Krieg im Iran

In Israel herrscht Euphorie

Israels Kalkül ist aufgegangen: Die USA sind in die Iran-Offensive eingestiegen und haben die Fordo-Anlage bombardiert. Der Iran könnte jetzt eskalieren.

Rettungskräfte und Feuerwehrleute in Tel Aviv sichten den Ort eines direkten Raketenangriffs aus dem Iran.

© Oded Balilty/AP/dpa/Oded Balilty

Rettungskräfte und Feuerwehrleute in Tel Aviv sichten den Ort eines direkten Raketenangriffs aus dem Iran.

Von Mareike Enghusen

Für die Menschen in Israel ist es zur traurigen Routine geworden: Beim ersten Heulen der Sirenen heben sie ihre Babys aus dem Bett, nehmen Hunde an die Leine, greifen nach ihren Smartphones und eilen in Bunker und Schutzräume. Doch am Sonntagmorgen war etwas anders. „Die USA haben Fordo bombardiert!“ Schnell machte die Nachricht die Runde unter verschlafenen Nachbarn, die der Alarm in den gemeinsamen Bunker getrieben hatte. Euphorie mischte sich bald mit Sorge: Was bedeutet diese Wendung für den Krieg? Wie hart kann der Iran noch zurückschlagen?

Das Kalkül des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu ist aufgegangen.

Die israelische Offensive gegen das iranische Atomprogramm, die am 13. Juni begann, hat trotz ihrer militärischen Erfolge eine entscheidende Schwäche: Es gilt als Konsens unter Experten, dass nur bunkerbrechende Bomben im Besitz der USA die unterirdische Urananreicherungsanlage Fordo im Nordwesten des Irans zertrümmern können. Bliebe Fordo intakt, hätte Israel sein Kriegsziel verfehlt. Viele Analysten glauben, dass Netanjahu von vornherein auf den Kriegseintritt der USA gebaut hatte.

Angriffe auf Atomanlagen waren vorhersehbar

Am Sonntagmorgen meldete sich der Premier mit einer triumphierenden Videobotschaft: „Liebe Bürger Israels, meine Brüder und Schwestern“, sagte er. „Sie erinnern sich, dass ich Ihnen von Beginn der Operation an versprochen habe, die iranischen Atomanlagen würden zerstört werden – auf die eine oder die andere Weise. Dieses Versprechen wurde gehalten.“

Neben Fordo bombardierte das US-Militär die Atomanlagen in Natans und Isfahan – in Abstimmung mit Israel, wie Netanjahu betonte. In Israel stieß die US-Attacke auf Zuspruch. Selbst Israels Oppositionsführer Yair Lapid fand lobende Worte für den politischen Rivalen: „Das ist ein Erfolg für Netanjahu, Trump und die freie Welt“, sagte er in einem Interview mit dem öffentlich-rechtlichen Radiosender Kan Reshet Bet. Der US-Präsident selbst verkündete auf den sozialen Medien: „Jetzt ist die Zeit für Frieden!“

Doch dass das Regime in Teheran nun demütig an den Verhandlungstisch zurückschleicht, ist nicht zu erwarten. Stattdessen dürfte es zurückschlagen. Der Iran, obgleich geschwächt, kann noch immer eskalieren, etwa mit Angriffen auf die zahlreichen US-Stützpunkte in der nahen Golfregion. Auch die Huthi-Milizen im Jemen, die zu Teherans Verbündeten zählen, haben bereits mit Angriffen gegen amerikanische Ziele in der Region gedroht.

Und auch in Israel richten iranische Raketen immer neue Schäden an – trotz des mehrschichtigen Flugabwehrsystem des Landes, das zu den besten der Welt gehört. Allein am Sonntagmorgen schlugen mehrere Geschosse in Gebäude ein, unter anderem in Tel Aviv. Luftaufnahmen von der Einschlagstelle zeigen eine Reihe zweistöckiger Häuser, fast vollständig zerstört. Dass ersten Meldungen zufolge keiner der Bewohner ums Leben kam, dürften diese Bunkern und Schutzräumen verdanken.

Zudem bestehen Zweifel daran, dass die USA das iranische Atomprogramm gänzlich vernichten können. „Die Iraner konnten damit rechnen, dass Fordo attackiert wird“, sagt , Iranexperte vom Institut für Nationale Sicherheitsstudien (INSS) in Tel Aviv dieser Zeitung. „Man kann davon ausgehen, dass sie wichtige Elemente vorher an einen anderen Ort verlegt haben.“ Im Gegensatz zu vielen Kommentatoren hält er den Krieg noch nicht für gewonnen.

Die Probleme bleiben auch nach dem Angriff

„Ich versuche, gegen die Euphorie anzukämpfen, die gerade in Israel herrscht“, erklärt er. „Ja, wir haben beachtliche militärische Erfolge im Iran, und dass Netanjahu Trump dazu gebracht hat, iranische Atomanlagen anzugreifen, ist beispiellos in vielerlei Hinsicht. Trotzdem verfolgen Israel und die USA unterschiedliche Interessen: Israel will einen Regimewechseln im Iran, die USA wollen den Iran zurück zum Verhandlungstisch drängen.“ Zwar hat Netanjahu einen Sturz von Teherans Führung nicht klar als Kriegsziel formuliert, aber mehrfach angedeutet. Die USA wiederum verlangen, dass das iranische Regime komplett auf Urananreicherung im eigenen Land verzichtet.

Citrinowicz, der lange im israelischen Militärgeheimdienst gearbeitet hat, hält beide Ziele für unrealistisch. Die Iraner würden weiterkämpfen, auch gegen eine militärische Übermacht – das gehöre zum Selbstverständnis eines Regimes, das im Westen oft missverstanden werde. „Ja, der Angriff der USA war bedeutsam“, fasst er zusammen, „aber er hat keines der Probleme gelöst.“

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Erstellt:
22. Juni 2025, 14:38 Uhr

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