Keine Fake News!
Experten bestätigen: Großkatze ist in Sachsen-Anhalt unterwegs
Ist am Geiseltalsee in Sachsen-Anhalt ein Raubtier unterwegs? Die Polizei ist bereits auf der Suche. Auslöser ist ein Video, das online verbreitet wurde. Laut Ordnungsamt des Saalekreises könnte es ein Puma sein.

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Das ist keine Fake! An der Marina am Geiseltalsee im südlichen Sachsen-Anhalt ist eine Großkatze gesichtet worden. Die Behörden vermuten, dass es sich um einen Puma handeln könnte.
Von Markus Brauer/dpa
Sie kennen sicher die Redewendung „eine Sau durchs Dorf treiben“. Das Sautreiben ist gerade in der Politik ein beliebtes Kampagnenmittel, um einen nebensächlichen Sachverhalt in übertriebener Weise zu dramatisieren oder ein neues, meist irrelevantes Diskussionsthema hervorzubringen. Letztendlich geht es darum, Aufmerksamkeit zu erheischen und Zustimmung zu erhalten.
Auch in den Medien ist der Umgang mit der Dorfsau ein beliebtes Stilmittel, um einer kurzfristig aktuellen, eigentlich unwichtigen Nachricht eine übertriebene Wichtigkeit zumessen sowie ein Thema aufzubauschen.
Die „Löwin“ von Kleinmachnow
Im August 2023 wurde mal wieder eine ganz dicke Sau durchs Dorf getrieben. Im wörtlichen Sinne. 30 Stunden lang jagten Polizei, Jäger und Tierärzte samt Hubschrauber und Drohnen rund um Kleinmachnow südwestlich von Berlin auf der Suche nach einer freilaufenden Löwin. Die vermeintliche Raubkatze, die durch die Gegend streifen sollte, hatte sich dann aber als Wildschwein herausgestellt.
Ein nur wenige Sekunden langes Handyvideo eines Zeugen hatte ein dubioses Tier gezeigt, dass zwischen Büschen und Bäumen umherschlich. Das Video schätzten die Ermittlungsbehörden als echt ein.
Raubtier in Sachsen-Anhalt gesichtet
Man kann sich ja mal täuschen. Doch jetzt ist schon wieder ein Großkatze auf der Pirsch durchs Unterholz. Dieses Mal das vermeintliche Raubtier am Geiseltalsee im Saalekreis im südlichen Sachsen-Anhalt unterwegs.
Zumindest ist die Polizei in Mannschaftsstärke ausgerückt, um das Raubtier zu suchen und dingfest zu machen. Auslöser ist ein Video, das online verbreitet wurde. Laut der Ordnungsdezernentin des Saalekreises könnte es ein Puma sein.
Hier die Großkatze vom Geiseltalsee. Quelle TikTok pic.twitter.com/TDUUKluMwr — Doktor Dementi (@doktordementi) June 16, 2025
„Vermeiden Sie es, sich in Wiesen und Wäldern aufzuhalten“
Die Großkatze wurde am Freitagabend (13. Juni) im Bereich des Hafens am Geiseltalsee gesichtet, wie das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenschutz in einer Warnmeldung mitteilt: „In Braunsbedra, im Bereich des Hafens, wurde am Freitag in den Abendstunden eine Großkatze gesichtet. Die Behörden sind bereits informiert. Die Polizei überwacht das Gebiet großräumig. Bei Sichtung informieren Sie sofort die Leitstelle für Feuerwehr und Rettungsdienst unter der 112. Nähern Sie sich keinesfalls dem Tier! Vermeiden Sie es, sich in Wiesen und Wäldern aufzuhalten.“
Bei der Suche werden die Einsatzkräfte von einem Hubschrauber unterstützt, wie ein Sprecher des Saalekreises der Nachrichtenagentur mitteilt.
Sprecherin: „Es ist kein Fake!“
Die Bevölkerung wurde über die Warn-App Nina informiert. Ein Anrufer habe den Landkreis am Montag (16. Juni) darüber informiert, dass es ein Video von einem mutmaßlichen Raubtier in den sozialen Medien gebe, erklärt der Sprecher. Der Geiseltalsee ist ein gefluteter Braunkohletagebau und einer der größten künstlichen Seen in Deutschland. Einen Zoo gibt es in Braunsbedra nicht. Woher kommt das Raubtier also?
