RKI meldet deutlichen Corona-Anstieg bei jungen Erwachsenen

dpa Berlin. Ähnlich wie im vergangenen Sommer breitet sich Corona derzeit bei den Jüngeren in Deutschland wieder stärker aus. Die Angst wächst, dass neue Beschränkungen nötig werden. Reicht der Stand der Impfungen?

Die Sieben-Tage-Inzidenz war in der Pandemie bisher Grundlage für viele Corona-Einschränkungen. Foto: Fabian Sommer/dpa

Die Sieben-Tage-Inzidenz war in der Pandemie bisher Grundlage für viele Corona-Einschränkungen. Foto: Fabian Sommer/dpa

Steigende Corona-Zahlen in Deutschland und ein starkes Anschwellen von Ausbrüche in Nachbarländern lassen die Sorge vor neuen Einschränkungen in Deutschland wachsen.

Laut Robert Koch-Institut hat sich das Virus vor allem bei jungen Menschen verbreitet. Die Delta-Variante habe rasch viele Ungeimpfte getroffen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rief eindringlich zur Impfung auf. Mehr Menschen müssten vollen Impfschutz haben, um erneute Beschränkungen zu vermeiden. Für mehr Sicherheit an Schulen fördert der Bund nun auch den Einsatz mobiler Luftfilter. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) warnte, ein weiterer Lockdown „muss auf jeden Fall vermieden werden“.

Unsichere Lage in Deutschland

„Wir hatten jetzt mehrere Tage, bei denen jeweils die Infektionszahl um 50, 55 Prozent höher als in der Vorwoche lag - das ist natürlich eine Entwicklung, die wir nicht gleichmütig betrachten können“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Es gab nun 1548 Neuinfektionen an einem Tag - vor einer Woche 985. „Der Blick in die Nachbarländer, Niederlande, Spanien, Großbritannien, zeigt uns, wie schnell sich eine Situation wieder sehr verschärfen kann.“

Wie im vergangenen Sommer steigen die Zahlen vor allem bei jungen Erwachsenen. So nahmen bei den 20- bis 29-Jährigen die Fälle pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen zu, wie das RKI in seinem jüngsten Lagebericht schreibt. Bei den 20- bis 24-Jährigen stieg die Inzidenz am stärksten: von 10 auf 19 binnen zwei Wochen. Eine leichte Zunahme gab es bei aus dem Ausland eingeschleppten Fällen - derzeit aber laut RKI „noch auf geringem Niveau“. Bei den Krankenhausbehandlungen von Covid-19-Patienten setzt sich der „zuletzt allgemein abnehmende Trend“ nicht fort. Die Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland lag bei 7,1 - nach 6,5 am Vortag. Altmaier sagte der „Augsburger Allgemeinen“, er sehe mit Sorge, dass die Disziplin beim Masketragen drinnen und beim Abstand schon wieder sehr gering werde.

Steinmeier ruft zur Impfung auf

„Jeden Tag, mit jeder Impfung befreien wir uns ein Stück mehr aus den Fängen der Pandemie und holen uns unser Leben zurück“, sagte Steinmeier in einer Videobotschaft. „Zeigen Sie Verantwortung für sich und für andere. Lassen Sie sich impfen!“, forderte er. Eine möglichst hohe Impfquote schütze auch Schulkinder und diejenigen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen könnten. Genauso gehe es darum, dass etwa Geschäfte, Betriebe, Kultureinrichtungen und Restaurants geöffnet bleiben könnten.

