Erwerbs und Besitzes von Betäubungsmitteln sowie von Munition für Schusswaffen, so lautete gestern das Urteil des Schöffengerichts am Amtsgericht Backnang in der mündlichen Verhandlung gegen den 35-jährigen Angeklagten. Dazu kommt eine zweite Verurteilung über ein Jahr und zehn Monate Freiheitsentzug, ebenfalls wegen des Besitzes kinder- und jugendpornografischen Materials und aufgrund einer Vorverurteilung aus dem Jahr 2018, die noch zur Bewährung ausgesetzt gewesen war.

Aber letztendlich, führte Marco Sievers als Vorsitzender Richter in seiner mündlichen Urteilsbegründung aus, habe der Angeklagte in mehrfacher Hinsicht großes Glück gehabt. Dadurch, dass ihn die US-amerikanische Nichtregierungsorganisation National Centre for Missing and Exploited Children (NCMEC), die mit den großen Internetanbietern, sozialen Netzwerken und anderen Dienstleistern wie Google, Facebook oder Microsoft zusammenarbeitet, den deutschen Behörden als Besitzer kinderpornografischer Dateien gemeldet hatte, habe sich die Möglichkeit aufgetan, ihn im letzten Moment von einem noch viel gefährlicheren Weg abzuhalten. So konnten auch die Vorbereitungen für den Vollzug des Missbrauchs mit Kindern, die bereits begonnen hatten, unterdrückt werden.

Ein Glück sei es ebenfalls gewesen, dass bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten unerlaubte Betäubungsmittel sowie Chatverläufe über deren Erwerb entdeckt wurden. Dies ermögliche es dem Gericht, so auch die einhellige Meinung des Staatsanwalts und des Verteidigers des Angeklagten, diesen in eine Entziehungseinrichtung einzuweisen, in der neben der Drogenabhängigkeit auch dessen pädophile Neigung aufgearbeitet werden könne.

Das wichtigste Glücksmoment war aber wohl, dass das Gericht den Psychiater und Psychotherapeuten Nenad Vasic zum Gutachter bestellt hatte. Dieser hatte sich am 22. November zu einem ausführlichen Gespräch mit dem Angeklagten getroffen, die von diesem vorgelegten Behandlungsunterlagen und Berichte ausgewertet und seine Erkenntnisse in stringent nachvollziehbarer Form dem Gericht zugänglich gemacht: Seit seiner Kindheit, fügten sie die Erläuterungen von Vasic zu einem Gesamtbild, hat der Angeklagte mit psychischen Problemen zu kämpfen, mit Zwangsvorstellungen, Depression und Angstzuständen, die nach der Trennung der Eltern massiv auftraten und auch bis heute immer wieder ärztlich behandelt werden.

Die Verlobte fand sein Tagebuch und warf ihn aus der Wohnung.

Seit seinem 17. Lebensjahr konsumierte der Verurteilter Cannabis, teilweise täglich. Dazu kamen Amphetamine, MDMA, Morphium, Heroin, Alkohol, Schlaf- und Beruhigungsmittel. Entgiftungen und Therapien wechselten sich mit Rückfällen ab. Zurzeit ist er in der Winnender Drogenambulanz in Substitution, aber nicht unbedingt erfolgreich.

Trotzdem schaffte er die Mittlere Reife, bestand das Abitur und absolvierte erfolgreich eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann. Seinen Arbeitsplatz verlor er, als der Drogenkonsum immer häufiger wurde, ebenso erging es ihm mit dem Führerschein. Ein Studium der sozialen Arbeit scheiterte nach drei Semestern, ebenso eine Ausbildung zum Erzieher nach anderthalb Jahren und ein Praktikum in einem Altenheim. Zurzeit lebt er von Arbeitslosengeld II und der Unterstützung durch seine Eltern.

Von 2014 bis 2016 lebte er in einer festen Beziehung, 2017 wurde er Vater. Aber da hatte ihn seine Verlobte bereits aus der gemeinsamen Wohnung geworfen, nachdem sie sein Tagebuch mit Aufzeichnungen über seine pädophilen Fantasien entdeckt hatte. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung wurden 2400 kinderpornografische und 600 jugendpornografische Bilder sowie mehrere Videos mit entsprechendem Inhalt entdeckt, die schließlich zu der Verurteilung im Jahr 2018 führten.

Im November 2017 meldete NCMEC den Angeklagten den deutschen Behörden. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung wurden Notizen, E-Mails und SMS sowie auf Laptop, Tablet, auf Datenträgern und Mobiltelefon insgesamt über 1400 Bilddateien und Videos mit pornografischem Inhalt mit Kindern unter 14 Jahren gefunden, dazu größere Mengen Betäubungsmittel und SMS, die den Kauf von Drogen und Munition dokumentierten. Der Versuch, sich auch eine Schusswaffe zu beschaffen, war anscheinend erfolglos geblieben. Nach anfänglichem Leugnen sei der Angeklagte „im wesentlichen“ kooperationsbereit gewesen, sagte ein Kriminalbeamter als Zeuge. Er habe seine Passwörter mitgeteilt und auch beim Entsperren geholfen.

„Es ist kein Geschenk, wenn wir Sie in eine Entziehungsanstalt einweisen“, mahnte der Vorsitzende Richter Sievers. Es werde ein schwerer Weg für den Angeklagten. „Es ist die richtige Maßnahme und es wird eine langfristige Sache, die im Anschluss weitergehen muss.“ Pädophilie sei keine Krankheit, die wegtherapiert werden könne. Aber es sei möglich zu lernen, diese Neigung zu unterdrücken, sodass man sich selbst und anderen keinen Schaden zufüge.

Zum Artikel

Erstellt:
16. Januar 2021, 16:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Lesen Sie jetzt!

Stadt & Kreis

Zeigt die Wildtierkamera einen Wolf?

Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg untersucht derzeit die Aufnahmen eines Tiers, die am Mittwoch auf der Gemarkung des Sulzbacher Teilorts Bartenbach entstanden sind. Vor Abschluss der Untersuchung hüllen sich die Experten in Schweigen.

Stadt & Kreis

„Ich bin ein altes Zirkuspferd“

Als Moderator der SWR-Talkshow „Nachtcafé“ war Wieland Backes ein bekanntes Fernsehgesicht. Heute ist der 77-Jährige schriftstellerisch tätig: Am Montag präsentiert er in Backnang sein neues Buch. Im Interview verrät Backes, warum es für ihn auch eine Rückkehr zu seinen Wurzeln ist.

Stadt & Kreis

Aus Abfall entstehen Strom und Wärme

Energiewende vor der Haustür (5) Die Biovergärungsanlage der AWRM in Backnang-Neuschöntal verwertet Bioabfall aus dem Kreis und gewinnt daraus Energie. Der Strom der Anlage deckt den Jahresbedarf von etwa 3000 Haushalten.