Industrie und Politik fordern Erleichterungen bei Kurzarbeit

dpa/lsw Stuttgart. Von Krise mag noch keiner sprechen, aber das Wort Rezession fiel beim Spitzengespräch von Industrievertretern im Wirtschaftsministerium. Die nutzten am Montag die konjunkturelle Lage, um eine Reihe von politischen Forderungen auf den Weg zu bringen. Nicht alle sind neu.

Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU), Wirtschafts- und Arbeitsministerin von Baden-Württemberg. Foto: Marijan Murat/Archivbild

Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU), Wirtschafts- und Arbeitsministerin von Baden-Württemberg. Foto: Marijan Murat/Archivbild

Angesichts der mauen Konjunkturaussichten für wichtige Zweige der baden-württembergischen Industrie hat Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) zusammen mit Vertretern der Industrie und der IG Metall niedrigere Hürden beim Einsatz von Kurzarbeit gefordert. Außerdem sprachen sie sich für Bürokratieabbau aus und erneuerten die alte Forderung nach steuerlicher Förderung von Forschung und Entwicklung.

Während Südwestmetall-Chef Stefan Wolf am Montag schon offen von einer Rezession in seiner Branche sprach, wollte der Präsident des Verbands der Maschinenbauer Mathias Kammüller das Wort noch nicht in den Mund nehmen. Die Wirtschaftsministerin vermied es ebenso. „Der Aufschwung ist vorerst vorbei - damit müssen wir noch nicht von einer Krise sprechen, aber wir müssen uns frühzeitig auf schwierigere Zeiten einstellen“, sagte die CDU-Politikerin nach einem Spitzengespräch mit Arbeitgebern, Arbeitsagentur und IG Metall.

„Klar ist, dass wir die Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld erweitern und erleichtern müssen“, so Hoffmeister-Kraut weiter. So solle der Mindeststundenumfang abgesenkt und auf die bisher strengen Zertifizierungsgrundsätze verzichtet werden. Außerdem müssten Instrumente am Arbeitsmarkt mit beruflicher Weiterbildung verknüpft werden. Das wolle man an den Bundesgesetzgeber adressieren.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will im Herbst ein Gesetz („Arbeit-von-morgen-Gesetz“) vorlegen, mit dem im Fall eines wirtschaftlichen Einbruchs Kurzarbeit und Weiterbildung besser miteinander verbunden werden können. Die Forderung der IG Metall geht noch weiter. Sie will Kurzarbeit in Verbindung mit Weiterbildung auch einsetzen, um den strukturellen Wandel hin zu Elektromobilität und Digitalisierung abzufangen. Der Stellenabbau, den man bislang in einigen Firmen der Industrie sehe, sei ausdrücklich strukturell bedingt, betonte Landesbezirksleiter Roman Zitzelsberger.

Dabei ist das Bild der baden-württembergischen Wirtschaft derzeit durchaus differenziert zu betrachten. Zwar hat sich der Ifo-Geschäfsklimaindex so eingetrübt wie seit neun Jahren nicht mehr. Doch von einer breiten Rezession kann noch nicht die Rede sein. Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut erwartet in diesem Jahr noch ein Wachstum von 0,5 Prozent. Vor allem die Dienstleistungsfirmen, Handwerk und der Boom der Bauwirtschaft tragen dazu bei. 2018 hatte das Wirtschaftswachstum im Südwesten bei noch 1,5 Prozent gelegen.

Vor allem der Industrie machen der Handelskrieg zwischen den USA und China sowie der Ausstieg von Großbritannien aus der Europäischen Union zu schaffen, hinzu kommen strukturelle Veränderungen wie eben Digitalisierung und Elektromobilität.

Der Chef der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit, Christian Rauch, sagte deutlich: „Die Arbeitsmarktdaten zeigen eine deutliche Unsicherheit, aber keine Krise.“ Auch die bislang angemeldete Kurzarbeit bewege sich auf ganz normalem Niveau. Allerdings habe sich die Zahl der Firmen, die sich zu dem Thema beraten lassen, in den vergangenen Wochen vervielfacht.

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Erstellt:
16. September 2019, 16:40 Uhr

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