Keine Lerchen in den Lerchenäckern

Absperrbänder an Pflöcken sollen Ansiedlung der Vogelart verhindern – Konstruktion bleibt bis in den Herbst

Seit ein paar Tagen ist ein dichtes Netz an Absperrbändern im dritten Erweiterungsabschnitt des Industriegebiets Lerchenäcker weithin sichtbar. Doch es steckt weder Grundstücksgrenzen ab, noch dient es Vermessungszwecken oder Ähnlichem. Die Flatterbänder sollen eine Ansiedlung von Feldlerchen verhindern. Wenn die Vogelart auf einer der Flächen brütet, kann das Land nicht bebaut werden.

Soll verhindern, dass sich Lerchen willkommen fühlen: Ein großflächiges Netz an Absperrbändern, das zwischen Pflöcke gespannt ist. Foto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Soll verhindern, dass sich Lerchen willkommen fühlen: Ein großflächiges Netz an Absperrbändern, das zwischen Pflöcke gespannt ist. Foto: A. Becher

Von Nicola Scharpf

BACKNANG. Die Feldlerche ist ein early bird. Frühmorgens startet sie in den Tag. Denn bekanntlich fängt der frühe Vogel den Wurm beziehungsweise – wie im Falle des neu erschlossenen, dritten Teils des Industriegebiets Lerchenäcker – schnappt sich das beste Baugrundstück. Aber die Vogelart gehört nicht zur Zielgruppe. Auch wenn der Name Lerchenäcker ihr das vielleicht fälschlicherweise suggeriert. Angelockt werden sollen vielmehr Unternehmen, die sich die Lerchenäcker als Standort für ihre Betriebe aussuchen.

Im letzten Erweiterungsabschnitt des interkommunalen Industrie- und Gewerbegebiets der Stadt Backnang und der Gemeinde Aspach stehen momentan acht von insgesamt zehn Hektar Fläche zur Vermarktung an, sagt Backnangs Wirtschaftsförderer Ralf Binder. Und wer kauft, der will das Grundstück auch bebauen. Diesen Plan würde eine brütende Lerche durchkreuzen: Hat der Vogel ein Fleckchen zur Aufzucht seiner Jungen auserkoren, darf die Fläche nicht bebaut werden. „Man muss sicherstellen, dass sich geschützte Arten nicht ansiedeln“, sagt Binder. Das rot-weiße Absperrband, zwischen Pflöcken großflächig gespannt, soll verhindern, dass sich die Feldlerche in den Lerchenäckern willkommen fühlt. Bis in den frühen Herbst bleibt das präventive Netz an Flatterbändern bestehen, so Binder.

Die Maßnahme, die Vögel zu vergrämen, ist sicherlich berechtigt, waren die neu erschlossenen Industrieflächen doch vorher Ackerland. Und das zählt zu den Lieblingsplätzen der bodenbrütenden Feldlerche. Ihrem Namen entsprechend bevorzugt sie die offene Weite, charakterisiert der Naturschutzbund (Nabu) den Vogel, den er zum Vogel des Jahres 2019 ausgewählt hat. Die Feldlerche sucht sich ebene Landschaften oder flache und sanft geschwungene Hügel, während sie steile Hanglagen meidet. Auch von Waldrändern oder Hecken hält sie einen gewissen Mindestabstand. Der optimale Neststandort für die Bodenbrüterin ist bewachsen und nicht zu dicht bedeckt – beste Voraussetzungen auch für den Nachwuchs, der an den 30 Tagen bis zur Selbstständigkeit im geschützten Umfeld Flugversuche unternimmt.

Brachflächen wie im Erweiterungsabschnitt der Lerchenäcker sind für die Feldlerche, die gerne das Gebiet aus der vorherigen Brutsaison wieder annimmt, optimal, sagt Reinhard Buhl von der Aspacher Nabu-Ortsgruppe. „Das ist das Beste, was es überhaupt gibt für sie.“ Dass Absperrbänder die Ansiedlung der Lerche verhindern sollen, hören sowohl Buhl als auch sein Vereinskollege Klaus Gogel zum ersten Mal. „Ich kenne das nicht und sehe es zum ersten Mal“, sagt Gogel. „Ich könnte mir vorstellen, dass es funktioniert“, schätzt Buhl die Maßnahme ein. Nach Auskunft des Vogelexperten, der beim Nabu Aspach das Projekt „Lerchenfenster“ betreut, kehren die Lerchen in den nächsten zwei bis drei Wochen aus dem Süden in hiesige Gefilde zurück. Die Lerche brütet dann ab Mitte/Ende April. Die Zweitbrut ist gegen Mitte/Ende Juli abgeschlossen, steckt Buhl den zeitlichen Rahmen ab, in dem kein Bagger anrücken sollte, weil er sonst das Gelege zerstören könnte.

Die Markierung mit Absperrband ist nur ein Mittel, mit dem man dem Naturschutz Rechnung trägt. Bereits angelegt ist laut städtischem Wirtschaftsförderer ein Habitat für Zauneidechsen. Binder vermutet außerdem, dass weitere Maßnahmen, die dem Ausgleich dienen, folgen werden.

Für das Gewerbegebiet Lerchenäcker gebe es einen rechtmäßigen Bebauungsplan, heißt es seitens des Landratsamts Rems-Murr. In die Planung sei das Umweltschutzamt als Träger öffentlicher Belange involviert gewesen. Der Artenschutz, speziell für die Feldlerche, sei in diesem Bebauungsplan berücksichtigt worden. Für die Brutpaare der Feldlerche, die im Areal des Gewerbegebiets bisher gebrütet haben, wurden im Umfeld, in der Feldflur, Maßnahmen ergriffen, die es den Tieren ermöglicht, zukünftig dort zu brüten: Dazu werden pro Brutpaar 2000 Quadratmeter Buntbrachen angelegt (ungenutzte Flächen mit verschiedenen Kräutern und Gräsern) und in bestehenden Ackerflächen Feldlerchenfester angelegt. Diese dienen dazu, innerhalb eines Felds kleine, anfliegbare Lücken zu schaffen, wo die Art brüten oder nach Nahrung suchen kann.

„Damit die Feldlerchen das Gewerbegebiet auch tatsächlich meiden und die Ausgleichsflächen benutzen, haben wir die Flatterbänder angebracht. Das ist rechtlich zulässig, da die Ersatzflächen ja bereits bestehen. Und es ist notwendig, damit ganzjährig ein Baubeginn erfolgen kann. Andernfalls müsste die Brutsaison von März bis August abgewartet werden“, so Leonie Ries, Pressesprecherin des Landratsamts.

Der frühe Vogel fängt den Wurm: Damit die Feldlerche in den Lerchenäckern nicht zuerst da ist und Kunden aus der Industrie ihre Grundstücke nicht bebauen können, will man ihre Ansiedlung verhindern. Foto: Naturschutzbund

Der frühe Vogel fängt den Wurm: Damit die Feldlerche in den Lerchenäckern nicht zuerst da ist und Kunden aus der Industrie ihre Grundstücke nicht bebauen können, will man ihre Ansiedlung verhindern. Foto: Naturschutzbund

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Erstellt:
21. Februar 2019, 06:00 Uhr

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