Ist Bargeld noch Ihr Mittel der Wahl?

Warum Kunden in Deutschland ein einfaches und schnelles Bezahlsystem brauchen

Apple -

Stuttgart Eine selbst erlebte Szene am Flughafen Stuttgart: Nach der Rückkehr aus einem skandinavischen Land, wo Münzen und Scheine sich rar machen, ist kein Bargeld im Geldbeutel. Wird ein Taxifahrer die Kreditkarte annehmen? Der erste Fahrer in der Warteschlange winkt unwirsch ab. Der zweite sagt Ja – genauso mürrisch. Doch als er die Fahrtstrecke hört, dreht er sich um und sagt: „Und da wollen Sie mit Karte zahlen?“ 25 Euro sind ihm nicht genug.

Nein, hier sind wir noch lange nicht beim Smartphone-Bezahlsystem Apple Pay angelangt, das nun seinen Einstieg in Deutschland verkündet hat. Dieser Schritt ist eher ein Symbol. Die Minderheit der Apple-Jünger allein wird das Bezahlen nicht revolutionieren. Für das Betriebssystem Android gibt es die Bezahlmöglichkeit per Smartphone bereits. Deutschland hat allerdings, wie das Flughafen-Beispiel zeigt, sogar noch Hürden bei der Vorstufe, beim Zahlen mit Bank- oder Kreditkarte.

In der Taxibranche mag es Gründe geben, warum Bargeld immer noch das Mittel der Wahl ist – überzogene Gebühren der Banken beispielsweise. Und immer mehr Fahrer nehmen Karten inzwischen an. Dennoch ist es für viele ausländische Besucher in Deutschland ein Schockerlebnis, wenn sie das erste Mal die hiesigen Bezahlgewohnheiten kennenlernen. Nur sieben Prozent der Deutschen nutzen bislang das Bezahlen per Smartphone. Hier ist die deutsche Rückständigkeit mindestens so gravierend wie beim Ausbau eines modernen Breitbandes fürs Internet. Denn in der modernen Digitalökonomie ist reibungsloses Bezahleneine Schlüsseltechnologie. Wenn etwa ein Zeitungsverlag künftig digitale Abonnements verkaufen will, vielleicht an Zielgruppen, die preissensibler und flexibler sind als die traditionellen Kunden, dann braucht er ein einfaches und schnelles Bezahlsystem. Das gilt für jede Branche. In den USA und insbesondere auch China haben dies große, digitale Plattformanbieter begriffen: Zahlsysteme sind ein Schlüssel für ihre Marktmacht.

Doch Deutschland hinkt auf diesem Gebiet hinterher. Selbst eine große Plattform wie Apple Pay hat diesen Markt nicht als ersten erschlossen, weil Deutschland noch recht konservativ ist. Insofern hätte die deutsche Finanzbranche Zeit gehabt, um rechtzeitig mit eigenen Lösungen dagegenzuhalten. Doch während Plattformen wie Apple oder auch Start-ups aus dem Bereich Finanztechnologie,die sogenannten Fintechs, allein von den Nutzerinteressen her denken, basteln deutsche Finanzinstitute an ihren Insellösungen. Apple dagegen hat gleich wichtige Partner wie den Online-Versender Zalando im Boot.

All dies betrifft viel mehr als nur als dieZukunft der deutschen Finanzbranche. Denn es ist sehr wahrscheinlich, dass auch die mehr als anderswo in ihr Bargeld verliebten Deutschen schwach werden, wenn ihnen eine einfache und sichere Bezahllösung offeriert wird. Das heißt nicht, dass man nun die Liebe zum Bargeld missionarisch austreiben muss. Deutsche achten beim Bezahlen zu Recht auf Datenschutz und Privatsphäre. Ein kluger Anbieter würde dieses Bedürfnis berücksichtigen. Die traditionellen Banken und Sparkassen hätten hier mit ihren Geldautomaten und dank der Kundenbindung sogar einen Vorteil. Dass es ihnen nicht geglückt ist, rechtzeitig zu handeln, ist für den ganzen Wirtschaftsstandort bedenklich. Es ist fraglich, ob es jetzt noch gelingen kann, Apple und Co. Paroli zu bieten. Jeder, der seine Kunden langfristig an sich binden möchte, muss sich deshalb, ob er will oder nicht, auf die neuen Bezahlsysteme einlassen. Selbst der Taxifahrer am Stuttgarter Flughafen.

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andreas.geldner@stzn.de

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Erstellt:
12. Dezember 2018, 03:14 Uhr

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