Lieferkettengesetz

Im EU-Parlament fällt die Brandmauer

Die Konservativen schwächen mit den Stimmen extrem-rechter Parteien das Lieferkettengesetz ab. Die linken Fraktionen reagieren empört.

Das Lieferkettengesetz soll dafür sorgen, dass Menschen nicht ausgebeutet werden. Das EU-Parlament hat nun beschlossen, die Regeln aufzuweichen.

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Das Lieferkettengesetz soll dafür sorgen, dass Menschen nicht ausgebeutet werden. Das EU-Parlament hat nun beschlossen, die Regeln aufzuweichen.

Von Knut Krohn

Im Europaparlament schlagen die Emotionen ungewöhnlich hoch – nicht wegen der Zustimmung der Abgeordneten für weitreichende Lockerungen des umstrittenen EU-Lieferkettengesetzes. Für Empörung im linken Lager sorgt, dass die Mehrheit gezielt aus Konservativen und Rechtsaußenfraktionen zustande kam. Manfred Weber (CSU), Vorsitzender der konservativen EVP-Fraktion, habe sich „für den Tabubruch und den Schulterschluss mit den Rechtsextremen entschieden“, sagte Terry Reintke, die Co-Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Europaparlament, am Donnerstag. Diese Abstimmung sei ein Präzedenzfall, der „die Zusammenarbeit mit Rechtsaußen zur Normalität machen“ soll. Weber weist solche Vorwürfe weit von sich. Er betonte in Brüssel den Sieg in der Sache: „Heute ist ein guter Tag für Europas Wettbewerbsfähigkeit.“

Kampf gegen Verletzung der Menschenrechte

Brandmauer eingerissen?

Ursprünglich wollte die EU mit dem Lieferkettengesetz Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten und 450 Millionen Euro Jahresumsatz für Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung in ihrer Produktion in die Pflicht nehmen. Die Mehrheit im Europaparlament will diese Schwelle nun auf mindestens 5000 Beschäftigte und einen Jahresumsatz von mindestens 1,5 Milliarden Euro anheben. Das entspricht der Position einer Mehrheit der 27 EU-Staaten.

Darüber hinaus will die Parlamentsmehrheit weitere Lockerungen. Anders als bislang vorgesehen, sollen die Konzerne nicht mehr grundsätzlich ihre gesamte Lieferkette kontrollieren und sich stattdessen auf Zulieferer konzentrieren, bei denen sie ein hohes Risiko für Verstöße vermuten. Sie müssten damit deutlich weniger Informationen liefern.

René Repasi, Chef der deutschen SPD-Gruppe im Europaparlament, warnte, dass die Konservativen eine „gefährliche neue Erzählung verbreiten, indem sie Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit als Widersprüche inszenieren“. Das wirtschaftliche Überleben Europas hänge davon ab, die Wirtschaft beim Wandel zur Klimaneutralität zu unterstützen. Und: Die Christdemokraten hätten „die Brandmauer eingerissen“.

Brandmauer ist nicht gleich Brandmauer

Diese Umschreibung für die konsequente Absage der Zusammenarbeit mit den Parteien aus dem rechtspopulistischen Spektrum, ist aus dem Berliner Bundestag geläufig. Allerdings lassen sich die politischen Verhältnisse aus Deutschland nicht einfach auf das Europaparlament übertragen. Denn auf EU-Ebene gibt es keine feste Regierungskoalition und keine Fraktionsdisziplin. Viele Abgeordnete stellen bei Abstimmungen das Wohl ihres Heimatlandes über das der international zusammengewürfelten Fraktion. Deshalb werden Gesetze in Brüssel mit wechselnden Mehrheiten verabschiedet.

Geänderte Kräfteverhältnisse

Gab es bei diesen Voten eher linke Mehrheiten, mit denen etwa die Vorgaben in Sachen Umweltschutz oder Menschenrechte verschärfen wurden, haben sich die Kräfteverhältnisse nach der Europawahl 2024 verändert. Nun kann die konservative EVP, zu der auch CDU und CSU gehören, je nach Thema ihre Mehrheiten links oder rechts der eigenen Position finden. Diese neue Situation nutzt EVP-Chef Weber, um Vorschriften für Unternehmen oder Umweltvorgaben zurückzunehmen. Dabei sieht er einige Rechtsfraktionen als verlässliche Partner, etwa die Partei der italienischen, postfaschistischen Regierungschefin Giorgia Meloni.

Im Europaparlament weht nun ein neuer Wind

Allerdings schreckten die Konservativen im Europaparlament auch nicht zurück, Stimmen aus der extrem-rechten Ecke hinzunehmen. So nahm eine konservative Mehrheit Anträge an, die ohne die Stimmen der AfD nicht beschlossen worden wären – damals ging es um ein Gesetz gegen Abholzung. Das wurde von den linken Fraktionen bisher mit Zähneknirschen akzeptiert. Allerdings habe Weber nun „erstmals ein Gesetz bewusst und kalkuliert mit den Stimmen der extremen Rechten durch das Parlament gebracht“, empörte sich die Grünen-Abgeordnete Anna Cavazzini. Die Vertreter von Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen werten dies als politische Kampfansage.

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Erstellt:
13. November 2025, 16:28 Uhr

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