Impfen geht nur langsam voran

Ein Großteil der Alten- und Pflegeheimbewohner im Rems-Murr-Kreis ist noch nicht gegen das Coronavirus geimpft. Das größte Problem ist nicht die mangelnde Impfbereitschaft, sondern der fehlende Impfstoff.

Die mobilen Impfteams impfen nicht nur die Bewohner, sondern auch die Mitarbeiter der Alten- und Pflegeheime. Fotos: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Die mobilen Impfteams impfen nicht nur die Bewohner, sondern auch die Mitarbeiter der Alten- und Pflegeheime. Fotos: J. Fiedler

Von Melanie Maier

BACKNANG/AUENWALD. Schleppend läuft sie an, die Coronaschutzimpfung im Rems-Murr-Kreis. Nach Angaben des Landratsamts haben erst knapp 1500 Bewohner und Mitarbeiter der Alten- und Pflegeheime die erste der beiden notwendigen Impfungen durch mobile Impfteams (MIT) erhalten. Rund 4200 Menschen leben in den insgesamt 68 Alten- und Pflegeheimen des Landkreises. Ein Großteil von ihnen ist noch nicht geimpft worden, ungeimpft sind zudem rund 3000 Mitarbeiter. „Es geht voran, aber es ist noch einiges zu tun“, fasst Martina Keck, Pressesprecherin des Landratsamts, die Situation zusammen.

Wie viele Alten- und Pflegeheime die mobilen Impfteams des Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart im Landkreis schon besucht haben, kann Keck nicht sagen. „Die MIT koordinieren das selbstständig mit den Pflegeheimen“, erklärt sie. In die Planung sei das Landratsamt nicht eingebunden. Sämtliche Impfungen im Rems-Murr-Kreis wurden von den MIT aus Stuttgart realisiert. Denn den Impfstoff haben bislang nur die neun zentralen Impfzentren (ZIZ) in Baden-Württemberg erhalten. Sie führen seit dem 27. Dezember 2020 Impfungen durch. An diesem Freitag sollen die rund 50 Kreisimpfzentren (KIZ) folgen – mit Impfungen vor Ort und eigenen MIT, die die Heime besuchen (siehe Infokasten).

Sorgen über Nebenwirkungen der Impfung sind vor allem unter den Heimmitarbeitern verbreitet.

Dass es von nun an schneller vorangeht, ist allerdings mehr als fraglich. Denn der Impfstoff ist nach wie vor Mangelware. Wann die Impfungen im Südwesten komplett abgeschlossen sein werden, hänge allein davon ab, wie viel Impfstoff der Bund liefere und welche weiteren Impfstoffe noch zugelassen werden, so Florian Mader, Pressereferent beim Sozialministerium Baden-Württemberg. Er betont, die Bundesregierung sei für die Verhandlungen über Liefermengen und Liefertermine mit den Herstellern verantwortlich. „Prognosen“, sagt er, „können wir da keine machen.“

Was bereits bekannt ist: Bei dem Impfstoffhersteller Biontech/Pfizer verzögert sich die Auslieferung zumindest in den kommenden zwei bis drei Wochen. Am 25. Januar bekommt Baden-Württemberg 42 Prozent weniger Impfstoff, als vom Bund zugesagt worden war.

Um seine Bewohner muss Michael Frank sich immerhin bald keine Sorgen mehr machen. Er leitet das Pflege- und Altenheim Haus Elim in Auenwald. Am 11. Januar haben 27 der 28 Bewohner die erste Impfung erhalten, am 1. Februar soll die Zweitimpfung folgen. „So gut wie alle Bewohner wollten die Impfung“, sagt Frank. Bei der Person, die nicht geimpft wurde, hatten sich die Angehörigen dagegen entschieden. Wahrscheinlich weil sie sich Sorgen um mögliche Nebenwirkungen machen, vermutet Frank. Denn die sind auch unter den Mitarbeitern verbreitet. Bisher haben sich nur 23 der 43 Angestellten impfen lassen. „Der eine oder andere hat Sorge wegen der Berichterstattung“, sagt Frank. Gerüchte über Nebenwirkungen wie eine Unfruchtbarkeit bei Frauen hätten einige beunruhigt. Manchen habe auch der Hausarzt empfohlen, wegen Allergien auf eine Impfung zu verzichten, sagt Frank. Er selbst hat sich schon impfen lassen.

Die Ärztin Gryta Alscher zieht eine Spritze auf. Sie war als Teil eines mobilen Impfteams im Alten- und Pflegeheim Staigacker in Backnang im Einsatz.

© Jörg Fiedler

Die Ärztin Gryta Alscher zieht eine Spritze auf. Sie war als Teil eines mobilen Impfteams im Alten- und Pflegeheim Staigacker in Backnang im Einsatz.

