Kein Schnee an den Feiertagen

Chance auf „weiße Weihnachten“ liegt in Backnang und Umgebung mittlerweile generell nur noch bei etwa fünf Prozent

Hoffnungsvoll blicken viele Menschen noch in den Abendstunden des 24. Dezembers aus dem Fenster und wünschen sich Schnee. Denn Schnee zu Weihnachten, das muss sein. Und überhaupt: Früher gab es doch auch mehr Schnee und auch immer weiße Weihnachten... oder? Wir haben beim Deutschen Wetterdienst nachgefragt: Was ist dran am Mythos „weiße Weihnachten“?

Im Jahr 2014 gab es in Murrhardt zumindest ein weißes Silvester. Aber weiße Weihnachten wird es in diesem Jahr in Backnang und Umgebung nicht geben. Archivfoto: C. Schick

Im Jahr 2014 gab es in Murrhardt zumindest ein weißes Silvester. Aber weiße Weihnachten wird es in diesem Jahr in Backnang und Umgebung nicht geben. Archivfoto: C. Schick

Von Silke Latzel



BACKNANG. Jedes Jahr hoffen die Deutschen auf Schnee an Weihnachten – und werden dann meistens enttäuscht. Aber wieso halten wir am Mythos weiße Weihnachten trotzdem so sehr fest?

„Geht es um Schnee, muss man zwei verschiedene Seiten betrachten, einmal die physikalische und einmal die psychologische“, erklärt Uwe Schickedanz, Leiter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Stuttgart. „Da haben wir beispielsweise Fotoalben von früher. Es gibt kein Album, in dem nicht mindestens ein Schneefoto zu finden ist. Und wieso? Weil es besondere Tage sind und an denen werden eben auch Fotos gemacht und nicht dann, wenn es Nebel oder Regen gibt. Und unser Gedächtnis speichert deswegen auch nur die Erinnerungen an den Schnee ab, weil sie etwas Besonderes sind.“ Auch früher sei Weihnachten in den Niederungen, zu denen auch Backnang zählt, zu 80 Prozent grün und nicht weiß gewesen, so der Experte. „Mitnichten hat es also an Weihnachten früher immer Schnee gegeben. Erst ab etwa 700 Metern wurde es, auch damals schon, wahrscheinlicher.“

Früher eine 20-prozentige Chance auf weiße Weihnachten in Backnang

Faktisch und physikalisch ist es zudem in den vergangenen 30 Jahren kontinuierlich immer wärmer geworden. Das spürt man im Sommer zwar direkter, aber im Winter seien die Temperaturen noch mehr angestiegen, sagt Schickedanz. „Von 1991 bis 2018 haben wir eine durchschnittliche Temperaturerhöhung um ein Grad Celsius in der Region Stuttgart, im Winter sind es sogar eineinhalb Grad. Das heißt, wir haben im Winter jetzt oft Regen und deutlich weniger Schnee.“ Und somit auch eine deutlich geringere Chance auf weiße Weihnachten. „Nimmt man unsere Messstation in Freudenstadt im Schwarzwald, so hatten wir in den Jahren 1961 bis 1990 eine durchschnittliche Schneehöhe von 36 Zentimetern im Zeitraum zwischen 1. Dezember und 29. Februar. Nimmt man den Mittelwert der Jahre 1991 bis 2018, hat sich die durchschnittliche Schneehöhe halbiert, liegt jetzt also bei etwa 18 Zentimetern.“ Hier bringt der Experte den Klimawandel ins Spiel: „Gab es früher in der Region Stuttgart und auch in Backnang eine 20-prozentige Chance auf weiße Weihnachten, liegt die Chance jetzt nur noch bei fünf Prozent.“ Doch auch in den 80er- und 90er-Jahren war laut Aufzeichnungen des Wetterdienstes nur jedes fünfte Weihnachten weiß. „Es wird systematisch wärmer. Ob wir weiße oder grüne Weihnachten haben, spielt in diesen Beobachtungen aber eigentlich gar keine Rolle. Das ist nur ein punktuelles Einzelereignis. Wir beobachten den Klimawandel seit vielen Jahren.“

Weihnachten und Schnee verbinden wir also oftmals nur mit nostalgischen Erinnerungen, unser Gedächtnis spielt uns gerne einen Streich. Und die Welt der Postkarten und Weihnachtsfilme tut ihr Übriges. Nur ist dort der Schnee oft mit Bildbearbeitungsprogrammen nachträglich eingefügt oder besteht – bei Filmen – oft aus Kunststoff, Stärke, Papier oder Seifenschaum. Ganz aktuell nimmt auch in diesem Jahr der Wetterdienst schon vorab alle Hoffungen auf weiße Weihnachten: Schnee gibt es nur im Hochschwarzwald, die Schneefallgrenze liegt bei 1000 Metern, steigt über die Feiertage sogar auf 1500 Meter an. Frisch aus der Niederlassung in Stuttgart gibt es die Vorhersage für die Weihnachten:

Heiligabend: Vormittags ist es stark bewölkt bis bedeckt. Um die Mittagszeit wird es zwei bis drei Stunden leicht und kontinuierlich regnen, am Nachmittag und am frühen Abend werden Schauer erwartet.

Erster Weihnachtsfeiertag: Immer wieder Schauer, Temperaturen um die neun Grad Celsius.

Zweiter Weihnachtsfeiertag: Es wird trocken, bleibt aber bewölkt, ein bis zwei Stunden wird die Sonne laut Vorhersage zwischen den Wolken hervorschauen. Die Temperatur fällt leicht auf sechs Grad.

Generell werden die Böen der vergangenen Tage auch über die Festtage nicht abnehmen, es werden immer wieder Windstärken zwischen 50 und 60 Stundenkilometern erreicht. Gute Neuigkeiten für alle, die sich auf den Straßen befinden, um die Verwandtschaft oder Freunde zu besuchen: Die Experten des Deutschen Wetterdienstes sagen weder Frost noch Glätte voraus.

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Erstellt:
24. Dezember 2019, 06:00 Uhr

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