Merz in Brüssel

Keine Alleingänge mehr!

Der neue Bundeskanzler Merz hat Europa Führung versprochen. Doch bei seinem ersten Auftritt in Brüssel wird er für einen nationalen Alleingang kritisiert – zurecht, findet EU-Korrespondent Knut Krohn.

Antrittsbesuch: Friedrich Merz (l.) und Nato-Generalsekretär Mark Rutte.

© JOHN THYS/AFP

Antrittsbesuch: Friedrich Merz (l.) und Nato-Generalsekretär Mark Rutte.

Von Knut Krohn

Friedrich Merz hätte es besser wissen können. Fünf Jahre saß er im Europaparlament und hat erlebt, wie die EU funktioniert. In Brüssel ist eine wohl austarierte Konsensmaschine am Werk, nirgends wird deutlicher, dass Politik ein Geben und Nehmen ist. Olaf Scholz hat in seiner Zeit als Kanzler diese Maschinerie ins Stocken gebracht. Durch sein Zögern und Zaudern hat er die politischen Abläufe Europas verlangsamt und bisweilen zum Erlahmen gebracht. Aus diesem Grund ist in Brüssel die Erleichterung groß, dass mit Friedrich Merz im wirtschaftlich mächtigen Deutschland nun ein Mann das Ruder übernommen hat, der die komplizierten Abläufe in der Union verstanden hat – so glaubte man zumindest.

An sich ein guter Start. Aber dann kam die Asylwende

Dabei hat der neue Kanzler aus Sicht Europas einen formidablen Start hingelegt. Seine ersten Reisen gingen nach Paris und Warschau. Dort wurde der Regierungschef mit offenen Armen empfangen, die Hoffnung ist groß, in Berlin nun wieder einen echten Partner zu haben. Auch sein rascher Besuch bei der EU und der Nato war wohl gesetzt, Merz will auch öffentlich zeigen, dass er gewillt ist, in Europa eine Führungsrolle zu übernehmen.

Auf diesem Hintergrund ist sein Auftreten in Sachen Asylwende umso unverständlicher. Merz wollte damit vor heimischem Publikum den ersten großen Punkt machen und sorgt stattdessen für ein Durcheinander. Der neue Kanzler hat versucht, ausgerechnet bei diesem rechtlich komplizierten und emotional aufgeladenen Thema sein großspuriges Auftreten im Wahlkampf irgendwie in Regierungshandeln umzusetzen – und ist mit diesem Alleingang gescheitert.

Merz muss Lehren aus diesem Fehlstart in Europa ziehen. Der neue Kanzler hat betont, dass Deutschland einen kraftvollen Beitrag zum Gelingen des europäischen Projektes beitragen wird. Europa erwartet, dass er dieses Versprechen hält.

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Erstellt:
9. Mai 2025, 16:20 Uhr

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