Regeldickicht
Kann Baden-Württemberg Bürokratieabbau?
Baden-Württemberg führt ein, was andere Bundesländer schon haben. Ein Gesetz, das Kommunen Ausnahmen von bestehenden Regeln erlaubt – und hofft, dass das Beispiel Schule macht.

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Das neue Gesetz soll in Teilen helfen, Aktenberge zu reduzieren.
Von Annika Grah
Seit gut zwei Jahren arbeitet sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) an der von ihm als Brombeergestrüpp titulierten Bürokratie ab. Am Dienstag brachte das Kabinett nun das so genanntes Regelungsbefreiungsgesetz auf den Weg. Es soll Kommunen ermöglichen, zeitlich befristet Ausnahmen von via Landesrecht übertragenen Aufgaben zu beantragen – eine zentrale Forderung von Landkreisen und Kommunen. Die damit verbundenen hohen Erwartungen versuchte Kretschmann am Dienstag zu dämpfen: „Ob es ein großer Wurf ist, sieht man dann. Erstmal ist das ein Wurf“, sagte er.
Kita-Erprobungsparagraf als Vorbild
Die Erfahrung mit dem Kita-Erprobungsparagrafen, der Kommunen in Baden-Württemberg Abweichungen bei Vorgaben im Kita-Bereich ermöglicht, zeigt, dass es eine Weile braucht, bis solche Regelungen angenommen werden. Trotzdem ist die Hoffnung da, dass das Beispiel des Regelungsbefreiungsgesetzes – das andere Bundesländer übrigens schon vor Jahren eingeführt haben – Schule machen könnte. „Größere Würfe müssen dann die machen, die auch größere Regelungen machen“, sagte Kretschmann. Das Land sei nur für etwa sieben Prozent aller Regelungen überhaupt zuständig. Das Gros der Vorgaben machen Bund und Europäische Union.
Das Regelungsbefreiungsgesetz war eine zentrale Forderung der Entlastungsallianz. Den Gesprächskreis hatte das Staatsministerium vor gut zwei Jahren eingeführt, nachdem sich acht Verbände mit einem Brief „in großer Sorge um unser Land“ an die Landesregierung gewandt hatten. Drei Entlastungspakete hatte die Allianz inzwischen zustande gebracht. Im Mai war beschlossen worden, dass die Allianz bis Ende der Legislatur weitermachen und der Lenkungskreis den auf Bundesebene angekündigten Prozess einer Staatsreform begleiten soll. Das sei der richtige Weg, sagte Gemeindetagspräsident Steffen Jäger. „Bürokratieabbau und Aufgaben- und Standardkritik sind nie fertig, sondern eine Daueraufgabe.“
„Der Abbau bürokratischer Hürden sowie die kritische Prüfung von Aufgaben und Standards müssen deshalb auch künftig auf allen Ebenen konsequent weiterverfolgt werden, sagt auch Stefan Küpper, Geschäftsführer für Bildung, Arbeitsmarkt und Landespolitik des Verbands Unternehmer Baden-Württemberg. Mit Hilfe der Entlastungsallianz sei es gelungen, Lücken in das Brombeergestrüpp der Bürokratie zu schlagen, sagt er: „Gerodet ist es sicherlich noch nicht.“ Küpper zählt insgesamt 170 Entlastungsmaßnahmen. „Einige Vorhaben sind in der teilweise sehr kleinteiligen Diskussion stecken geblieben.“
Dabei profitieren die Firmen auch von Regelungen, die primär für die Verwaltung gedacht sind. Der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskammertag (BWIHK) etwa lobt die bereits eingeführten vereinfachten Vergabeverfahren mit höheren Wertgrenzen, von denen Unternehmen profitieren können. „Weniger Bürokratie in den Kommunen kann der entscheidende Hebel sein, um Verwaltungen effizienter zu machen – und Unternehmen endlich wieder Luft für wirtschaftliches Handeln zu verschaffen“, sagt BWIHK-Präsident Jan Stefan Roell
Kommunen hätten sich noch weit reichenderes Gesetz gewünscht
Die Kommunen wollen die neuen Spielräume im Regelungsbefreiungsgesetz zu nutzen. Landkreis-, Gemeinde- und Städtetag haben die Hoffnung aber nicht aufgegeben, dass in der parlamentarischen Beratung der Experimentierraum noch erweitert werden könnte.
Etwas mehr vom Brombeergestrüpp will das Land noch vor der Sommerpause roden. So ist nach Angaben des Staatsministeriums auch das Regelungsbereinigungsgesetz in Arbeit, das unter anderem helfen soll, obsolet gewordene Regelungen abzuschaffen.