In der Landhandel-Rechnungsstelle kennengelernt

Ehepaar Walter und Gertraude Köhler aus Lippoldsweiler feiert eiserne Hochzeit – Aus der DDR in den Westen abgesetzt

Sind schon seit 65 Jahren verheiratet: Gertraude und Walter Köhler. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Sind schon seit 65 Jahren verheiratet: Gertraude und Walter Köhler. Foto: J. Fiedler

Von Hans-Christoph Werner

AUENWALD. Von den Köhlers sind beide in Sachsen geboren und aufgewachsen. Die Gegend von Freiberg ist die Heimat von Gertraude Köhler, damals noch Neubert. Nach der Schulzeit, um das Jahr 1946 herum, hat sie gleich zu arbeiten begonnen und sich bis zur Versandleiterin eines Schmiedebetriebs hochgearbeitet. Weiter südlich, unweit der erzgebirgischen Stadt Seiffen und nahe der Grenze zu Tschechien, ist Walter Köhler aufgewachsen. Er hat nach der Schulzeit den Beruf des Kaufmanns erlernt. Doch dann brach der Zweite Weltkrieg aus und wirbelte alle Lebenspläne durcheinander. Gerade mal 17 Jahre war Walter Köhler, als er zur Wehrmacht eingezogen wurde. Mit der kämpfenden Truppe kam er bis vor Stalingrad. Eine Ruhrerkrankung brachte ihn zurück in die Heimat und hat ihm so das Leben gerettet.

Anfang der 50er-Jahre, als die Schrecken des Krieges vorbei waren und das mittlerweile geteilte Deutschland im Wiederaufbau war, mussten beide Jubilare mithelfen, wenn die Ernte eingebracht wurde. In dieser Sache wurden beide nach Freiberg geschickt, um dort in der sogenannten Abrechnungsstelle die Angaben zu machen. Und just dort begegneten sich die beiden. Aus der Begegnung wurde eine Beziehung. Aus der Beziehung der Entschluss, das Leben miteinander zu teilen. Im Heimatort von Gertraude Köhler wurde im Jahr 1953 geheiratet. Um das Hochzeitsessen ausrichten zu können, so erinnert sich Gertraude Köhler genau, mussten sie in den Wochen zuvor eigens die Lebensmittelmarken zusammensparen.

Auch eine Wohnung zu bekommen, war schwierig. Die Köhlers wagten es, einen Bittbrief an den Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht zu schreiben. Sie erhielten keine Antwort, aber eine Wohnung. Die politisch-gesellschaftliche Entwicklung in der DDR nahm allerdings eine Richtung, die Walter Köhler nicht gefiel. Weil er sich äußerte, wurde ihm gedroht. Mitte der 50er-Jahre setzte sich der Kaufmann in den Westen ab, Ehefrau und zwei Kinder zurücklassend. Gertraude Köhler kam ein Jahr später nach. Die Kinder verblieben zunächst bei den Großeltern. Erst 1959 gelangten auch sie in den Westen.

In Stuttgart fand die ganze Familie eine neue Heimat. Walter Köhler fand seine Lebensstellung bei der Baufirma Gustav Epple. Gertraude Köhler kümmerte sich um die Familie und besuchte Nähkurse der Arbeiterwohlfahrt. Auf diesem Gebiet brachte sie es zu einer solchen Fertigkeit, dass sie für die ganze Familie die Kleidung nähte, selbst Anzüge für ihren Ehemann. Und um sich selbst zu versorgen, pachteten und bewirtschafteten die Köhlers zwei Gärten. So war das Leben ausgefüllt. Und der Zusammenhalt unter den Eheleuten gewährleistet. Das Ringen um das tägliche Auskommen schweißte zusammen.

Die gemeinsamen Jahre haben ihre Spuren hinterlassen. Die Kräfte haben abgenommen und der Lebensradius ist eingeschränkt. So sind die Köhlers 2010 von Stuttgart in das Haus des Sohnes Jörg in der Igelhecke in Lippoldsweiler gezogen. Weil insbesondere Walter Köhler das Haus nicht mehr verlassen kann, wird der besondere Hochzeitstag bescheiden ausfallen. Das Paar wird ihn zu Hause verbringen. Die beiden Söhne und die zwei Enkel werden dem Jubelpaar in den heimischen Wänden eine kleine Feier ausrichten.

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Erstellt:
22. August 2018, 06:00 Uhr

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