Im Fußball ein Zuhause gefunden

Wir schaffen das! Tatsächlich? (9): Mohammad Akbari spielt seit drei Jahren Fußball beim FC Viktoria Backnang. Er hat große Ziele, will irgendwann als Profifußballer spielen. Dass er während der Flucht aus Afghanistan geboren wurde, ist für ihn kein Hinderungsgrund. Im Verein ist er vollkommen angekommen.

Mohammad Akbari spielt leidenschaftlich gerne Fußball. Seine Familie stammt aus Afghanistan, er ist im Iran geboren, als seine Eltern sich schon auf der Flucht befunden haben. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Mohammad Akbari spielt leidenschaftlich gerne Fußball. Seine Familie stammt aus Afghanistan, er ist im Iran geboren, als seine Eltern sich schon auf der Flucht befunden haben. Foto: J. Fiedler

Von Kristin Doberer

BACKNANG. Als Mohammad Reza Akbari an einem trüben Nachmittag mit Fußballschuhen aus dem Haus flitzt, ist das zumindest für seinen Nachbarn keine Überraschung. „Der schläft doch mit den Fußballschuhen“, murmelt der Mann. Damit liegt er gar nicht so falsch. Denn der Neunjährige spielt leidenschaftlich gerne Fußball. Im Verein ist er erst seit drei Jahren Mitglied. Zuvor hat er nur mit Freunden auf der Wiese gekickt und die Spiele der Profis aufmerksam auf dem Fernseher verfolgt. Mittlerweile will er selbst hoch hinaus und irgendwann Profifußballer werden, am liebsten als Torwart. Doch bis dahin ist der Weg noch lang. Im Moment spielt er in der F-Jugend beim FC Viktoria Backnang. Am liebsten als Torwart, „das macht mir am meisten Spaß“. Vor der Zwangspause durch Corona hat er aber auch als Feldspieler auf verschiedenen Positionen – zuletzt vor allem als Verteidiger – gespielt. Zum FC Viktoria kam er durch Freunde aus der Nachbarschaft. Der Vater eines guten Freundes war Trainer bei dem Verein und hat ihn kurzerhand mit in ein Training genommen.

Die Eltern wollen ihrem Sohn eine bessere Zukunft bieten.

Dabei ist der finanzielle Aspekt der Vereinsmitgliedschaft nicht immer einfach gewesen für die Familie, die nach der Flucht nach Deutschland kaum Mittel zur Verfügung hatte: Fußballschuhe, Trainingsanzüge, Bälle und Schienbeinschoner sind nicht gerade billig. Doch wollten Mohammads Eltern nie zulassen, dass das Finanzielle dem Sport ihres Sohnes im Weg steht. „Das ist sehr teuer“, sagt Vater Hashen Akbari. „Aber wir wollen ihn nicht wegen Geld zurückhalten oder irgendwo abmelden. Schließlich sind wir vor allem deshalb geflohen, um unserem Sohn irgendwann mal eine bessere Zukunft zu ermöglichen.“ Ihm sei es wichtig gewesen, dass Mohammad andere Kulturen kennenlernen kann. Dass er im Fußballverein so schnell und gut Anschluss gefunden hat, hat die Eltern unglaublich gefreut. „Er kann so schnell Freunde finden und auf andere zugehen“, meint Hashen Akbari stolz. Und Freunde hat Mohammad bei den Spielern einige gefunden. Er sagt, dass er sich mit allen sehr gut versteht, „sogar mit den VfB-Fans“. Gar nicht so selbstverständlich, denn der Neunjährige ist leidenschaftlicher Anhänger des FC Bayern, viele seiner Vorbilder spielen bei dem Verein. Und irgendwann möchte er nicht nur ein Spiel der Bayern live sehen, sondern selbst auch für den Verein spielen.

Seine Freunde und Mitspieler hätten sich nie groß dafür interessiert, dass er als Flüchtling nach Deutschland gekommen ist. Auch Fragen zur Flucht stellen sie ihm eigentlich gar nicht. Dabei kann er sich an ein paar Dinge sogar noch erinnern, auch wenn er zu dem Zeitpunkt erst drei Jahre alt war. Sein eigentliches Heimatland hat er nie gesehen. Seine Eltern kommen aus Afghanistan, doch sie haben sich schon auf der Flucht befunden, als Mohammad im Iran zur Welt gekommen ist. Fragt man ihn nach dem Weg nach Deutschland, erinnert er sich vor allem an langes Laufen durch Bäume, an Krabbeln auf dem Boden und dann an die Fahrt mit dem Schiff von der Türkei nach Italien, wo die kleine Familie nach sechs Tagen auf einem Boot von italienischen Beamten gerettet werden musste. Dann ging es über Frankreich zunächst nach Karlsruhe, bis die Familie vor knapp fünf Jahren vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) nach Backnang geschickt wurde.

Hier haben sie zunächst mehrere Jahre in der Flüchtlingsunterkunft in der Hohenheimer Straße gelebt, bis sie in eine eigene kleine Wohnung umziehen konnten. Mittlerweile hat Mohammad auch zwei kleine Brüder bekommen. Auch wenn sie im Moment noch zu jung dafür sind, hoffen die Eltern, dass auch sie irgendwann Interesse am Vereinsleben zeigen.

Durch Corona kein Training: Der Neunjährige langweilt sich sehr.

Als nächsten Schritt hat sich der Schüler aber einen Vereinswechsel zur TSG Backnang vorgenommen. Denn dort spielen seine beiden besten Freunde aus der Schule, und allgemein spielt der Verein höherklassig. „Da geht es dann noch mehr um Technik im Training“, meint Mohammad. Aber für seine Wechselpläne hat auch ihm Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht. Dass im Moment weder Spiele noch regelmäßiges Training stattfindet, bedrückt den Jungen sehr. „Es ist so langweilig ohne Fußball.“ Seine Zeit verbringt er nun entweder mit Freunden auf dem Spielplatz, beim Fahrradfahren oder auf seinem Zimmer, wo er – wenn auch nur virtuell – auch Fußball spielt.

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Erstellt:
5. Dezember 2020, 11:30 Uhr

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