In Backnang lebt eine Meerjungfrau

In Backnang befindet sich doch tatsächlich eine Meerjungfrau. Corinna Schwozer hat den Trend, sich in eine solche zu verwandeln, aus den USA mit in die Stadt an der Murr gebracht. Gemeinsam mit ihrem Mann hat sie nun eine App für weitere Mermaid-Fans entwickelt.

Beim Kinobesuch lässt sich Yana mit der Teilzeitmeerjungfrau Corinna Schwozer fotografieren. Foto: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Beim Kinobesuch lässt sich Yana mit der Teilzeitmeerjungfrau Corinna Schwozer fotografieren. Foto: Tobias Sellmaier

Von Klaus Loderer

Backnang. Backnang liegt zwar immer noch nicht am Meer, dort lebt aber nun eine Meerjungfrau. Und zuallererst lernt man in einem Gespräch mit ihr: Eine Meerjungfrau zieht sich nicht um, eine Meerjungfrau verwandelt sich. Corinna Schwozer ist für ihren Auftritt im Kino Universum in Backnang schon vorbereitet. Es fehlt aber noch das wichtigste Detail, die Schwimmflosse. Diese, samt Beinverhüllung mit Schuppenaufdruck, macht aus Corinna eine Meerjungfrau. Und als solche begrüßt sie vor dem Film „Arielle“ die Kinogäste.

Nun lagert an diesem warmen Sonntagnachmittag Corinna Schwozer dekorativ hingestreckt auf einem Sessel in der Eingangshalle des Kinos. Die erste kleine Besucherin kommt mit ihrem Vater. Sie schaut ziemlich skeptisch und wahrt den Sicherheitsabstand. Das nächste Mädchen ist weniger scheu. Die Mutter fotografiert begeistert. Die „echte“ Meerjungfrau sorgt für Aufsehen. „Corinna gewinnt die Leute mit ihrem Lächeln“, erzählt die Mutter Rosemarie Baur-Schwozer. Autogramme bekommen die Mädchen natürlich auch.

Im Wonnemar eine zweite Flosse entdeckt

Ein junges Paar kommt herein und nimmt die Meerjungfrau in die Mitte. Vom nächsten Paar ist es zunächst der junge Mann, der vom Fotografen zur Meerjungfrau dirigiert wird, dann kommt auch seine Freundin dazu. Befragt, wer denn den Film sehen möchte, zeigt der junge Mann sofort auf seine Freundin. Diese grinst. Drei Jungs interessieren sich so gar nicht für die Meerjungfrau. Sie wollen in „Spiderman“.

In einer Geschichte der Romantik wäre die Undine die Murr hinaufgeschwommen, um in das schwäbische Städtchen zu kommen. In der heutigen Realität tummelt sich eine Meerjungfrau im Wonnemar. Genau dort hatte Corinna Schwozer, als sie mit ihrer Flosse angetan im Becken schwamm, das Erlebnis, dass sie plötzlich eine zweite Flosse wahrnahm: Es gab eine weitere kleine Meerjungfrau.

Ihre Meerjungfrauenleidenschaft hat Corinna Schwozer vor vier Jahren in den USA entdeckt. Sie war als Housesitter (zu deutsch: Hausaufpasser) in Florida und hörte dort von einem Mermaid-Festival. Sie schickte ein Foto ein und kam tatsächlich unter die ersten drei. Da die beiden anderen nicht erschienen, wurde sie zur Siegerin gekürt. Der erste Preis war der Gutschein eines Mermaid-Shops. Dort erwarb sie die Schwanzflosse. Das neue Outfit ergänzte sie durch ein Oberteil, das im Elternhaus in Backnang noch von einem Bauchtanzauftritt her existierte. In Teneriffa – ihrer Winterheimat – probierte sie auf der Uferpromenade aus, wie sie als Meerjungfrau ankommt. Die Wirkung sei überwältigend gewesen, erzählt sie stolz.