Von einer Impfpflicht hält er aber nichts: „Das geht zu weit.“ Um die Impfbereitschaft zu erhöhen, wurde im Heim am Donnerstag eine Telefonkonferenz mit der Betriebsärztin durchgeführt, bei der die Mitarbeiter Fragen stellen konnten. Frank hofft, dass sich noch einige entschließen werden, sich impfen zu lassen. Das müssten sie jedoch in einem Impfzentrum erledigen. Denn für die MIT gilt die Arbeit im Haus Elim in Auenwald nach dem 1. Februar als beendet.

Auch im Alexander-Stift in Weissach im Tal wird in der kommenden Woche schon der zweite Impftermin stattfinden. Bei dem ersten Termin, am 8. Januar, wurden 12 der 54 Mitarbeiter und 6 der 31 Bewohner geimpft, berichtet Steffen Wilhelm, Pressesprecher der Diakonie Stetten, der Trägerin des Alexander-Stifts in Weissach im Tal. Zwei weitere Mitarbeiter hätten sich nachträglich für eine Impfung entschieden.

Dass die Zahl derjenigen, die geimpft wurden, vergleichsweise niedrig ist, liegt daran, dass sich im Alexander-Stift viele Bewohner und Mitarbeiter bereits mit Covid-19 angesteckt haben. Sie brauchen selbstverständlich keine Impfung mehr. Im Laufe des Dezembers, sagt Wilhelm, seien 22 Mitarbeiter und 40 Bewohner positiv getestet worden.

Zufrieden mit der Durchführung der Impfungen durch MIT ist Sabine Laible, stellvertretende Geschäftsführerin des Alten- und Pflegeheims Staigacker in Backnang. Bereits am 27. Dezember habe ein Team des Robert-Bosch-Krankenhauses 70 Personen im Staigacker geimpft. Am vergangenen Dienstag, Mittwoch und Donnerstag wurde weitergeimpft. Rund 150 Bewohner hat das Staigacker, etwa 20 von ihnen wurden bereits positiv auf das Coronavirus getestet.

„Die meisten Bewohner, die sich impfen lassen können, möchten das auch.“

Mit der Impfbereitschaft gebe es keine Probleme – weder bei den Bewohnern noch beim Personal, sagt Laible. „Die meisten Bewohner, die sich impfen lassen können, möchten das auch“, sagt sie. Nur eine Handvoll lehne die Impfung ab. „Das akzeptieren wir dann auch“, sagt Laible. Eine Impfpflicht in Alten- und Pflegeheimen lehnt sie ab. Wie Michael Frank vom Haus Elim in Auenwald setzt sie auf Aufklärung – auch bei den rund 250 Mitarbeitern, von denen viele in Teilzeit arbeiten. Von ihnen seien zirka 85 geimpft worden. Die Reaktionen auf die Ankündigung der Impfung seien sehr unterschiedlich gewesen, so Laible: „Einige haben im Oktober schon gefragt, wann die Impfung kommt. Es gibt aber auch Leute, die total verunsichert sind, weil so viele Gerüchte durch die Medien gehen.“ Sie rät in solchen Fällen zu einem Gespräch mit dem Hausarzt.

Sie sei dankbar, wenn sich möglichst viele impfen lassen, sagt Laible: „Nur dann wird ein normales Leben ohne Masken und Abstand wieder möglich sein.“ Sie selbst hat sich am Donnerstag impfen lassen. Und obwohl Laible nach eigener Aussage Angst vor Spritzen hat, fand sie den Pieks gar nicht so schlimm. „Jetzt, nach zwei Stunden, tut der Arm an der Einstichstelle ein bisschen weh.“ Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen oder Schüttelfrost habe sie aber nicht.

Dass es nicht bei allen Alten- und Pflegeheimen so gut läuft, weiß Laible. Sie berichtet von Heimen desselben Trägers im Schwarzwald, in denen die MIT noch nicht waren. Der Impfstoff fehlte.

Mobile Impfteams im Landkreis

Am 27. Dezember 2020 haben die neun zentralen Impfzentren (ZIZ) in Baden-Württemberg ihre Arbeit aufgenommen. Seither sind auch die sogenannten mobilen Impfteams (MIT) im Einsatz: Ärzte und begleitendes medizinisches Personal, die die Bewohner und Mitarbeiter der Alten- und Pflegeheime vor Ort impfen. An jedes ZIZ sind fünf MIT angeschlossen.

Die rund 50 Kreisimpfzentren (KIZ) im Südwesten sollen vom 22. Januar an Impfungen durchführen. An das KIZ in Waiblingen sind zwei MIT angeschlossen. Sie sollen nur im Rems-Murr-Kreis unterwegs sein. Bis voraussichtlich April sollen die MIT der ZIZ Stuttgart sie unterstützen.

585 Impfdosen erhält das KIZ Waiblingen zunächst pro Woche. Davon sind 360 für Impfungen durch MIT reserviert.

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Erstellt:
22. Januar 2021, 06:00 Uhr

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