Über 100 unbekannte Ruinen entdeckt

Indigene Kultur: Das geheimnisvolle Volk der Chachapoya in Peru

Die Ruinen liegen in einem unzugänglichen Gebiet an den Hängen der Anden. Archäologen hoffen auf neue Erkenntnisse über das rätselhafte Volk der Chachapoya.

Auf diesem von World Monuments Fund (WMF)zur Verfügung gestellten Bild fotografieren Archäologen Ruinen der indigenen Chachapoya-Kultur am Nationalpark Rio Abiseo.

© Heinz Plenge Pardo/World Monuments Fund/dpa

Auf diesem von World Monuments Fund (WMF)zur Verfügung gestellten Bild fotografieren Archäologen Ruinen der indigenen Chachapoya-Kultur am Nationalpark Rio Abiseo.

Von Markus Brauer/dpa

Forscher haben in den Nebelwäldern an der Ostflanke der peruanischen Anden mehr als 100 archäologische Strukturen der indigenen Chachapoya-Kultur entdeckt. Bislang waren in dem Komplex Gran Pajatén im Nationalpark Río Abiseo erst 26 Ruinen bekannt. Die neuen Funde seien ein Meilenstein für das Verständnis der Chachapoya-Kultur, hat die Organisation World Monuments Fund (WMF) jetzt mitgeteilt.

¡Hallazgo en Gran Pajatén! Descubren más de 100 estructuras de la cultura Chachapoyas. Fotos: World Monuments Fund pic.twitter.com/6VwIynYtNw — Ediciones Región. (@EDICIONESREGION) May 21, 2025

Netzwerk von Siedlungen

Zu den nun freigelegten Ruinen gehören rituelle Stätten, die mit Mosaiken und Friesen dekoriert sind. Dabei kam die Lidar-Technologie zum Einsatz, eine dem Radar verwandte Methode, die in etwa einem dreidimensionalen Laserscanning entspricht. Bei diesem Verfahren wird die Erdoberfläche mit Laserstrahlen gescannt und eine dreidimensionale Karte der Region erstellt. Mithilfe dieser Technik wurden in dem schwer zugänglichen Gebiet nun die bisher unentdeckten Strukturen entdeckt.

„Diese Entdeckung erweitert unser Verständnis von Gran Pajatén grundlegend und wirft neue Fragen über die Rolle der Stätte in der Welt der Chachapoya auf“, sagt der WMF-Vertreter in Peru, Juan Pablo de la Puente Brunke. „Die Beweise bestätigen nun, dass es sich nicht um einen isolierten Komplex handelt, sondern um einen Teil eines zusammenhängenden Netzwerks prähispanischer Siedlungen aus verschiedenen Epochen.“

Die „Wolkenmenschen“ von Kuélap

Die Chachapoya siedelten zwischen dem 6. und 16. Jahrhundert an den Hängen der nordöstlichen Anden in einer Höhe zwischen 2000 und 3200 Metern. Die „Wolkenmenschen“ oder „Nebelkrieger“, wie sie von den Inka genannt wurden, bauten hoch entwickelte urbane Zentren, zeremonielle Plattformen, Felsengräber und landwirtschaftliche Terrassen. Lange widersetzten sie sich den Inkas, wurden aber schließlich kurz vor der Ankunft der Spanier unterworfen.

Nur wenige Touristen verirren sich in diese Gegend, die von den Peruanern „Augenbraue des Amazonas“ genannt wird. Dabei verbirgt sich 70 Kilometer von Chachapoyas entfernt an der Ostflanke der Anden eine der spektakulärsten und doch weitgehend unbekannten archäologischen Stätten Südamerikas: die altperuanische Festungsstadt Kuélap, die keinen Vergleich mit der Inkafestung Machu Picchu zu scheuen braucht, aber wegen der schwer zugänglichen Lage weit weniger besucht wird.

Älter und größer als Machu Picchu

Kuélap ist älter und größer als die berühmte Inka-Stadt hoch über dem Tal des Rio Urubamba. Die Anlage macht einen atemlos. Nicht nur, weil sie so spektakulär ist, sondern auch, weil sie auf einer 3100 Meter hohen Bergkuppe über dem Utcubamba-Tal thront, die man teilwesie zu Fuß besteigen muss.

20 Meter hohe Außenmauer schützte die Festung

Wolkenfetzen und Nebelschwaden ziehen über die Stadtruine, die 580 Meter lang und 120 Meter breit ist, eingefasst von einer bis zu 21 Meter hohen Außenmauer aus polierten Kalk- und Sandsteinen. Nur drei extrem schmale und gut zu verteidigende tunnelartige Eingänge führen ins Innere.

450 Ruinen von Rundhäusern sind in der Stadt zu finden, die auf zwei Ebenen erbaut wurde. Darunter sind Wohnstätten, öffentliche Gebäude und religiöse Plätze. Den Inka-Kriegern gelang es erst um 1475 die Anlage einzunehmen und das Volk der Chachapoya zu unterwerfen. Heute haben Urwaldbäume, Wurzeln und Bromelien Teile der Anlage erobert, was ihren mystischen Eindruck noch verstärkt.

Mächtige Reiche vor den Inkas

Die beeindruckende Gebirgskulisse der Anden lässt nur wenig von den Kulturen ahnen, die an diesen hoch gelegenen Hängen und Ebenen vor vielen Jahrhunderten versanken und heute nur zögernd ihre Geheimnisse preisgeben.

Doch immer wieder stoßen moderne Forschungsreisende auf Hinweise, dass schon lange vor den legendären Inka, deren Herrschaft im 13. Jahrhundert begann und im 15. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichte, mächtige Reiche das unwegsame Gebiet im Westen Südamerikas zwischen dem Norden des heutigen Ecuador und Mittelchile beherrschten.

Das regenreiche und von fast ständigem Nebel bedeckte Hügelland, das heute praktisch menschenleer ist, muss vor mehr als 500 Jahren eine zahlreiche Menschen eine Heimstatt geboten haben. Die in wohl generationenlanger Arbeit angelegten Terrassen an den Bergen weisen auf eine intensive Landwirtschaft hin. Die Wissenschaftler haben noch nicht eindeutig klären können, warum die hier einst lebenden Menschen verschwanden.

Niedergang durch „große Pest“ oder Umweltzerstörung?

In der nächstgelegenen Ortschaft Pataz, deren rund 5000 Einwohner noch einige wenige Worte der sonst ausgestorbenen Chachapoya-Sprache verwenden, sprechen die Alten von einer „großen Pest“, welche die Bevölkerung der Ruinenstätten dahingerafft hätte. Für wahrscheinlicher wird von Archäologen die Theorie gehalten, dass dieses Reich an den von ihm selbst verursachten Umweltzerstörungen zugrunde ging.

Seine Menschen, die vermutlich aus dem Hochland in den Urwald gezogen waren, begannen mit der Rodung, um Felder zu bestellen. Wegen der schnellen Erschöpfung des wenig fruchtbaren und dünnen Urwaldbodens mussten sie für ihren Ackerbau immer neue Flächen kahl schlagen.

Nach etwa 400 Jahren, etwa zur Ankunft der Spanier, war möglicherweise das gesamte Gebiet entwaldet und unfruchtbar geworden. Die Menschen mussten abziehen und der Urwald rückte wieder nach, so lautet eine der Theorien.

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Erstellt:
24. Mai 2025, 13:30 Uhr
Aktualisiert:
24. Mai 2025, 16:03 Uhr

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