Die Ordnungsdezernentin des Saalekreises, Sabine Faulstich, warnt: „Es ist kein Fake.“ Also doch keine Sau, die durchs Dorf getrieben wird wie anno 2023 in Berlin. Das Video des Augenzeugen habe man Experten vorgelegt. „Sie haben bestätigt, dass es sich um eine Großkatze handelt.“ Unklar sei aber, was genau. Möglich sei etwa ein Puma.
Eine Großkatze in heimischen Fluren auf der Pirsch
Die „Löwin“ von Kleinmachnow sorgte für große internationale Aufmerksamkeit. Die Aufregung hatteauch eine gute Seite. Denn der Vorfall hatte bundesweit Debatten über den Umgang mit gefährlichen Tieren zur Folge.
Dass eine Großkatze – ob Puma, Löwe, Tiger, Leopard oder Gepard – in heimischen Fluren umherstreift, ist gar nicht so abwegig, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Zwar sind Säbelzahntiger und Höhlenlöwen schon seit einigen Zehntausend Jahren in hiesigen Breiten ausgestorben. Doch es könnte sich tatsächlich um ein entlaufenes Tir aus einem Privatzoo handeln.
Exoten als Haustiere: Ein neuer Trend?
Der Trend, Exoten als Haustiere zu halten, ist nicht neu. Verlässliche und seriöse Zahlen, wie viele von ihnen und welche Arten unter deutschen Dächern leben gibt es nicht. Doch es stellen sich gleich mehrere Fragen: Wie ist die rechtliche Lage? Welche Anforderungen gelten? Wer darf Wildtiere halten?
Darf man in Deutschland Wildtiere halten?
Ja. In Deutschland darf im Prinzip jeder exotische Tiere in den eigenen vier Wänden halten. Eine bundesweit einheitliche Regelung und Pflicht nachzuweisen, dass Exoten artgerecht gehalten werden, gibt es nicht. Es sei denn, es handelt sich um ein artgeschütztes Tier. Dann greift das Washingtoner Artenschutzabkommen, das den Export der Tiere reglementiert.
Welche Arten gelten gilt als „wilde Tiere“?
Was ein „wildes Tier“ ist, definiert das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) in Paragraf 960, Absatz 1 wie folgt: „Wilde Tiere sind herrenlos, solange sie sich in der Freiheit befinden. Wilde Tiere in Tiergärten und Fische in Teichen oder anderen geschlossenen Privatgewässern sind nicht herrenlos.“
Welche Tiere dürfen in Deutschland gehalten werden?
Die Haltung exotischer Tiere ist gesetzlich nur unzureichend geregelt. Offiziell dürfen nur solche Wildtiere gehalten werden, die in der Liste der zulässigen Arten aufgeführt sind. Das gilt sowohl für in Deutschland und der Europäischen Union vorkommende als auch für „exotische“ Wildtiere.
Welche Tiere dürfen nicht gehalten werden?
Dazu gehören alle Walarten, alle Meeresschildkröten, einige Affenarten, einige Bären- und Katzenarten, bestimmte Papageien, Greifvögel, Eulen und Kraniche, verschiedene Landschildkrötenarten, Krokodile sowie mehrere Schlangenarten.
Was ist mit invasiven Arten?
Unter das Haltungsverbot fallen auch solche Arten, die in der EU-Liste invasiver gebietsfremder Tier- und Pflanzenarten aufgeführt sind. Dabei handelt es sich um Arten, die einheimische Arten verdrängen oder Krankheiten einschleppen könnten – wie beispielsweise der amerikanische Biber, der Waschbär und Rotwangen-Schmuckschildkröten.
In der sogenannten Unionsliste invasiver Arten benennt die Europäische Union Tier- und Pflanzenarten, die mit ihrer Ausbreitung Lebensräume, Arten oder Ökosysteme beeinträchtigen und daher der biologischen Vielfalt schaden können. Sie wurde zuletzt im Jahre 2022 von 66 auf 88 Arten erweitert. Darunter sind beispielsweise das Pallashörnchen/Rotbauchhörnchen, der Kleine Mungo, der amerikanische Ochsenfrosch, der Bisam, der Waschbär oder die Kettennatter.
Wann ist eine verbotene Haltung dennoch erlaubt?
Bei einigen dieser Tiere ist die Haltung aber dennoch möglich, wenn die Tiere aus einer Nachzucht stammen. Dann dürfen sie doch von Privatpersonen gehalten werden. Die Halter müssen lediglich einen Herkunftsnachweis vorlegen und jeden Kauf und Verkauf der Naturschutzbehörde melden.
Was gilt in den einzelnen Bundesländern?
