Umstrittene Polizeisoftware

Innenminister mit merkwürdigen Antworten zu Palantir

Innenminister Thomas Strobl antwortet auf eine Anfrage des SPD-Innenexperten Sascha Binder zur umstrittenen Software Palantir – bemerkenswert vage und widersprüchlich.

Protest gegen die umstrittene Analysesoftware der Firma Palantir in Berlin: Trojanisches Pferd des Firmengründers, Trump-Unterstützers und Demokratiefeindes Peter Thiel?

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Protest gegen die umstrittene Analysesoftware der Firma Palantir in Berlin: Trojanisches Pferd des Firmengründers, Trump-Unterstützers und Demokratiefeindes Peter Thiel?

Von Franz Feyder

Zeit für 21 Seiten nimmt sich Innenminister Thomas Strobl (CDU), um Sascha Binder zu versichern: Mit der umstrittenen Analyse-Software „Gotham“ der Firma Palantir ist in Baden-Württemberg alles bestens bestellt. 15 Fragen hatte der Innenexperte der SPD gestellt: von den Kosten über die Chronologie der Beschaffung für die Landespolizei bis hin zu den Fähigkeiten des Programms. Das soll noch ab diesem Jahr als „Verfahrensübergreifende Recherche- und Analyseplattform“ (VeRA) Daten zusammenführen und analysieren, die Ermittler und Behörden in verschiedenen Datenbanken gespeichert haben. Davon versprechen sich Kriminale, schneller einen Überblick über mögliche Netzwerke, Hintermänner und Organisationen zu verschaffen.

Etliche Argumente und Versicherungen Strobls scheinen jedoch unklar, verschleiernd und widersprüchlich zu sein. So beruft er sich auf den Rahmenvertrag, den Bayern mit Palantir schloss, und mit dem Baden-Württemberg eine eigene Ausschreibung umging. Aber: In der 74. Sitzung des Innenausschusses des Bundestages am 22. April 2024 warnten geladene Sachverständige vor so einem Vorgehen, da es den Wettbewerb aushebele. Bayerns Innenministerium informiert mehrfach den Landtag, das seinem Vertrag nachträglich beitretende Bundesländer das Vertragswerk eigenständig prüfen müssten. Strobl suggeriert Rechtssicherheit, ohne auf potenzielle Vergaberisiken oder Prüfpflichten einzugehen.

Widersprüchlich wird der Minister auch, wenn er Auskunft über Kontakte zu anderen Bundesländern gibt: Er schreibt, man habe mit Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen gesprochen. Aber: „Die Vertragswerke der genannten Bundesländer sind hier nicht bekannt [...]“. An anderer Stelle seiner Antwort aber geht Strobl detailliert auf Preiskonditionen im bayerischen Vertrag ein. Zudem geht aus der bayerischen Landtagsdokumention hervor, dass der Südwesten auf wesentliche Vertragsinhalte zugriff – insbesondere auf Informationen zur Kostenstruktur und Lizenzmodelle.

Weiter behauptet Strobl: „Ein Zugriff durch ausländische Stellen ist ausgeschlossen.“ Unscharf formuliert: US-Anbieter von Software sind nach dem US Cloud Act aus dem Jahr 2018 verpflichtet, eigenen Strafverfolgungsbehörden auf Anordnung Daten herauszugeben. Gleichgültig, wo diese Daten physisch gespeichert sind. Entscheidend ist allein, dass es ein US-Unternehmen oder dessen Tochtergesellschaft ist – wie bei Palantir. Ein Risiko, auf das auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages, der Landesdatenschutzbeauftragte NRWs sowie Sachverständige im Innenausschuss des Bundestages aufmerksam machten. Strobl überbetont in seiner Antwort an Binder technische Schutzmaßnahmen, verschweigt jedoch die rechtlichen Risiken.

25 Millionen Euro plus zwei Millionen Zusatzkosten soll der Steuerzahler für Palantir zahlen. Detailliert schlüsselt Strobl die Kosten nicht auf. In bayerischen Landtagsdebatten wurde mehrfach kritisiert, dass Zusatzkosten die eigentlichen Lizenzkosten deutlich übersteigen. Das finanzielle Risiko bildet Strobl nicht realistisch gebildet ab.

Strobl sieht in Palantir eine Übergangslösung

Er betont: „Die Nutzung von Künstlicher Intelligenz in der VeRA ist [...] grundsätzlich nicht möglich.“ Internationale Fachmedien berichten, „Gotham“ enthalte komplexe Analyse- und Mustererkennungsfunktionen, die technisch KI-Methoden verwenden. Im bayerischen Landtag diskutierten die Abgeordneten die algorithmische Unterstützung für Fallanalysen durch Palantir als Teil des Leistungsversprechens. Der Minister suggeriert, die Software sei frei von KI: Das ist technisch und funktional nicht haltbar.

Strobl verweist darauf, dass Palantir nur eine Übergangslösung sei, das Land suche zusammen mit der Schwarz-Gruppe und Airbus Defence and Space GmbH nach einer Alternative. Eine Antwort, die nicht frei von Komik ist: Betont doch Strobl immer wieder, es gebe aktuell keine Alternative zu Palantir. Airbus aber nutzt eine Software des französischen Anbieters ChapsVision – eine außerhalb Stuttgarts oft genannte Alternative.

Sascha Binder: Ohne eine Rechtsgrundlage Software angeschafft

„Die Antwort der Landesregierung zur umstrittenen Palantir-Software lässt weiterhin zahlreiche Fragen unbeantwortet. Es bleibt dabei, dass die Landesregierung mit nachträglicher ausdrücklicher Genehmigung der Grünen eine kostspielige und umstrittene Software angeschafft hat, ohne aktuell überhaupt die dafür notwendige Rechtsgrundlage zu haben, um diese überhaupt einsetzen zu können“, wettert Sozialdemokrat Binder. „Die berechtigten Zweifel, dass sicherheitsrelevante Daten nicht in die falschen Hände kommen, wurden keinesfalls ausgeräumt.“ Strobl beteuere, die Daten seien „grundsätzlich“ auf polizeieigenen Servern verortet. Wo es einen Grundsatz gebe, gebe es immer auch Ausnahmen, „die er offensichtlich mit gutem Grund in seiner Antwort nicht erwähnt“, sagt Binder.

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Erstellt:
11. September 2025, 16:16 Uhr

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