Anschlagsopfer haben im Südwesten neuen Ansprechpartner

dpa/lsw Stuttgart. Einen Terroranschlag oder Amoklauf mitzuerleben, traumatisiert Menschen schwer. Neben den psychischen Folgen müssen sich Opfer auch mit finanziellen Fragen herumschlagen. Ein neuer Beauftragter in Baden-Württemberg soll ihnen helfen.

Guido Wolf, der Justizminister von Baden-Württemberg. Foto: Christoph Schmidt/dpa/Archivbild

Guido Wolf, der Justizminister von Baden-Württemberg. Foto: Christoph Schmidt/dpa/Archivbild

Die Opfer von Terroranschlägen und Amokläufen sowie deren Angehörige haben im Südwesten jetzt einen zentralen Ansprechpartner. Das Land hat die neue Stelle eines Beauftragten eingerichtet. „Wir treffen Vorsorge und wappnen uns für einen Fall, der hoffentlich nie eintritt“, sagte Justizminister Guido Wolf (CDU) am Mittwoch in Stuttgart. Die Stelle wurde mit Uwe Schlosser besetzt, der bislang Generalstaatsanwalt in Karlsruhe war. Schlosser ist ehrenamtlich tätig. Er bekommt aber eine Aufwandsentschädigung und eine Geschäftsstelle mit vier Mitarbeitern an die Hand.

Wolf erklärte, Opfern und deren Angehörigen könne es nicht zugemutet werden, sich nach einem hochgradig traumatischen Ereignis mit wechselnden Ansprechpartnern auseinanderzusetzen. Schlosser soll nach Angaben des Justizministeriums ein Konzept zur Opferbetreuung für den Ernstfall erarbeiten und - unabhängig von Ereignissen - den Opferschutz im Land koordinieren. Falls Opfer allgemeiner Straftaten nicht wissen, wo sie Unterstützung erhalten können, soll der Beauftragte sie an bestehende Hilfsangebote weitervermitteln.

Bei einem Anschlag 2016 auf den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz in Berlin waren elf Menschen gestorben. Die Bundesregierung ernannte damals den früheren rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck zum Beauftragten für die Anliegen der Opfer dieses Anschlags und deren Hinterbliebenen. Beck empfahl in seinem Abschlussbericht, Anlaufstellen für Opfer auch in den Ländern zu schaffen. Diese Empfehlung setzt Baden-Württemberg jetzt um.

Für Wolf ist aber auch der Amoklauf von Winnenden ein Beispiel für ein Ereignis, wo ein Opferbeauftragter tätig werden kann. Am 11. März 2009 war ein ehemaliger Schüler in eine Schule in Winnenden (Rems-Murr-Kreis) eingedrungen und hatte mit der Pistole seines Vaters das Feuer eröffnet. Er erschoss acht Schülerinnen, einen Schüler und drei Lehrerinnen während des Unterrichts. Auf seiner Flucht tötete der 17-Jährige drei weitere Menschen und sich selbst.

Schlosser erklärte, Opfer und Hinterbliebene fühlten sich oft alleingelassen. Sie wüssten zum Beispiel nicht, wie sie finanzielle Entschädigungen bekommen könnten, weil sie keinen Überblick über bestehende Angebote hätten.

Der Landesvorsitzende der Opferorganisation Weißer Ring, Erwin Hetger, bezeichnete Schlosser als „richtigen Mann“ für die Stelle. Er müsse aber innerhalb der Landesregierung tatsächlich eine Koordinierungsfunktion zugunsten der Opfer wahrnehmen können. Wenn diese gelinge, handele es sich für die Opfer um einen Schritt nach vorn. Nach Hetgers Meinung wird aber auch der neue Opferbeauftragte sehr schnell an Grenzen kommen: So gebe es in Baden-Württemberg nur sechs Trauma-Ambulanzen. Das sei zu wenig, um nach einem Großereignis alle traumatisierten Menschen versorgen zu können.

Hetger kritisierte auch, dass die Heidelberger Gewaltambulanz die einzige ihrer Art im Südwesten sei. Opfer von Gewalt können sich in Heidelberg unmittelbar nach der Tat an die rund um die Uhr besetzte Ambulanz wenden, um ihre Verletzungen dokumentieren zu lassen. Die rasche Sicherung der Spuren - etwa Sperma - ist wichtig, weil sie 24 Stunden später kaum noch nachgewiesen werden können.

Uwe Schlosser, Opferbeauftragter der baden-württembergischen Landesregierung. Foto: Marijan Murat/dpa

Uwe Schlosser, Opferbeauftragter der baden-württembergischen Landesregierung. Foto: Marijan Murat/dpa

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Erstellt:
1. Juli 2020, 02:22 Uhr

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