„Jugendbeteiligung ist ein mehrstufiger Prozess“

Veranstaltungsreihe im Weissacher Tal und in Althütte: Positive Bilanz trotz einiger Absagen – Jetzt rücken Gemeinden in den Fokus

Melanie Rautscher

© Pressefotografie Alexander Beche

Melanie Rautscher

Von Armin Fechter

BACKNANG/WEISSACH IM TAL. 626 Besucher haben teilgenommen, darunter waren 595 Jugendliche. Angelika Roth und Melanie Rautscher ziehen somit eine positive Bilanz der Beteiligungswochen Weissacher Tal und Althütte, die mit einer großen Abschlussparty im Bildungszentrum zu Ende gegangen sind.

„Die Gesamtbilanz macht mich glücklich“, fasst Melanie Rautscher zusammen. Auch wenn ein Teil der Veranstaltungen mangels Teilnehmern abgesagt werden musste: „Ich bin wirklich zufrieden.“ Das bekräftigt auch Angelika Roth. Die beiden Projektreferentinnen begleiten das Programm „Wir für Jugendbeteiligung – Partnerschaft für Demokratie“ vonseiten des Kreisjugendrings. Ziel ist es, die Beteiligung Jugendlicher an kommunalen Entscheidungen zu stärken. Dazu gibt es für die Dauer von drei Jahren Fördergelder von insgesamt fast 100000 Euro. Sie stammen aus dem Programm „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Nähere Informationen dazu gibt es auf www.demokratie-leben.de und www.bmfsfj.de.

Die Teilnehmerzahlen fielen je nach Veranstaltung ganz unterschiedlich aus, ebenso auch die Beteiligung Jugendlicher. Dass beispielsweise bei der Gesprächsrunde zum Thema WLAN und Schule keiner der betroffenen Schüler zugegen war, überraschte zunächst. Es war jedoch kein Beinbruch, im Gegenteil: Im Nachhinein habe sich, so erläutern Roth und Rautscher, gezeigt, dass es gut gewesen sei, Vertreter der Gemeinden, des Schulzweckverbandes, der Bibliothek und der Schule am Tisch zu haben – mit dem Ergebnis, dass alle einen freien WLAN-Zugang am Bildungszentrum befürworteten. In die weiteren konkreten Schritte sollen die Schüler einbezogen werden, und zwar in Form einer AG.

„Jugendbeteiligung ist ein mehrstufiger Prozess“, erklärt Rautscher. Es gebe verschiedene Levels. Manche Jugendliche seien zwar vielleicht in einer ersten Phase engagiert mit dabei, tun aber den nächsten Schritt dann doch nicht. Andere halten bei der Stange und ziehen ihren Einsatz über mehrere Etappen durch. Das sei im Grunde auch bei Erwachsenen so, macht Roth deutlich: Wo die freiwillige Beteiligung an einer Aufgabe gefordert ist oder ermöglich wird, steigen unterwegs auch immer welche aus.

Zehntklässler von Anfang an bis zum Abbau spät in der Nacht im Einsatz

Am meisten beeindruckt waren die Projektreferentinnen deshalb vom Engagement der zehn Zehntklässler vom Bize, die sich um die Abschlussparty angenommen hatten – und zwar von Anfang an bis zum Abbau spät in der Nacht. Roth: „Sie haben auf Augenhöhe mit uns gearbeitet.“ Das musikalische Programm mit dem 16-jährigen Sänger Andreas Mioc, der 2017 bei The Voice Kids teilnahm, und mit DJ Eliteface sowie einer mitreißenden Einlage der Hip-Hop Dancing Crew The Flava von der Dance Intense Factory Backnang sorgte für gute Stimmung unter den insgesamt 314 Besuchern ab 14 Jahren. Dass die Zahl so genau ermittelt werden konnte, geht auf die Bändchen zurück, die wegen des Ausschanks je nach Alter ausgegeben wurden. Beim Thema Getränke waren aber im Vorfeld die Geister auseinandergegangen: Während die Projektreferentinnen biologisch, nachhaltig und regional erzeugte Produkte favorisierten, bestanden die Jugendlichen auf ihre angesagten Marken. Selbstkritisch räumen Roth und Rautscher – „wir wollten helfen“ – im Nachhinein ein, ein bisschen zu viel an sich gezogen zu haben. Beteiligung umfasst halt auch die Getränkepalette.

Wenig Resonanz fand die Veranstaltung zum Thema öffentlicher Nahverkehr, das beim Jugendhearing im vergangenen Jahr eine große Rolle gespielt hatte. Inzwischen hat sich aber wohl einiges geklärt, berichtet Rautscher, und es gibt mehr Busverbindungen. Abgesagt wurden auch Workshops zum Thema Drogen und zu Stärken und Interessen sowie zur Partizipation in Vereinen. Letzteres wollen die Projektreferentinnen noch direkt in die Vereine tragen, denn für entsprechende Vorhaben stehen Fördermittel bereit. Rautscher: „Es wäre ja schade, wenn Gelder übrig blieben.“

Großen Erfolg erzielte die Bibliothek im Bize mit einer Lesung des jungen syrischen Autors Seif Arsalan. Starke Resonanz gab es auch auf die Veranstaltung im Jugendtreff Auenwald, wo es um selbstverwaltete Jugendtreffs ging. Bei einer weiteren Aktion soll in Kooperation mit dem Backnanger Bandhaus-Theater das Thema Beteiligung künstlerisch umgesetzt werden, in Vorbereitung ist auch eine Filmdoku über die Veranstaltungsreihe, die auf www.wir-für-jugendbeteiligung.de online gestellt wird.

Die weitere Planung im Rahmen des Gesamtprojekts sieht vor, noch ein weiteres Jugendhearing zu veranstalten, allerdings in kleinerem Rahmen als zum Auftakt. Ferner wollen Rautscher und Roth die Konzepte für die Jugendbeteiligung in den einzelnen Gemeinden – das Kernthema des Projekts – vorantreiben. Zu diesem Zweck tagte jetzt auch eine Demokratiekonferenz mit dem Begleitausschuss. Input vonseiten der Jugendlichen ist dabei gefragt, aber auch die Expertise von Petra Nonnenmacher, die beim Landkreis die Fachstelle Sozialraumorientierte Jugendarbeit leitet. Darüber hinaus wird angestrebt, Jugendliche mit Behinderungen ebenso wie Jugendliche mit Fluchterfahrungen besser einzubinden.

Bis Ende 2019 soll das Gesamtprojekt abgeschlossen sein, dann läuft die dreijährige Förderung aus. Ob es eine Verlängerung oder eine Anschlussförderung gibt, steht in den Sternen. Insgesamt sind bis zur Halbzeit fast 3000 Besucher – Jugendliche und Erwachsene – zu Aktionen der Weissacher Partnerschaft für Demokratie gekommen. Davon haben sich 231 Jugendliche aktiv beteiligt, das heißt, sie waren nicht nur als Konsumenten bei einem Angebot dabei, sondern haben mitgedacht, mitgestaltet, geplant, organisiert und sich für ihre Interessen starkgemacht. Rautscher: „Bis hierher eine Bilanz, die sich sehen lassen kann.“

Angelika Roth

© Pressefotografie Alexander Beche

Angelika Roth

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Erstellt:
16. Oktober 2018, 06:00 Uhr

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