Im Graben verlief die Stadtmauer

Blick in das Archiv von Peter Wolf: Wo sich heute die Volksbank Backnang befindet, stand einst das Weinrestaurant Kinzer. Das Gebäude brannte 1906 fast vollständig ab, wurde danach wieder aufgebaut und 1936 vom Kreditverein Backnang gekauft.

Der neu gebaute Weinausschank Gottlieb Kinzer um 1910. Repros: P. Wolf

Der neu gebaute Weinausschank Gottlieb Kinzer um 1910. Repros: P. Wolf

Von Claudia Ackermann

BACKNANG. An der Ecke der Grabenstraße und Schillerstraße, wo sich heute die Volksbank Backnang befindet, stand einst das Weinrestaurant Gottlieb Kinzer. Um 1832 taucht die Familie Kinzer unter mehreren Hausbesitzern auf, hat Heiner Kirschmer für das Backnanger Häuserlexikon recherchiert, das sich derzeit in Arbeit befindet. 1899 war das Haus im alleinigen Besitz des Bäckers Gottlieb Kinzer, der in dem Gebäude eine Weinstube einrichtete.

Das Gebäude brannte 1906 fast vollständig ab. Ein Foto aus Peter Wolfs Archiv zeigt die Brandruine in jenem Jahr. Daneben ist das letzte Backnanger Torhaus zu sehen, das Teil der früheren Stadtmauer war. 1811 diente es einem Backnanger Nachtwächter als Wohnung, bevor es 1827/28 in private Hände überging. Für die Verbesserung des Verkehrsflusses musste es 1908 abgerissen werden. Sein Haus baute Gottlieb Kinzer nach dem Brand wieder auf mit dem markanten runden Erker und eröffnete darin wieder einen Weinausschank. Eine Ansichtskarte zeigt das Gebäude um das Jahr 1910.

Entlang der heutigen Grabenstraße verlief die Backnanger Stadtmauer mit dem Aspacher Torhäuschen. Die Errichtung der Stadtmauer hängt eng mit der Stadterhebung durch Markgraf Hermann von Baden zwischen 1219/20 und 1230 zusammen, informiert das Backnang-Lexikon. Die genaue Entstehungszeit ist nicht belegt. Zusammen mit dem Graben diente die Stadtmauer als Befestigungsanlage für die Stadt. Nach dem verheerenden Stadtbrand von 1693 schaffte man den Brandschutt aus der zerstörten Stadt hinaus und füllte damit auch den Graben auf, der sich in vergangenen Kriegszeiten als untauglich erwiesen hatte.

Das Haus des Weinrestaurants Kinzer wurde 1936 vom Kreditverein Backnang gekauft.

Nun durfte aufgrund der Wohnungsnot „auf dem Graben“, wie die Bezeichnung vor 1890 war, auch außen an die Stadtmauer oder darauf gebaut werden, jedoch waren die Bewohner für den Erhalt ihres Mauerstücks verantwortlich, schreibt Helmut Bomm in seinem Buch „Was Straßenschilder erzählen“. Um 1700 stand „auf dem Graben“ eine auf Kosten der Stadt erbaute Salpeterhütte. Der Salpeter wurde durch Auslaugen der Erde aus Dunglegen und Ställen gewonnen. Die Untertanen waren verpflichtet, das Ausgraben zu gestatten und durften ihre Ställe nicht mit Pflaster versehen. Der damalige Salpetersieder mit Namen Koch lieferte den gewonnenen Salpeter an die herrschaftlichen Pulvermühlen. Erst Ende des 18. Jahrhunderts war die Straße außerhalb der Stadtmauer zu beiden Seiten überbaut, so Bomm. Eine Aufnahme, die um 1917 entstanden ist, zeigt einen Blick in die damals noch sehr schmale Grabenstraße mit Arbeiterwohnhäusern und kleinen Handwerksbetrieben.

Das Haus des Weinrestaurants Kinzer mit der Adresse Schillerstraße 18 wurde 1936 vom Kreditverein Backnang gekauft. Die Genossenschaftsbank war 1902 von 85 Bürgern gegründet worden, um zumeist Gewerbetreibenden aus dem kleinen und mittleren Handwerk sowie anderen Kunden Geld „zu erträglichen Zinsen“ auszuleihen, heißt es im Backnang-Lexikon. Im Zuge der Vereinheitlichung der Firmenbezeichnung aller dem Deutschen Genossenschaftsverband angeschlossenen Kreditgenossenschaften kam es 1941 zur Umbenennung in Volksbank Backnang. Ein Foto von 1963 zeigt das Bankgebäude mit den runden Erkern nach einem Umbau mit durchlaufender Fensterfront der Geschäftsräume.

Im Jahr 1959 schrieb die Stadt einen Ideenwettbewerb für eine Altstadtsanierung aus, so Bomm. Seit 1962 ist nach den dabei festgelegten Plänen eine ganze Reihe von Neubauten in der Innenstadt entstanden. In diesem Zusammenhang wurden viele alte Gebäude beseitigt, so auch die gesamten, einstmals an die Stadtmauer angelehnten Gebäude im Graben. So entstand eine gegenüber früher wesentlich breitere Grabenstraße mit einer völlig neuen Bebauung. Im September 1977 konnte die neue Grabenstraße dem Verkehr übergeben werden. 1995 wurde der Neubau der Volksbank am erweiterten Standort in der Schillerstraße 18 eröffnet, wo einst das Weinrestaurant Kinzer stand. Hier befindet sich auch heute noch die Hauptstelle der Volksbank Backnang. In der Grabenstraße erinnern nur noch wenige Überreste an die Stadtmauer und den ehemaligen Stadtgraben. Die Rückseiten zweier Häuser am Ende der Grabenstraße bestehen noch aus Teilen der Stadtmauer. An der Außensitzfläche des Eiscafés Portofino ist ein Stück zu sehen und weitere wurden in die Innenräume der nebenan gelegenen Geschäfte integriert.

Blick in die schmale Grabenstraße um 1917.

Blick in die schmale Grabenstraße um 1917.

Brandruine der 1906 zerstörten Weinstube Kinzer. Links daneben das letzte Backnanger Torhaus.

Brandruine der 1906 zerstörten Weinstube Kinzer. Links daneben das letzte Backnanger Torhaus.

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Erstellt:
27. November 2020, 06:00 Uhr

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