Die gesetzlichen Mindestanforderungen für die Haltung von Tieren jedweder Art sind in Deutschland durch die Bundesartenschutzverordnung und das Tierschutzgesetz geregelt. Wie diese Verordnungen durch die zuständigen Behörden ausgelegt und kontrolliert werden, ist von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich.
In welchen Bundesländern ist die Tierhaltung „strenger“ geregelt?
Die Auslegung der Bundesartenschutzverordnung ist in Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen strenger geregelt als in den übrigen Bundesländern.
Die Haltung von Tieren, die aufgrund ihrer Größe, Kraft oder ihres Gifts für Menschen gefährlich sind, ist entweder verboten oder die Halter müssen nachweisen, dass sie wissen, wie mit den Tieren umzugehen ist. Außerdem müssen sie nachweisen, dass sie die Exoten artgerecht halten können.
Wo ist die Tierhaltung „lockerer“ geregelt?
Nicht ganz so streng ist man bezüglich des Tierschutzes und der Tierhaltung in Baden-Württemberg, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Dort gibt es weniger weitreichende Regelungen als in den „strengeren“ Bundesländern.
Wie steht es um ein Verbot der Haltung von Exoten?
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und einige EU-Staaten fordern genauso wie Tierschutzorganisationen ein generelles Verbot der privaten Haltung exotischer Tieren. Sie wollen eine Positivliste mit geschützten Tieren einführen, die man im privaten Besitz nicht halten darf.
Nur Tiere, die auf dieser Liste zu finden sind, dürfen dann noch gehalten werden. Frankreich, Belgien oder die Niederlande besitzen eine solche Liste bereits.
Wie steht es um die Haftung?
Wer sich ein Wildtier anschaffen möchte, sollte die Haftung bedenken. Prinzipiell haften Tierbesitzer für ihre tierischen Schützlinge. Das gilt laut Paragraf 833 BGB für jedes Tier, egal ob Hund, Katze oder Exoten.
Nach Paragraf 833 BGB haften Tierhalter für alle Schäden, die durch ihre Tiere verursacht werden. Hält man das Tier illegal oder ohne behördliche Genehmigung, kann dies eine hohe Strafe nach sich ziehen. Wer zum Beispiel einen Igel ohne Grund der Natur entnimmt, muss ein Bußgeld bis zu 50.000 Euro zahlen.
Und: Wer zur Miete wohnt, ist grundsätzlich verpflichtet, den Vermieter vor der Anschaffung eines jeden Tieres um Erlaubnis zu fragen.
Was sind die Voraussetzungen für die Haltung eines Wildtieres?
Wer Wildtiere halten möchte, benötigt eine artenschutzrechtliche Erlaubnis, den Nachweis von Fachkenntnissen sowie ausreichend Platz für eine artgerechte Haltung. Ausgestellt wird diese Erlaubnis vom zuständigen Landesamt.
Damit ein geschütztes Tier gehalten werden kann, muss der Halter demnach:
- ausreichende Kenntnisse über Haltung und Pflege der Tiere haben
- über geeignete Gehege verfügen
- sicherstellen, dass die Tiere nicht entlaufen
- gewährleisten, dass die Haltung tierschutzrechtlichen Vorschriften entspricht
- den Artenschutz berücksichtigen
Wie viele Wildtiere werden in Deutschland gehalten?
Noch immer gibt es Raubtiere wie Pumas, Löwen, Tiger oder Leoparden in privater Hand. Die genaue Zahl der Wildtiere ist jedoch kaum zu ermitteln, da sehr viele Tiere illegal importiert und auf dem Schwarzmarkt erworben werden. Ein effektive Kontrolle ist deshalb kaum möglich.
Wie hoch ist die Dunkelziffer der privat gehaltenen Großkatzen?
Nach Angaben der Tierschutzorganisation Peta ist die Dunkelziffer bei privat gehaltenen Tieren, die unter Artenschutz stehen, hoch. Auch wenn es sich bei Großkatzen vermutlich eher um Einzelfälle handle, weil große Tiere wie Tiger und Löwen schlecht versteckt werden könnten.
Laut Florian Eiserlo, Leiter der Wildtierauffangstation der Tierschutzorganisation Vier Pfoten im niedersächsischen Rastede, gibt es „mindestens 15 Großkatzen in Privathaltung, dazu kommen Pumas, Leoparden und Gepards.“ Die Halter von Klein- oder Großkatzen, die nicht so auffällig wie Löwen oder Tiger seien – zum Beispiel Leoparden, Puma, Geparden - meldeten ihre Tiere oft nicht an. „Der Handel und der Transport sind wesentlich einfacher“, erklärt Eiserlo.