US-Demokrat Beto O’Rourke

„Jetzt zeigen wir, dass wir kämpfen wollen“

Beto O’Rourke kritisiert seine Demokraten hart. Für die US-Zwischenwahlen 2026 hat er aber große Hoffnungen. Sollte die Partei aber erfolglos bleiben, wäre Trump kaum mehr zu stoppen.

Der frühere US-Kongressabgeordnete Beto O’Rourke: „Unsere Chance bei den Zwischenwahlen 2026 stehen richtig gut.“

© IMAGO/ZUMA Press Wire

Der frühere US-Kongressabgeordnete Beto O’Rourke: „Unsere Chance bei den Zwischenwahlen 2026 stehen richtig gut.“

Von Michael Weißenborn

Warum wehren sich nicht mehr US-Bürger gegen Donald Trump? Beto O’Rourke fordert im politischen Kampf gegen Donald Trump einen ökonomischen Populismus: Die drängendste Frage für die meisten Amerikaner sei ein „erschwingliches Auskommen“, so der Texaner.

Herr O’Rourke, Präsident Trump schickt Soldaten in die Städte und schüchtert US-Bürger ein. Warum fällt der Widerstand dagegen nicht stärker aus?

Es gibt Widerstand. Menschen in Chicago, Los Angeles in Washington D.C. und El Paso protestieren. Aber Sie haben recht: Das bisher geschieht nicht im selben Maß wie etwa 2018 in der Krise um die Trennung von Einwandererfamilien. Aber heute passiert so viel an so vielen Fronten gleichzeitig: die Verhaftungen durch ICE-Beamte, die Massenentlassung von Bundesbediensteten und ein Präsident, der sich nicht an die Verfassung hält.

Trügt der Eindruck, dass weite Teile der Gesellschaft noch zufrieden sind, auch weil sich die US-Wirtschaft bemerkenswert robust zeigt?

Das Land wollte 2024 den Wechsel. Bei den letzten Wahlen boten die Demokraten aber nur mehr vom Gleichen. Trumps Botschaft indes hieß: das System funktioniert nicht, viele Menschen werden beim Erfolg unseres Landes übergangen. Er versprach, das System zu zerstören und für die Menschen zu kämpfen. Die Leute, die ihn gewählt haben, geben ihm noch Zeit. Sie sind bereit, über vieles hinwegzusehen, was in anderen Zeiten für Empörung gesorgt hätte.

Werden beim Streit über Haushalt und Shutdown nicht die Demokraten für den Stillstand verantwortlich gemacht?

Ich hoffe, die Demokraten bleiben diesmal stark. Wir sorgen uns darum, dass Millionen Menschen riesige Preissteigerungen bei der Krankenversicherung erleben. Aber auch um ungerechtfertigte Massenverhaftungen von US-Bürgern, die Beschlagnahme von Kongress-Geldern, die Missachtung von Bundesgerichten. Das ist alles nicht nicht normal! Wir kämpfen für den Rechtsstaat. Und laut Umfragen macht eine klare Mehrheit der Amerikaner die Republikaner und Trump für den Shutdown verantwortlich.

Trump ist extrem unpopulär. Doch die Demokraten sind noch unpopulärer. Warum sind sie so schwach?

2024 haben die Demokraten einen denkbar schlechten Wahlkampf geführt, zuerst mit Joe Biden und dann mit Kamala Harris. Bis vor Kurzem zeigten sie auch überhaupt keinen Kampfeswillen. Jetzt kämpft Chuck Schumer, der Minderheitenführer im Senat. Der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom reagiert auf die Neueinteilung der Wahlkreise in Texas mit einer Wahlkreisreform. Je mehr wir kämpfen, desto besser werden wir auch in den Wahlen abschneiden.

Wie müssen sich die Demokraten aufstellen, um die Macht in Washington zurückzugewinnen?

