Ukraine-Verhandlungen

Jared Kushner ist wieder da

Nach Gaza soll der Schwiegersohn Donald Trumps jetzt in der Ukraine das scheinbar Unmögliche erreichen. Seine Beteiligung an den Verhandlungen stößt nicht nur auf ein negatives Echo.

Sitzt für die USA am Verhandlungstisch: Jares Kushner

© Fabian Sommer/dpa

Sitzt für die USA am Verhandlungstisch: Jares Kushner

Von Thomas Spang

Der schlanke Mann mit den Lachfältchen und der Ray-Ban-Sonnenbrille erinnert mehr an Ken aus der Barbie-Welt als an einen harten Cowboy. Seine 44 Lebensjahre lassen wenig diplomatische Erfahrung vermuten, die zur Lösung festgefahrener Konflikte nötig wäre. Und sein dünnes Stimmchen war häufig Gegenstand von Späßen der US-Comedians. Den donnernden Hall einer Supermacht verbreitete es jedenfalls nicht.

Ausgerechnet auf ihm ruhen die Hoffnungen, das zu schaffen, was Donald Trump eigentlich in 24 Stunden erledigen wollte. Jared Kushner soll an der Seite von Steve Witkoff den Konflikt in der Ukraine beenden. Dazu versuchte er die Blaupause der Gaza-Verhandlungen in diesen Teil der Welt zu übertragen. Statt 20 Punkten waren es 28, die der Amateur-Diplomat half, zu Papier zu bringen. Er sei „sehr gut“ darin, Ideen konzeptionell umzusetzen, lobt ein hoher Mitarbeiter der US-Regierung Kushners Talent.

Dass diese im Fall der Ukraine zum guten Teil direkt aus dem Kreml stammten, genauer gesagt von Wladimir Putins Unterhändler Kirill Dmitriev, löste massiven Widerstand in Kiew und Brüssel aus. Trump sah sich gezwungen, ein mit seinem 28-Punkte-Plan verknüpftes Ultimatum folgenlos verstreichen zu lassen.

In Gaza halfen dem aus einer jüdisch-orthodoxen Familie in New York stammenden Zögling des Bauunternehmers und Trump-Freunds Charles Kushner die guten Kontakte in die Region. Er handelte als Trumps Berater während der ersten Amtszeit die sogenannten Abraham-Abkommen aus. Diese etablierten diplomatische Beziehungen zwischen Israel und vier arabischen Staaten.

Nach dem Ende der Regierung gründete Kushner 2021 den Investmentfonds „Affinity Partners“. Finanziert von genau jenen Golfstaaten, mit denen er in der Vergangenheit für die USA offiziell verhandelt hatte. Saudi-Arabien steuerte zwei Milliarden Dollar bei, die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar folgten mit weiteren 1,5 Milliarden Dollar. Die Berater von Kronprinz Mohammed bin Salman hatten wegen der mangelnden Erfahrung Kushners vergeblich vor der Investition gewarnt. Sie dürften sich bestätigt sehen. Bis Ende 2024 erwirtschaftete der Fonds keine nennenswerte Rendite.

Auch in der Ukraine mangelt es Kushner an Erfahrung. Sein erstes Treffen mit Wolodymyr Selenskyj im Juni 2019 verlief ernüchternd. Bei einem eigens zum Kennenlernen arrangierten Abendessen in Brüssel saßen die beiden nebeneinander und hatten sich nicht viel zu sagen. Obwohl Selenskyj gerade erst zum Präsidenten gewählt worden war. Und was Kushner dafür qualifiziert, fünf Stunden mit Wladimir Putin im Kreml zu verhandeln, bleibt ebenso rätselhaft wie die Expertise, die Witkoff mitbringt.

Unter Analysten wird dieser unkonventionelle Stil auch als Cowboy-Diplomatie bezeichnet, die sich von dem methodischen Vorgehen klassischer US-Diplomatie grundlegend unterscheidet. Während früher die Regierungschefs erst nach langen Vorverhandlungen ihrer Diplomaten auftraten, sollen sie unter Trump von Beginn an direkt verhandeln. Bisher blieb dem Duo ein Durchbruch in der Ukraine verwehrt.

Dennoch halten Teilnehmer der Verhandlungen die Präsenz Kushners an der Seite Witkoffs für einen Fortschritt. Laut Verhandlungsteilnehmern stellte Kushners Beteiligung eine Veränderung im amerikanischen Ansatz dar. In den Gesprächen stellte er Fragen und hörte den Antworten zu. Anders als Witkoff machte sich Kushner Notizen. „Er ist klug und hat eine Seele“, beschreibt ihn ein europäischer Diplomat gegenüber der Washington Post.

Die Rückkehr von Trumps Schwiegersohn als Verhandlungsführer erscheint angesichts eines nicht mehr funktionierenden Nationalen Sicherheitsrats und hunderter gefeuerter Diplomaten als das kleinere Übel. Wenn konzeptionelle Außenpolitik durch die Vorlieben einzelner Personen ersetzt wird, kann ein Mann, der zuhört und Notizen macht, als Fortschritt betrachtet werden. Selbst wenn auch er ein Cowboy-Diplomat mit Krawatte ist.

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Erstellt:
15. Dezember 2025, 17:02 Uhr

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