Heizungsbetriebe berichten von voller Auslastung und panischen Kunden

In einem offenen Brief fordert die Innung für Sanitär, Heizung, Klima und Klempnerei Rems-Murr vernünftige Technikkonzepte für die Herausforderungen der Energiewende. Sie sieht sich ins Abseits gedrängt und wirft der Politik unnötige Panikmache vor.

Heizungsanlagen sind derzeit enorm gefragt – allerdings macht ein Austausch nicht immer Sinn. Zu Bernd Häußer kommen oft Kunden, die angesichts der politischen Marschrichtung völlig verunsichert sind. Foto: Jörg Fiedler

© Jörg Fiedler

Heizungsanlagen sind derzeit enorm gefragt – allerdings macht ein Austausch nicht immer Sinn. Zu Bernd Häußer kommen oft Kunden, die angesichts der politischen Marschrichtung völlig verunsichert sind. Foto: Jörg Fiedler

Von Lorena Greppo

Rems-Murr. Der Innung für Sanitär, Heizung, Klima und Klempnerei (SHK) im Rems-Murr-Kreis reicht es. Sie sieht sich durch unrealistische Ziele von Vertretern der Bundes- wie auch der Landespolitik unnötig unter Druck gesetzt. In einem offenen Brief prangern die Handwerker an, dass in der Gesellschaft eine „Angst vor dem kommenden Winter“ geschürt werde und zugleich einfache Lösungen versprochen würden. Das wiederum öffne die Tur für „Geschäftemacher im Heizungskeller“, die aus der Angst der Bevölkerung Profit schlagen. Innungsobermeister Rolf Gamperling erklärt: „Wir wollen wachrütteln und aufzeigen, was hier im Land aktuell schiefläuft.“

Die Rede ist von einem Spiel in Sachen Wärme- und Energiewende, bei dem die Handwerksbetriebe den Schwarzen Peter zugewiesen bekommen. Das führe erst recht ins Chaos. „Wir sind nämlich ganz sicher nicht die Prügelknaben, welche nun den Scherbenhaufen einer seit Jahren fehlgeleiteten Energiepolitik in Deutschland aufkehren“, heißt es im Brief. Und weiter: „Mit dieser Erklärung fordern wir all jene, die an Fragen der Gegenwart und Zukunft von Gebäude-, Heiz- und Versorgungstechnik beteiligt sind, dazu auf, in ihrer Entscheidungsfindung das Fach- und Praxiswissen unseres Berufsstandes nicht mit Füßen zu treten, sondern bewusst und auf Augenhöhe mit einzubeziehen.“

Die Handwerker sehen sich ins Abseits gedrängt

Bernd Häußer, Meister im Installations- und Heizungsbauhandwerk und technischer Betriebsleiter bei der Adolf Wurst GmbH in Backnang, gehört dem Innungsvorstand an. Ihn ärgere es ungemein, dass die SHK-Betriebe nun ins Abseits gedrängt werden, sagt er. Schließlich seien die Heizungsbauer immer vorne dabei, bei Kontakt mit Endkunden wie auch bei der Umsetzung von Lösungswegen. So seien sie im Energiekrisenbeirat des Kreises, welcher sich mit der Frage beschäftigt, was im Fall ausbleibender Gaslieferungen zu tun ist. „Wir arbeiten am Notfallplan mit.“ Er sieht die Bewältigung der aktuellen Krise und der Energiewende allgemein als gemeinschaftliche Aufgabe. Die Handwerker an die Front zu stellen und dort allein zu lassen, gehe nicht. Auch Gamperling sagt: „Die großen Firmen stellen es so hin, als würde das Handwerk es nicht hinbekommen, die Häuser umzurüsten.“ Das stimme schlicht nicht. „Was vermittelt wird, ist ein Slalomlauf: Mal gilt Gas als die gewünschte Brückentechnologie, dann ist es wieder Kohle“, so Bernd Häußer. Immer neue Lösungen seien gefordert und dann heiße es, die Handwerksbetriebe könnten die nötigen Schritte zur Klimawende nicht stemmen. „Das stößt uns gewaltig auf.“ Auch Fabian Lutz, Geschäftsführer der Firma Malu in Weissach im Tal, sagt: „Von der Politik erwartet man, dass sie Visionen, Ziele und Zuversicht vermittelt. Das ist momentan aber nicht so.“ Der Panikmodus aus Coronazeiten werde nun im Hinblick auf die Energiekrise weitergeführt.

Die Unsicherheit der Bevölkerung sei in den Betrieben spürbar. „Die Anfragen haben sehr, sehr zugenommen“, sagt Häußer über den Alltag in den Betrieben. Gleichzeitig seien die Möglichkeiten vonseiten der Industrie wegen Lieferproblemen abgeschnitten worden. „Wir haben zum Teil Wärmepumpen im Februar bestellt und haben sie bis jetzt noch nicht bekommen“, berichtet er. Laut Fabian Lutz wird es vor allem für jene Kunden problematisch, deren Heizung kurzfristig ausfällt. Bei den geplanten Arbeiten habe sein Unternehmen sowieso einen größeren Vorlauf, da passe es mit den Lieferzeiten. Lutz macht aber klar: „Viele denken, sie bekommen eine neue Heizung noch dieses Jahr, wenn sie sich jetzt melden.“ Das sei utopisch. Den Kunden klarzumachen, dass ihre Wünsche nicht so leicht umzusetzen sind, sei kein Zuckerschlecken. Denn diese seien im Panikmodus. Im Hochsommer sei er nur noch mit der Beratung in Sachen Heizungstechnik beschäftigt, so Häußer.

„Die Bürger sind nervös und unsicher“

Er berichtet von einem Fall, wo jemand eine hochmoderne Gasheizung, die erst zwei oder drei Jahre in Betrieb war, sofort austauschen lassen wollte. Wenn jemand eine alte, unwirtschaftliche Anlage habe, dann dränge er darauf, diese gegen eine Pelletheizung oder eine Wärmepumpe auszutauschen, erklärt der technische Betriebsleiter. Allerdings weist er auch darauf hin, dass das eine kostspielige Angelegenheit sei. Bei modernen Anlagen sei ein Austausch aber für gewöhnlich nicht ratsam und nicht wirtschaftlich. „Die Bürger sind nervös und unsicher“, bestätigt Rolf Gamperling. Manche kämen einfach in den Betrieb und sagten über ihre Heizung: „Reiß das Ding raus, ich möchte jetzt eine Wärmepumpe.“

Auch Fabian Lutz bekommt derlei Wünsche zu hören. Er und sein Team seien nun an einem Punkt angekommen, wo sie solche Anfragen von vorneherein abweisen müssen. Er nehme in Sachen Wartung schon gar keine Neukunden mehr auf. „Wir sind voll ausgelastet“, begründet er. Und schließlich müsse er auch seine Mitarbeiter schützen. Grundsätzlich rate er, sich einen festen Handwerker zu suchen, statt im Notfall dann alle abklappern zu müssen. In der Branche seien die Auftragsbücher voll. Stammkunden hätten es daher leichter.

Die Kommunikation vonseiten der Politik scheitert

Den Grund für die Unsicherheit der Endkunden sieht Bernd Häußer in einer gescheiterten Kommunikation: „Bei den Kunden kommen die Informationen aus der Regierung so an, dass sofort vom Gas weg umgestellt werden muss“, erklärt er. Hier werde Angst geschürt, die seiner Auffassung nach allein der Industrie zugutekomme. Die habe dann hohe Verkaufszahlen. Fabian Lutz bemängelt auch, dass vonseiten der Politik noch zusätzlich Druck auf den Kessel gegeben werde. Vor wenigen Wochen wurde beispielsweise angekündigt, dass ab Montag die Bundesförderung für effiziente Gebäude geringer wird. Nun wollten viele Kunden die höheren Förderungen noch mitnehmen und schnell ihren Antrag stellen. Die Frage nach dem Warum dieser kurzfristigen Änderungen könne er nicht beantworten, so Lutz. „Auch dabei haben sie wieder nicht an die Folgen für das Handwerk gedacht.“

Im Endeffekt fordert die SHK-Innung vernünftige Technikkonzepte und gesunden Menschenverstand bei deren Umsetzung. Der offene Brief endet daher mit versöhnlichen Worten: „Packen wir es gemeinsam an. Dann können wir das schaffen.“ Rolf Gamperling führt aus: „Wir müssen den Rems-Murr-Kreis auf eine grüne Schiene bringen, ganz klar.“ Das gehe aber nicht mit Gewalt, sondern sei eine Sache sinnvoller Planung. Plötzlich alles auf Strom umzustellen werde nicht funktionieren. Viel verspreche er sich hingegen von Nahwärmezentralen oder Wasserstofftechnologien.

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Erstellt:
18. August 2022, 06:00 Uhr

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