Immer mehr Schmierereien in der Stadt

Sowohl politische Parolen als auch Graffiti zu anderen Themen sind in und um Backnang momentan häufig zu finden

Derzeit tauchen vermehrt Graffiti in und um Backnang herum auf – mal in aller Eile an die Wand geschmiert, mal kunstvoll und mit viel Mühe gestaltet. Nicht alle Parolen sind politisch motiviert, es geht auch oft um Fußball. Und hin und wieder sind Zeichnungen und Sprüche zu sehen, die albern sind – oder auf ihre Art „nett gemeint“. So oder so: Es bleibt Sachbeschädigung.

In und um Backnang tauchen derzeit Graffiti auf, manche sind schon älter und werden nicht entfernt, andere sind ganz neu und verschwinden auch schnell wieder. Fotos: A. Becher (4)/S. Latzel (1)

In und um Backnang tauchen derzeit Graffiti auf, manche sind schon älter und werden nicht entfernt, andere sind ganz neu und verschwinden auch schnell wieder. Fotos: A. Becher (4)/S. Latzel (1)

HBVon Silke Latzel

BACKNANG. Montagmorgen: Direkt vor dem Süwag-Servicecenter steht in großen weißen Lettern auf dem Gehsteig „Süwag = RWE Klimakiller“. Mittags ist der Schriftzug verschwunden. Auf einem der Viaduktpfeiler an der B14 Höhe Etzwiesen ist „CC 97“ zu lesen. Der Schriftzug der VfB-Ultras „Commando Cannstatt“ ist in der Backnanger Innenstadt immer wieder zu finden, etwa auch in der Postgasse auf einem Durchfahrt-verboten-Schild. Das sind nur drei von vielen Beispielen, wie man sie derzeit rund um die Stadt Backnang häufig findet.

Während viele der Graffiti den meisten Passanten gar nicht auffallen, – entweder weil sie eine Botschaft transportieren, die nur Eingeweihte verstehen, oder schon seit längerer Zeit an Ort und Stelle sind und auch nicht weiter stören –, sind es vor allem politische Parolen aller Art, die Aufmerksamkeit erregen.

So wurde beispielsweise das Berufsschulzentrum Backnang vor Kurzem mit rassistischen Gewaltaufrufen, Nazisymbolen wie dem Keltenkreuz und der Buchstabenfolge „HKNKRZ“, einer Abkürzung für das Wort Hakenkreuz beschmiert. Die Schulleitung wollte sich gestern auf Anfrage dazu nicht äußern. Ein weiteres Beispiel: Von Samstag auf Sonntag brachten unbekannte Täter an einem Garagentor im Lutherweg ebenfalls ein Hakenkreuz-Graffito an. Doch nicht nur rechtsradikale Sprüche lassen sich im Stadtgebiet finden, auch dem linken Spektrum zugeordnete Schmierereien wie „ACAB“ sind nicht zu übersehen. Die Abkürzung steht für „all cops are bastards“, wörtlich übersetzt: alle Polizisten sind Bastarde.

Der Pressesprecher der Stadt Backnang, Hannes Östreich, teilt auf Anfrage mit: „Leider gibt es seit einigen Wochen und Monaten in unserer Stadt gehäuft rechts- und linksextremistische Schmierereien. Vor wenigen Tagen hat ein Täter, der vom städtischen Vollzugsdienst und der Polizei gefasst wurde, am Rathaus mit Kreide SS-Runen angebracht, kurz darauf haben am helllichten Tage zwei Täter, die nach ihrer Entdeckung geflüchtet sind, eine ganz neue Hochwassermauer mit der Aufschrift ‚Nazis jagen – Antifa‘ besprüht. An mehreren Gebäuden und Wänden im Stadtgebiet beobachten wir seit Wochen, dass die Extremisten sich gegenseitig hochschaukeln. Wir wenden uns mit aller Entschiedenheit gegen Extremisten jedweder Couleur, entfernen die Schmierereien – sofern sie Gebäude und Anlagen im städtischen Eigentum betreffen – so schnell wie irgend möglich. Bei Gebäuden im Eigentum Dritter setzen wir uns – sofern uns die Schmierereien bekannt werden – nachdrücklich für eine schnelle Entfernung ein. Auch deswegen, um die Täter zu demotivieren.“ Im Übrigen sei man der Auffassung, „dass große Aufmerksamkeit und Berichterstattung die Täter vor allem aufwertet, bestärkt und sie ermuntert, weiterzumachen.“

Kann die Stadt diesen Umtrieben denn etwas entgegensetzen? Ja, sagt Östreich: „Polizei und kommunaler Vollzugsdienst führen bereits ein hohes Maß an Bestreifung durch. Die Täter müssen in Backnang immer damit rechnen, gefasst zu werden. Allerdings können Polizei und Vollzugsdienst nicht überall gleichzeitig sein – weswegen es den Tätern bisher, wohl auch im Schutz der Dunkelheit und des Morgengrauens, überwiegend gelungen ist, unentdeckt zu bleiben.“

Bei der Stadt Backnang vermutet man, dass das gehäufte Auftreten von Schmierereien „mit der zunehmenden Polarisierung und Radikalisierung in unserer Gesellschaft in ganz Deutschland zu tun haben“. Die Polizei hingegen betrachtet die Sache nüchterner: „Das Phänomen gab es schon immer, manchmal tritt es häufiger auf als sonst“, so David Ebert von der Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit des Polizeipräsidiums Aalen.

Zwischen den politischen Botschaften gibt es auch hin und wieder vermeintlich lustige oder zumindest auf ihre Art nett gemeinte Graffiti: Ein „Kopf Hoch“ inklusive Smiley oder ein lachender Penis sind auch zu finden.

Eines haben alle Botschaften gemein: Sie erfüllen den Straftatbestand der Sachbeschädigung. Die Schmierereien müssen allerdings auch bei der Polizei angezeigt werden, sonst habe man keine Handhabe, so Ebert. Die Graffiti zu entfernen kostet viel Geld, die Stadt habe „die Entfernung der Schmierereien auf der neuen Hochwassermauer annähernd 1000 Euro gekostet“, sagt Östreich und ergänzt: „Sofern städtisches Eigentum betroffen ist, stellt die Stadt grundsätzlich Strafantrag wegen Sachbeschädigung. Im Übrigen wurde auch – sofern dies der Fall war – Strafanzeige wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gestellt.“

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Erstellt:
2. Oktober 2018, 06:00 Uhr

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