Zeitweilige Wohnorte: Teneriffa und Zypern

Auftritte im Unterhaltungsbereich ist sie gewohnt. Durch ihren Vater, der als Lehrer an der Jugendmusikschule Backnang unterrichtete, entwickelte sie eine Leidenschaft für Musik. Im Gymnasium in der Taus besuchte sie den Musikleistungskurs. Allerdings ging sie dann mit dem Psychologiestudium und einer Tätigkeit in der Marktforschung in eine ganz andere Richtung. Inzwischen tourt sie mit ihrem aus Teneriffa stammenden Mann Julio Sanchez-Bello um die Welt. Geld verdient sie als Produktmanagerin. Das Housesitting ermöglicht ihnen Aufenthalte an ungewöhnlichen Orten. Teneriffa und Zypern gehören zu ihren zeitweiligen Wohnorten.

„In den USA gibt eine richtig große Mermaid-Szene,“ erzählt Corinna Schwozer, „in Deutschland wird das Thema gerade aktuell.“ Der Film „Arielle“ werde dazu sicher beitragen. Das merke man an der Netflix-Serie „MerPeople“. Was im Englischen handlich als „Merfolk“, „Mermaid“ und „Merman“ bezeichnet wird, klingt im Deutschen etwas sperrig „Meerjungfrau“ und „Wassermann“. „Das ist ein Thema für Alt und Jung,“ schwärmt Corinna, „mit allen möglichen Untergruppen. Es gibt sogar eine eigene Sprache.“ Die neueste Idee des Paares war es, das Meerjungfrauendasein auf eine professionellere Ebene zu stellen und die Meerjungfrauenszenen miteinander zu verknüpfen. Dazu entwickelte Julio eine App, die vor wenigen Tagen online ging. Auf der kostenlosen MerMapp kann man sich anmelden und ein Profil anlegen. Dann dient die App wie eine Social-Media-Plattform zum Austausch. Es gibt weitere Funktionen wie Terminkalender oder eine Secondhandbörse. Und Händler können ihre Produkte vermarkten.

Umweltprojekte sind ein wichtiges Thema

Dieser Bereich soll dann langfristig etwas abwerfen. Vier Prozent der Erlöse sollen in Umweltprojekte fließen. Das ist ein überhaupt wichtiges Thema für Corinna Schwozer. Sie sieht die Mermaid-Szene als Möglichkeit, auf die Umweltprobleme in den Meeren aufmerksam zu machen: „Bei jungen Leuten entsteht eine emotionale Bindung zum Meer.“ In der kurzen Zeit sind auf MerMapp schon 226 private Profile angelegt worden. „MerMapp ist international angelegt und darum englisch. Geplant sind aber weitere Sprachen“, sagt Corinna Schwozer.

Sucht man in der neuen Meerjungfrauen-App die Landkarte ab, findet man in Süddeutschland erst zwei Einträge. Einer der Einträge ist ein Schwimmbad, also einer der bevorzugten Aufenthaltsorte von Meerjungfrauen. In diesem Fall ist das Wonnemar gemeint. Immerhin bietet das Backnanger Bad ja Meerjungfrauenschwimmen an, darf also in dieser App nicht fehlen. Der andere Eintrag ist eine Person, genauer gesagt die Meerjungfrau Corinna Schwozer.

Der Mann an Schwozers Seite muss sie nicht erlösen, manchmal aber tragen

In der Sage benötigt die Meerjungfrau zur Erlösung einen treu liebenden Mann (woran die Sache dann regelmäßig scheitert). Corinna Schwozer hat da ihren Julio, der sie im wörtlichen Sinne auf Händen trägt und sie für eine dekorative Pose hochhebt. Schmunzelnd scherzt er, dass er sie aber manchmal wie einen Mehlsack über die Schultern legt, um sie von einem Pool in den nächsten zu tragen. Neckisch rügt das gleich die Schwiegermutter. Die Backnanger Meerjungfrau verzichtet auf die Erlösung und verwandelt sich wieder. „Umziehen“ nennen das Normalsterbliche.

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Erstellt:
6. Juni 2023, 06:00 Uhr

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