Kundenstrategie

Italiens Banken setzen auf Filialen

Einige kleinere Banken widersetzen sich dem Trend zu Filialschließungen. Mit neuen Filialen wollen sie Privat- und Geschäftskunden gerade in attraktiven Regionen gezielt ansprechen.

Während Großbanken wie die Mailänder HVB-Mutter Unicredit Filialen schließen, eröffnen kleinere Institute neue.

© Gerhard Bläske

Während Großbanken wie die Mailänder HVB-Mutter Unicredit Filialen schließen, eröffnen kleinere Institute neue.

Von Gerhard Bläske

Italiens Banken haben seit 2018 knapp 6000 Filialen geschlossen und ihre Mitarbeiterzahl seit 2013 um 50 000 gesenkt – vor allem, um Kosten zu senken. Doch nun gibt es eine zaghafte Gegentendenz.

Die Südtiroler Sparkasse, die zusammen mit der 2020 mehrheitlich übernommenen Civibank zu einer führenden Bank in Italiens Nordosten geworden ist, hat im Rahmen ihres neuen Strategieplans Horizon die Eröffnung von sieben neuen Geschäftsstellen bis 2026 angekündigt. Das Institut mit Sitz in Bozen hat derzeit 169 Filialen, vor allem in Südtirol (61), in Friaul-Julisch Venezien (51) und Venezien (28).

Vor allem ältere Kunden schätzen den persönlichen Kontakt

Die neuen Geschäftsstellen sind in den besonders wirtschaftsstarken Regionen Venezien und Emilia Romagna vorgesehen. Die Eröffnung wird damit begründet, das Vertriebsnetz „selektiv stärken“ zu wollen, „um Privat- und Firmenkunden mit hohem Potenzial in hoch attraktiven Regionen“ betreuen zu können.

Auf der einen Seite setzt die Südtiroler Sparkasse auf Rationalisierung und Digitalisierung, auf der anderen will sie mehr Zeit für die Kunden aufwenden. Denn vor allem ältere Kunden und auch viele mittelständische Unternehmen schätzen bei wichtigen Investitions-Entscheidungen oder wenn es um die Anlage ihres Sparvermögens geht, den persönlichen Kontakt.

Auch andere mittelgroße Banken wie die Volksbank von Sondrio, Credem, die Cherry Bank oder die Bank Desio verfolgen einen ähnlichen Ansatz. Desio hat beispielsweise von der BPER einige frühere Geschäftsstellen der Ubi Banca übernommen. Italiens größte Bank Intesa Sanpaolo hatte sie im Zuge des Kaufs der Ubi Banca 2020 aus kartellrechtlichen Gründen an die BPER verkauft.

Die meisten Banken haben ihre Filialen aus Kostengründen geschlossen

Es sind vor allem Institute mit einer traditionell starken territorialen Verankerung, die die Chancen einer stärkeren physischen Präsenz vor Ort wiederentdecken. Ob diese Entwicklung dauerhaft ist, muss sich zeigen.

Es handelt sich sicher nicht um eine generelle Tendenz, sondern um ein selektives Vorgehen in attraktiven und wirtschaftsstarken Regionen. Dass die meisten Banken, nicht nur in Italien, in den letzten Jahren in großem Umfang Filialen geschlossen haben, lag einerseits daran, dass sie angesichts der deutlich gesunkenen Präsenz von Kunden in den Geschäftsstellen Kosten senken wollten und andererseits an der zunehmenden Nutzung des Online-Bankings.

Dabei helfen sie häufig etwas nach. Die Intesa Sanpaolo hat mit der Isybank eine eigene Digitalbank gegründet und versucht, mit mehr oder weniger sanftem Druck möglichst viele traditionelle Kundenkonten auf sie zu übertragen. Vor allem ältere Bürger in ländlichen Gemeinden fühlen sich durch solche Bestrebungen auch anderer Institute jedoch ausgeschlossen von Bankdienstleistungen. Inzwischen gibt es in rund 40 Prozent der italienischen Gemeinden keine Bankfilialen mehr.

Co-Working-Spaces und E-Auto-Ladestationen in Postämtern

Einen anderen Kurs steuert schon seit längerer Zeit die staatliche Post (Poste Italiane), bei der der Staat seine bisherige Mehrheit vermutlich noch in diesem Jahr um voraussichtlich 35 Prozent reduzieren möchte. Sie hat schon vor Jahren beschlossen, ihre 13 000 Geschäftsstellen weitgehend behalten zu wollen – auch und gerade im ländlichen Raum. Sie generiert einen Großteil ihrer Einnahmen mit Bank- und Versicherungsdienstleistungen und verwaltet ein Sparvermögen der Italiener von 581 Milliarden Euro. Sie ist de facto eher ein Finanzdienstleister als ein Logistikunternehmen.

Im Rahmen des Programms Polis werden 7000 Geschäftsstellen vor allem in kleineren, ländlichen Gemeinden, ausgebaut: Ein Beitrag, der auch die fortschreitende Entvölkerung stoppen soll. Die Bürger werden dort ab Juli flächendeckend staatliche Dokumente wie Pässe digital bestellen, aber auch Strom- und Gasverträge abschließen können. In einigen Filialen soll es Co-Working-Spaces und Aufladestationen für Elektro-Autos geben. 800 Millionen Euro zu den Gesamtkosten von 1,3 Milliarden Euro steuert die EU im Rahmen des Europäischen Wiederaufbauprogramms bei.

Nur 52 Prozent der Bankkunden nutzen digitale Dienstleistungen

Der Ansatz ist aber ein anderer als bei der Südtiroler Sparkasse: Es ist eine Initiative zur Stärkung des ländlichen Raums und für die vielen dort lebenden älteren Bürger, die digitale Dienstleistungen nicht nutzen können oder wollen. In Italien nutzen nur 52 Prozent der Bankkunden digitale Bankendienstleistungen. In der gesamten EU sind es dagegen fast zwei Drittel der Kunden.

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Erstellt:
26. Mai 2024, 12:50 Uhr

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