Jahrzehnte in US-Haft - Deutscher Jens Söring kommt frei

dpa Richmond. Ein in Amerika wegen Doppelmords verurteilter deutscher Diplomatensohn kommt nach Jahrzehnten in Haft frei. Die Entscheidung kommt überraschend - und nicht alle sind glücklich darüber.

Jens Söring im Jahr 2003 in der Justizvollzugsanstalt Brunswick. Foto: Carlos Santos/AP/dpa

Jens Söring im Jahr 2003 in der Justizvollzugsanstalt Brunswick. Foto: Carlos Santos/AP/dpa

Überraschende Wende in einem der spektakulärsten transatlantischen Kriminalfälle der vergangenen Jahrzehnte: Der wegen Doppelmordes in den USA verurteilte deutsche Diplomatensohn Jens Söring (53) kommt nach Jahrzehnten im Gefängnis auf Bewährung frei.

Söring solle nun abgeschoben werden, entschied das zuständige Gremium im US-Bundesstaat Virginia, wie US-Medien in der Nacht zum Montag unter Berufung auf das Büro des Gouverneurs des Bundesstaats, Ralph Northam, berichteten. Eine Begnadigung habe Northam aber abgelehnt.

Söring solle der Einwanderungsbehörde ICE übergeben und mit einem Wiedereinreiseverbot für die USA belegt werden. Unklar war zunächst, ob der Diplomatensohn, der wegen des Mordes an den Eltern seiner damaligen Freundin im Jahr 1985 zu zweimal lebenslanger Haft verurteilt worden war, nach Deutschland zurückkehrt. Der brutale Doppelmord hatte in den USA und auch international viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen.

Der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Peter Beyer (CDU), begrüßte die Entscheidung. „Das ist eine gute Nachricht“, sagte Beyer laut Mitteilung an die Deutsche Presse-Agentur. Die Bundesregierung hatte sich schon seit längerem für eine Freilassung auf Bewährung und Überstellung nach Deutschland eingesetzt.

Beyer hatte Söring zweimal persönlich im Gefängnis in Virginia besucht. „Bei unserem bislang letzten Treffen im Sommer dieses Jahres hat er einen geistig und körperlich fitten Eindruck auf mich gemacht. Und das, obwohl er sich jeden Tag der harten Realität in einem Südstaatengefängnis stellen muss, in dem Gangs, Drogen und Vergewaltigungen an der Tagesordnung sind.“

Aber Sörings Freilassung stieß nicht nur auf Zustimmung. Er sei „schockiert und empört“ darüber, sagte Ben Cline, republikanischer Kongressabgeordneter des Bundesstaats Virginia. „Die Entscheidung, die nicht auf Reue der Mörder für ihre Taten, sondern auf angeblichen Kostenvorteilen für Virginia basiert, ist eine Beleidigung der Familien der Opfer und des geltenden Rechtes.“

In Lynchburg, einer Kleinstadt in Virginia, waren 1985 die Eltern von Elizabeth Haysom, Sörings damaliger Freundin, brutal erstochen worden. Die Leichen waren blutüberströmt. Nachdem das junge Paar in Verdacht geraten war und sich zur Flucht entschlossen hatte, wurde es 1986 in London gefasst und schließlich an die USA ausgeliefert. Haysom wurde wegen Anstiftung zum Mord zu zweimal 45 Jahren Haft verurteilt, Söring bekam zweimal lebenslange Haft. Auch die inzwischen 55 Jahre alte Kanadierin Haysom wird nun freigelassen und abgeschoben.

Der Fall hatte stets viele Fragen aufgeworfen. Söring hatte die Morde zunächst gestanden, später aber das Geständnis widerrufen. Bis heute beteuert Söring seine Unschuld, und auch viele Ermittler lassen Zweifel zu. „Die Schuldfrage ist meines Erachtens bis heute nicht abschließend geklärt“, sagt Transatlantik-Koordinator Beyer. „Es sind immer noch viele Fragen offen.“

2016 hat der Dokumentarfilm „Das Versprechen“ den verwickelten, komplizierten und letztlich tragischen Fall rekonstruiert. Der Film hatte Söring als hochintelligenten deutschen Diplomatensohn dargestellt, seine Freundin Haysom als Tochter eines reichen Unternehmers aus der Stahlindustrie, offensichtlich bisexuell, möglicherweise Opfer sexuellen Missbrauchs durch ihre Mutter. Auch in dem Film hatte Söring immer wieder seine Unschuld beteuert. Er habe den Mord für seine geliebte Freundin auf sich genommen, hatte er den Dokumentarfilmern gesagt. „Ich dachte, ich sei ein Held.“

Jens Söring gibt im Jahr 2011 im Gefängnis „Buckingham Correctional Center“ ein Interview. Foto: Steve Helber/AP/dpa

Jens Söring gibt im Jahr 2011 im Gefängnis „Buckingham Correctional Center“ ein Interview. Foto: Steve Helber/AP/dpa

Zum Artikel

Erstellt:
26. November 2019, 16:41 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen