Inklusion für Disneys „Die Eiskönigin“

Die Stage startet in Stuttgart eine App, die sehbehinderten und blinden Menschen Bilder in die Ohren bringt.

Von Uwe Bogen

Stuttgart - Ein kleiner Knopf im Ohr, eine große Wirkung im Herzen – mit der in Holland entwickelten App „Earcatch“ wird die Stage Entertainment zum Vorbild für Inklusion im deutschen Kulturbetrieb. Sehbehinderte und blinde Menschen müssen nicht mehr daheim bleiben – sie bekommen nun über Kopfhörer vom Handy die Bilder der Show auf die Ohren gesprochen.

Der deutsche Musicalmarktführer denkt Barrierefreiheit neu und hat die innovative Technologie bei Disneys „Die Eiskönigin“ vorgestellt – gleichzeitig freut sich Maximilian Mann, der künstlerische Leiter, dass die Schweizerin Kim Fölmli als Erstbesetzung der Anna startet. Bisher spielte sie diese Rolle alternierend. Ihre Vorgängerin Abla Alaoui wird die Jane bei „Tarzan“ in Hamburg. .

Die Stage investiert eine fünfstellige Summe, damit blinde oder sehbehinderte Menschen die Magie der „Eiskönigin“ intensiv erleben können. In Hamburg ist die App bei „König der Löwen“ erfolgreich im Einsatz. Nun zieht das Apollo-Theater nach – mit einem klaren Signal: Inklusion soll in diesem Haus nicht nur ein Lippenbekenntnis sein, sondern gelebte Praxis.

„Unsere Vision ist, dass niemand von kulturellen Erlebnissen ausgeschlossen wird“, sagt Merejin van der Heijden, der CEO von Earcatch. In den Niederlanden ist die App seit mehreren Jahren im Kino- und Theaterbereich etabliert. Dass die Technologie nun in Deutschland Fuß fasst, ist für ihn ein wichtiger Meilenstein. „Unser Theater ist ein Safe Space“, betont Theaterleiterin Constanze Müller, „alle sollen sich bei uns gut aufgehoben fühlen.“ Anke Nikolai, Autorin der Audiodeskription, spricht über die persönliche Bedeutung ihrer Arbeit. Ihr Vater ist blind, liebt Theater – doch ohne bildhafte Beschreibung bleiben ihm viele Details verborgen. „Es geht nicht nur um Information, sondern um echtes Mitfühlen“, sagt sie.

Die große Kunst der Audiodeskription ist es, genau in den Pausen zwischen Dialogen oder Liedern die Texte kurz zu sprechen. Mit einem ausgeklügelten System werden die aufgenommenen Texte synchron zum Bühnengeschehen über ein kostenloses WLAN gesendet – unabhängig von Abweichungen in Timing und Choreografie. Möglich wird dies durch kurze Signale. Der „Caller“ gibt an, welcher Lichteffekt als nächstes folgt. Sobald dieses Licht geschaltet ist, setzt die Sprachsequenz auf der App ein – die passende Passage der Beschreibung wird exakt zur richtigen Zeit abgespielt. Einziges Manko: Die Lautstärke der App muss deutlich aufgedreht werden, um gegen die gewaltige Klangkulisse des Musicals anzukommen.

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Erstellt:
6. August 2025, 22:06 Uhr
Aktualisiert:
6. August 2025, 23:54 Uhr

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