43,7 Prozent der Menschen in Deutschland sind inzwischen vollständig gegen das Coronavirus geimpft: 36,4 Millionen Personen. Ein Sprecher von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte, zwar könnten sich auch Vollgeimpfte infizieren. „Aber die Impfung schützt zu deutlich über 90 Prozent vor einer schweren Erkrankung.“

Seit Ende Juni arbeiten Gesundheitsressort, RKI und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung die nächste Phase ihrer Impfkampagne, wie ein der Deutschen Presse-Agentur vorliegendes Konzept zeigt. In der zweiten Julihälfte sollen zwei TV-Spots und ein Hörfunk-Spot starten. Für Berlin kündigte Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) im rbb „eine lange Nacht des Impfens“ an. Einbinden wolle man auch die Clubszene. Wie hoch die Impfquote bei 20- bis 29-Jährigen ist, geht aus RKI-Daten nicht hervor. Menschen unter 60 Jahren sind jedoch mit rund 42 Prozent noch deutlich seltener vollständig geimpft als Ältere. Bei den Minderjährigen sind es erst rund 1,6 Prozent, mindestens eine Dosis haben rund 5 Prozent.

Luftfilter an Schulen

Um Ansteckungen bei Minderjährigen und die Weitergabe des Virus in ihre Familien im Herbst möglichst zu verhindern, soll es nun auch mehr mobile Luftfilter an Schulen geben. Dazu sollen den Ländern 200 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden, wie das Wirtschaftsministerium nach einem Beschluss des Kabinetts mitteilte. Minister Altmaier sprach von einem Beitrag, um den Präsenzunterricht und die Kinderbetreuung im Herbst und Winter „auch bei Verschlechterung der Infektionslage“ aufrechtzuerhalten. Allerdings können nur Einrichtungen einen Antrag stellen, in denen Kinder unter 12 Jahren betreut werden. Das gilt auch für Schulen, die zugleich auch von älteren Kindern besucht werden.

Bereits seit Mitte Juni können Schulen und Kitas Fördermittel für den Einbau von festen Luftfilteranlagen beantragen. Es gibt maximal 500.000 Euro je Standort. Bisher sind hier 75 Millionen Euro abgeflossen.

Spahn und Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) riefen die Länder dazu auf, das Offenhalten von Schulen und Kitas nach den Sommerferien durch den flächendeckenden Einsatz von Lollitests zum Lutschen zu gewährleisten. „Insbesondere die Methode der Pool-PCR-Testung durch sogenannte Lolli-Tests eignet sich für ein systematisches und sensitives Testkonzept bei Kindern“, heißt es laut Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Donnerstag) in einem Brief der beiden an ihre Länderkolleginnen und -kollegen.

Das Verfahren sei leicht durchführbar und bringe weniger falsche Testergebnisse als Schnelltests. Die wenigsten Länder nutzten es aber. Kinder unter 12 können mangels zugelassenem Impfstoff nicht geimpft werden. Für Kinder ab 12 gilt eine Impfempfehlung nur bei Vorerkrankungen oder beim Umgang mit gefährdeten Menschen.

Bleibt es beim Start von Massenevents in Deutschland?

Großveranstaltungen in Deutschland solle es nur „lageabhängig“ wieder geben und „mit entsprechenden Hygienekonzepten und nicht wie wir das bei der Europameisterschaft gesehen haben“, sagte ein Sprecher des Gesundheitsressorts. Keine Bewertung wollte der Sprecher abgeben zum Fall des rund 70 Kilometer von der deutschen Grenze entfernten Utrecht. Mindestens 1000 Besucher eines Musikfestivals mit 20.000 Menschen hatten sich dort infiziert. Zuvor hatten die vollen Stadien bei der Fußball-Europameisterschaft etwa in England für Unverständnis in der deutschen Politik gesorgt.

Die Chefs der Staats- und Senatskanzleien hatten am 6. Juli im Grundsatz beschlossen, dass auch in Deutschland Großveranstaltungen mit bis 25.000 Personen wieder zugelassen werden sollen, wobei Negativ-Tests, Impfung oder Genesung nachgewiesen werden müssen.

© dpa-infocom, dpa:210714-99-373560/9

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Erstellt:
14. Juli 2021, 05:14 Uhr

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