Bürgergeld, Rente, Mindestlohn
In der Sozialpolitik kommt es für Schwarz-Rot zum Schwur
Bei drei Themen drohen große Konflikte in der schwarz-roten Koalition. Im Zentrum stehen zwei Akteure, die sich gegenseitig nichts zu schenken haben.

© dpa/Michael Kappeler
Bei der Vereidigung zur Arbeitsministerin: Bärbel Bas
Von Tobias Peter
Es ist das Feld, auf dem die Konflikte in der schwarz-roten Koalition früher oder später am härtesten ausbrechen werden: die Sozialpolitik. Das Ganze wird auch ein Duell sein: zwischen Arbeitsministerin Bärbel Bas und dem Mann, der gern Arbeitsminister geworden wäre: CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann.
Beide haben eine Doppelrolle. Bas ist als Ministerin Teil der Regierung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). Sie soll aber, als Nachfolgerin von Saskia Esken, auch Co-Chefin der SPD an der Seite von Vize-Kanzler und Finanzminister Lars Klingbeil werden. Das bedeutet: Bas wird dafür mitverantwortlich sein, dass es in der Regierung gut läuft. Aber sie soll auch der eigenen Partei Profil geben.
Der Mann, der gern das Bürgergeld reformiert hätte
Linnemann soll als Generalsekretär zwar – wo es notwendig ist – dem Kanzler zur Seite springen. Er soll aber in der Öffentlichkeit auch und gerade für CDU pur stehen. Gern hätte er als Arbeitsminister das Bürgergeld reformiert. Die SPD hat aber darauf bestanden, das Ressort, deren Themen zu ihrer DNA gehören, selbst zu übernehmen. Der wirtschaftsliberale CDU-Politiker blieb Generalsekretär und sicherte sich zusätzlich den Posten als Unions-Fraktionsvize für Arbeit und Soziales. Damit ist er Bas‘ Gegenspieler.
Maßgeblich mitverhandelt hat die Vereinbarungen zum Bürgergeld noch der vorherige Arbeitsminister Hubertus Heil. Der Sozialdemokrat hat dabei bewiesen, dass er sowohl von der Sache als auch vom Verhandeln viel versteht. Die Union hat die Worte im Koalitionsvertrag bekommen, die sie haben wollte: Aus dem bisherigen Bürgergeldsystem werde eine neue Grundsicherung für Arbeitssuchende. Sanktionen werden noch einmal verschärft. Nur: Das hatte eigentlich auch die SPD in der Ampel bereits vor. Es ist vorm Bruch der Regierung nur nicht mehr dazu gekommen.
Der Blick ins Kleingedruckte
Wenn es um die praktischen Lösungen geht, lohnt es sich sehr genau in den Koalitionsvertrag zu schauen. „Bei Menschen, die arbeiten können und wiederholt zumutbare Arbeit verweigern, wird ein vollständiger Leistungsentzug vorgenommen“, heißt es dort. Das ist auch jetzt schon für zwei Monate möglich – in der Praxis kommt es aber aus rechtlichen Gründen kaum dazu. Insofern ist der nächste Satz im Koalitionsvertrag interessant: „Für die Verschärfung von Sanktionen werden wir die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beachten.“ Darüber, was das bedeutet, werden Bas, Linnemann und andere noch viel streiten.
Dass die Rente in den kommenden Jahren ein Konfliktthema sein wird, hat sich bereits gezeigt. Dabei sind zumindest auf kurze Sicht wesentliche Dinge im Koalitionsvertrag geregelt. Das Rentenniveau soll bis 2031 gesetzlich abgesichert werden. Das bedeutet: In diesem Zeitraum steigen die Renten weiter im Einklang mit den Löhnen. Die CSU hat zudem eine Ausweitung der Mütterrente durchgesetzt. Beides ist teuer. Die Haushaltsgespräche werden dadurch schwieriger.
Wie Bärbel Bas viel Aufsehen erregt hat
Was die langfristige Finanzierung der Rente angeht, ist nichts geklärt. Hier wird eine Kommission eingesetzt. Kanzler Merz hat der jungen Generation versprochen, auch ihre Interessen würden beachtet. Bärbel Bas wiederum hat für viel Aufsehen mit ihrem Vorstoß gesorgt, dass auch Beamte in die Rentenversicherung einzahlen sollten. Eine Einigung in der schwarz-roten Koalition darauf scheint kaum realistisch. Es zeigt sich aber: Union und SPD werden das Thema Rente nutzen, um sich voneinander abzugrenzen.
Am ungewöhnlichsten sind die Formulierungen der Koalition zum Thema Mindestlohn. Hier legt Schwarz-Rot den eigenen Koalitionsfrieden in die Hand der Mindestlohnkommission. Diese Kommission aus Arbeitnehmern und Arbeitgebern wird auch weiter selbstständig über den Mindestlohn entscheiden – das war der Union wichtig. Im Koalitionsvertrag wiederum steht, dass auf diesem Weg ein Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 „erreichbar“ sei – das war der SPD wichtig. Keiner weiß, was im Regierungsbündnis passiert, wenn die Kommission im Jahr 2026 unter der 15-Euro-Marke bleibt. Wenn die Lücke zu groß ist, wird das Regieren mit der SPD für die Union definitiv unbequemer.