Sie müssen überall hingehen und auch traditionelle Wählergruppen wie die Jungen, Schwarze oder Latinos nicht vernachlässigen. Wenn wir uns nicht für diese Wähler einsetzen, die alle eine Wechsel herbeisehnten, kann es uns nicht überraschen, dass sie für Republikaner gestimmt haben. Man muss dort auftauchen, wo die Leute sind. Das geht nicht mit Geld oder Technologie.

Aber verliert ein linker Kandidat wie der New Yorker Bürgermeister-Kandidat Zohran Mamdani die politische Mitte für Demokraten nicht wieder?

Er ist einer der aufregendsten Kandidaten seit Langem. Weniger von der Ideologie her, denn was in New York funktioniert, unterscheidet sich von der Lage in Texas. Aber er ist ein Wahlkämpfer und beherrscht Tiktok meisterhaft.

Sie favorisieren ökonomischen Populismus. Wie passt das zu Amerikas traditioneller Ablehnung von Umverteilung?

Vor rund 100 Jahren haben wir für Franklin D. Roosevelt und seinen liberalen Populismus gestimmt. Die staatliche Rentenversicherung Social Security war revolutionär für die USA. Seine Gegner nannten Roosevelt einen Sozialisten. Es gibt in Amerika aber auch das Bestreben, etwa bei der Einführung der Krankenversicherung für Rentner und Arme unter Präsident Lyndon B. Johnson, dass wir uns auf soziale Absicherung verständigen. Aber es waren immer die Demokraten, die das durchgesetzt haben.

Sollten die Demokraten also auf Kulturkampf verzichten und sich eher um die Lebenshaltungskosten kümmern?

Man sollte niemanden aufgeben. Die Demokraten sind auch eine Partei, die stolz für Bürgerrechte eintritt. Aber die drängendste Frage für die meisten US-Bürger ist ein erschwingliches Auskommen vom Wohnen bis zu den Kosten für Bildung. Wir müssen den Menschen vermitteln, wie das Leben mit Demokraten besser wäre.

Wie sehen Sie die Chancen der Demokraten bei den Zwischenwahlen 2026?

Die stehen richtig gut. Sie führen in den Umfragen. Und noch deutlicher zeigt sich daran, wie sehr sich Trump darum bemüht, dass in den Einzelstaaten die Wahlkreise neu eingeteilt werden. Sollten die Demokraten aber nicht die Mehrheit erringen, wäre die Festigung autoritärer Macht in seinen Händen kaum mehr aufzuhalten.

Werden Sie 2026 wieder für den Senat kandidieren oder 2028 fürs Weiße Haus?

Das weiß ich noch nicht. Ich leite die größte Organisation zur Registrierung junger Wähler in Texas. Bis zur Frist im Dezember, zu der man sich für eine Kandidatur in Texas erklären muss, habe ich Zeit, herauszufinden, wie ich am besten helfen kann – als Kandidat oder als jemand, der Kandidaten unterstützt.

Das Gespräch führte Michael Weißenborn

Beto O’Rourke

Wer Der schlaksige Texaner mit jugendlicher Ausstrahlung, den alle „Beto“ nennen, hat seine politische Karriere 2005 im Stadtrat von El Paso begonnen. Zum Appeal des 53-jährigen gehört auch sein unkonventioneller Lebenslauf. Der Sohn eines Richters und einer Möbelhändlerin spielte Bass in einer Punkband, studierte englische Literatur in New York und gründete eine Internetfirma. Mit Frau und drei Kindern lebt er in seiner Heimatstadt an der Grenze zu Mexiko.

Was O’Rourke war von 2013 bis 2019 Abgeordneter im Repräsentantenhaus. 2018 kandidierte er für den US-Senat und trat bei den Präsidentschaftswahlen 2020 als Kandidat der Demokraten an, unterlag aber Joe Biden. Er führt die Organisation „Powered by People“, nach eigenen Angaben, die größte Organisation zur Registrierung junger Wähler in Texas.

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Erstellt:
17. Oktober 2025, 15:18 Uhr
Aktualisiert:
17. Oktober 2025, 17:08 Uhr

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