In den Wäldern wird es eng

Durch eine zunehmende Waldnutzung kommt es immer wieder zu Konflikten zwischen verschiedenen Interessensgruppen. Waldbesitzer, Wanderer, Jäger und Mountainbiker wollen nun gemeinsam über die Legalisierung von Mountainbiketrails reden.

Jan Schlichenmaier (rechts) fährt einen Waldweg beim Eschelhof hinunter, auf dem es immer wieder Konflikte zwischen Mountainbikern und Wanderern gibt. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Jan Schlichenmaier (rechts) fährt einen Waldweg beim Eschelhof hinunter, auf dem es immer wieder Konflikte zwischen Mountainbikern und Wanderern gibt. Foto: A. Becher

Von Kristin Doberer

OPPENWEILER. An Wälder werden viele Ansprüche gestellt: Sie sind Lebensraum für Pflanzen und Tiere, Arbeitsbereich für Förster und Jäger, aber auch ein Ort zur Erholung und Freizeitbeschäftigung. Doch das Freizeitverhalten der Menschen hat sich verändert, besonders durch Corona. Die Wälder sind voller geworden – das ist Grund für eine Veranstaltung des Forstamts im Wald zwischen Backnang-Steinbach und dem Eschelhof. Sie soll ein erster Schritt sein, bei der verschiedenen Gruppen von Waldnutzern ihre Statements vortragen konnten. Denn einen Anstieg hat es besonders bei Radfahrern und Mountainbikern gegeben. Diese nutzen dieselben Wege wie Wanderer, wodurch es immer wieder zu Konflikten kommt. „Uns erreichen seit Beginn der Pandemie sehr viel mehr Anrufe und Beschwerden – von beiden Lagern“, sagt Ulrich Häußermann, der stellvertretende Leiter des Forstamts des Rems-Murr-Kreises und Organisator des Treffens. Er betont, dass man darauf nicht mit Bußgeldern oder Strafen reagieren wolle und auch in Zukunft sollen nicht Verbote den Konflikt lösen, sondern der Diskurs. „Das geht aber nur, wenn wir einen Rahmen für die gemeinsame Waldnutzung finden“, sagt Häußermann.

Können Mountainbiker und Wanderer dieselben Wege nutzen?

Wie aktuell die Problematik ist, zeigt sich daran, dass an dem verregneten Donnerstagnachmittag über 60 Personen zu dem Treffen mitten im Wald gekommen sind. Vor Ort sind nicht nur Mountainbiker und Spaziergänger, auch Waldbesitzer, Jäger, Vertreter des Schwäbischen Albvereins und vom Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald. Der Ort für das Treffen im Wald zwischen Oppenweiler und Steinbach wurde nicht grundlos gewählt: An genau dieser Stelle kommen nämlich die Interessen der vielen verschiedenen Gruppen zusammen. Staatswald grenzt an Privatwald, dort verläuft ein beliebter Wanderweg, der auch von Mountainbikern viel genutzt wird und auf dem Weg gibt es eine Schanze, die manche Mountainbiker gerne für Sprünge nutzen, an der aber auch schon schwere Unfälle passiert sind.

„Wir sehen eine Zunahme solcher Verbauungen und Schanzen in den Wäldern“, sagt Tobias Horwath von ForstBW, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, welche die Verantwortung und Bewirtschaftung von Staatswald übernommen hat. Als Waldbesitzer wisse man häufig nichts von solchen Verbauungen „und trotzdem sind Waldbesitzer für Unfälle an solchen Stellen haftbar.“ Wie schnell Unfälle passieren können, erzählt Gabi Wieland vom Schwäbischen Albverein, die für die Pflege auf diesem Wanderweg verantwortlich ist. „Am Wochenende kann man kaum jemand den Weg hochschicken, weil von oben die Mountainbiker über eine Bodenwelle springen und direkt vor einem landen.“ Und auch Albert Dietz vom Schwäbischen Albverein betont: „Radfahren und Wandern auf der gleichen Strecke verträgt sich einfach nicht.“ Er sei zwar froh, wenn viele Menschen in die Natur gehen, doch es könne nicht sein, dass auf engen Wegen schnelle Mountainbiker den Fußgängern entgegenkommen.

Dem widerspricht Bernhard Drixler vom Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald zumindest teilweise. „Wir brauchen keine getrennten Wege, sondern eine gute Abstimmung.“ Er könne sich zum Beispiel vorstellen, nur besonders enge und steile Teilabschnitte zu trennen. Er betont, dass der Naturpark für alle nutzbar sein soll, gibt aber auch zu, dass es im Vergleich zu den vielen Kilometern Wanderweg nur sehr wenige legale Mountainbiketrails gibt. „Da ist auf jeden Fall noch Luft nach oben“, sagt Drixler.

So sehen das auch Uwe Morghen von der Deutschen Initiative Mountainbike und Jan Schlichenmaier vom Bund Deutscher Radfahrer. Es gebe zwar einen Bedarf an legalen oder eigens angelegten Mountainbiketrails, so Morghen, doch die gemeinsame Wegenutzung sei mit den richtigen Verhaltensweisen kein Problem. Und auch Schlichenmaier sagt: „Das Miteinander funktioniert mit klaren Regeln.“ Solche Regeln seien zum Beispiel eine frühzeitige Ankündigung und beim Überholen eine Verringerung auf Schrittgeschwindigkeit. Er selbst und viele andere Mountainbiker würden naturbelassene Wege ohne Schanzen ohnehin bevorzugen, dort könne man auch Wanderern gut begegnen, solange sich beide Parteien an die Regeln halten. Aus anderen Regionen wisse er zum Beispiel von unsportlichem Verhalten. Wanderer, die sich extra breit machen, wenn ein Mountainbiker überholen will oder gespannte Seile und Nagelbretter auf dem Trail. „Man muss frühzeitig über solche Regeln sprechen und nicht nur gegeneinander schießen“, sagt er.

Bei runden Tischen sollen Lösungswege erarbeitet werden.

Aus der Jägerschaft wird vor allem ein Problem gemeldet: das Nachtfahren. Mit starken Leuchten ausgestattet, fahren manche Mountainbiker auch zu späten Stunden durch den Wald. „Es geht vor allem darum, dass es auch für uns Vorgaben gibt, zum Teil dürfen wir nur nachts schießen“, erklärt Anke Massa, die stellvertretende Kreisjägermeisterin. „Radfahrer schrecken die Tiere nicht nur auf, es ist auch gefährlich.“ Das betont auch Volker Schmidt, er ist Jäger aber auch selbst Mountainbiker. „Es gibt Strecken, da schieße ich sicher kein Reh mehr. Aber man muss auch an nicht-jagbare Tiere denken. Der Wald ist auch deren Lebensraum.“ Man müsse sich auch Gedanken um die Tiere machen, die zum Beispiel zu einer bestimmten Zeit ihre Jungen aufziehen. Und der Konflikt mit den Wanderern erfordere vor allem eins: gegenseitige Rücksichtnahme.

Die Teilnehmer sind sich zumindest schon in einer Sache einig: Eine Lösung kann nur durch den Dialog aller Beteiligten gefunden werden und das soll nun möglichst schnell passieren. Dazu sollen aus dem Treffen im Wald nun vier regionale Gruppen hervorgehen, die sich mehrmals treffen sollen, um mit Vertretern aller Interessensgruppen über Mountainbiketrails zu sprechen. Sie sollen einen Kriterienkatalog zu verschiedenen Überthemen entwerfen und offene Fragen klären. Zum Beispiel was das Nachtfahren angeht, welche Anforderungen an einen Mountainbiketrail überhaupt gestellt werden, wer sich um diese Trails kümmert, welche Schanzen und Bauwerke akzeptiert werden können, wer dafür haftet und auch, welche Ansprüche Jäger, Waldbesitzer und Naturschutz haben. „Wir wollen Voraussetzungen schaffen für die Legalisierung von Trails, Bedingung dafür ist aber ein Verzicht auf illegale Trails“, sagt Häußermann. Er könne sich auch die Ausarbeitung eines Verhaltenskodexes vorstellen.

So ähnlich sind die Trailsurfer BadenWürttemberg das Problem angegangen. Sie sind ein Verein für Mountainbiker mit mittlerweile über 400 Mitgliedern. „Wir waren vor einigen Jahren in der gleichen Situation“, sagt Vorstand Stefan Pyttlik. Einen Verhaltenskodex, der Nachtfahren und illegales Trailbilden untersagt, haben sie zum Beispiel in ihrer Vereinssatzung festgelegt. Zu der Vereinsarbeit gehöre der Einsatz für ein vernetztes Trailsystem, aber auch die Pflege dieser Wege und regelmäßige Gespräche mit anderen Interessensgruppen. „Wir würden hier gerne unsere Unterstützung anbieten, damit Fehler nicht zweimal gemacht werden. Das funktioniert aber nur, wenn sich die Mountainbiker vor Ort engagieren.“

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Erstellt:
18. Juli 2020, 06:00 Uhr

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