Keine Mehrheit für Häuser auf Stelzen in Auenwald

Rauchversuch in Unterbrüden stellt fest: Kaltluftschneise ist gar keine. Zwei Bauplätze können nun nach jahrelangem Hin und Her bebaut werden.

Das Baugebiet Stockrain im Norden von Unterbrüden. Foto: privat

Das Baugebiet Stockrain im Norden von Unterbrüden. Foto: privat

Von Florian Muhl

Auenwald. Häuser auf Stelzen? „Prinzipiell ein guter Vorschlag“, bescheinigte Bauamtsleiter Pierre Mayer dem Antragsteller Gerhard Seiter in der jüngsten Gemeinderatssitzung. Trotzdem. Die Idee des Rats der Unabhängigen Wählergemeinschaft (UWA) wurde niedergebügelt. Seiter hatte in Markus Bäßler (ebenfalls UWA) nur einen Mitstreiter. Bürgermeister Kai-Uwe Ernst zählte bei der Stelzenabstimmung 14 Nein-Stimmen sowie eine Enthaltung.

Es ging doch nur um zwei Bauplätze – warum wird dann seit vielen Jahren so ein großes Tamtam um deren Bebauung veranstaltet, mag sich mancher denken. Ziel jeder Kommune ist es doch, Baulücken zu bebauen. Aber die Lage der Grundstücke ist heikel. Sie liegen genau auf dem Grünzug, der viele Jahre als Kaltluftschneise ausgewiesen war und deshalb frei von jeglicher Bebauung gehalten wurde.

Prämisse war, die Kaltluftschneise frei zu halten

Es geht um das Baugebiet Stockrain im Norden von Unterbrüden, das vor fast 30 Jahren (1994) umgesetzt worden ist. „Damals mit der dringenden Prämisse, die Kaltluftschneise vom Wald bis zum Ortskern wegen des dringenden Luftaustausches auf Dauer freizuhalten“, sagt Seiter. „Lange Zeit hielt dieses Gebot, das übrigens auch als Pflanzbindungsgebot im Bebauungsplan festgebunden war“, so der UWA-Rat weiter. Dann sei vor etwa zehn Jahren die Bebauung Lugstraße mit dem Kompromiss auch von der UWA mitgetragen worden, dass der obere Bereich nicht bebaut wird.

Aber die Fakten haben sich geändert. „Wir haben eine geländeklimatische Beurteilung vom 8. Oktober 2010, die sagt, da gibt es eine Kaltluftschneise, wir haben einen Rauchversuch vom 2. November 2010, der sagt, da gibt es keine, und wir haben einen Rauchversuch vom 29. August 2019, der auch sagt, es gibt keine“, so der Bauamtsleiter Pierre Mayer in der Sitzung. Die Ergebnisse des letzten Rauchversuchs fasst Jochen Roos vom Backnanger Planungsbüro Roosplan, das die Pläne für die Bebauungsplanänderung erstellt hatte, so zusammen: „Die Untersuchungen von 2010 und 2019 kommen zu dem gleichen Ergebnis, nämlich dass die auf den nördlich des gesamten Baugebiets liegenden Wiesenflächen entstehende Kaltluft größtenteils nach Westen abfließt und zu einem kleinen Teil südlich in das Baugebiet einsickert und dort über die Eichendorffstraße abgeleitet wird.“ Will heißen: Die vermeintliche Kaltluftschneise ist gar keine Kaltluftschneise, weil dort nur minimal Kaltluft abfließt.

Platz für ein Einfamilienhaus oder zwei Doppelhaushälften in der Baulücke

Mit diesem Ergebnis im Rücken ging jetzt Bürgermeister Ernst wieder ins Rennen. Ziel der Bebauungsplanänderung ist es, weiteres Potenzial im Innenbereich zu nutzen. In der Baulücke an der Eichendorffstraße soll ein Einfamilienhaus oder sollen zwei Doppelhaushälften entstehen können. Der Gemeinderat hatte bereits 2018 den Aufstellungsbeschluss gefasst und im selben Jahr gab es eine frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit. Im vergangenen Jahr wurde das Verfahren wieder aufgegriffen und der Auslegungsbeschluss gefasst.

Die eingegangenen Stellungnahmen, darunter auch kritische von Anwohnern, nahm die Gemeindeverwaltung zur Kenntnis und wies unter anderem auf die umfangreichen Habitatuntersuchungen und Ausgleichsmaßnahmen sowie den Kaltrauchversuch hin. „Von einer Unterbrechung des Kaltluftstroms durch die Neubebauung kann nicht ausgegangen werden, da die nördlich gelegenen Kaltluftproduktionsflächen so mächtig sind, dass die bestehenden Wohnflächen weiterhin ausreichend mit Frisch- und Kaltluft versorgt werden“, heißt es in der Stellungnahme der Gemeindeverwaltung.

Bei den Messungen handelt es sich um ein bewährtes Verfahren

Ein ergänzend zu der öffentlichen Auslegung veranstalteter runder Tisch in diesem Monat mit den unmittelbar betroffenen Nachbarn ergab „keine weitere Notwendigkeit, die Festsetzungen zu ändern“, zog Bürgermeister Ernst ein Fazit.

Seiter äußerte seine Zweifel an der korrekten Durchführung des Rauchversuchs. Daraufhin Ernst: „Die Messungen hat ein Ingenieurbüro übernommen, die Mitarbeiter sind geschult und es handelt sich um ein bewährtes Verfahren.“ Dem UWA-Rat blieb letztlich nichts anderes übrig, die für ihn bittere Pille zu schlucken. Er präsentierte einen Kompromissvorschlag. Wenn schon eine Bebauung an dieser Stelle, dann eine platz- und klimaschonende Nachverdichtung, sagte er sich. So kam Seiter auf die Idee, das geplante Haus oder Teile davon auf Stelzen zu stellen. Das biete in Zeiten des Klimawandels mehrere Vorteile: Die Be- und Entlüftung der problematischen Umgebungsbebauung wäre gelöst, durch den geringeren Platzbedarf, weil beispielsweise Autos unter dem Haus zwischen den Stelzen stehen würden, wären keine oder weniger Nebenbauten notwendig und die Bauweise aus Holz wäre weitestgehend CO2-neutral. Seiter wertete seinen Vorschlag als „Vorzeigemodell für die Gemeinde Auenwald für modernes und nachhaltiges Bauen“.

Im Baugebiet sind nur Gebäude mit maximal zwei Geschossen möglich

„Wir sprechen dann von einem komplett neuen Verfahren, wenn das so umgesetzt werden sollte“, sagte Bürgermeister Ernst. Und Bauamtsleiter Mayer gab zu bedenken: „Wir gehen hier in eine Baulücke in einem bebauten Gebiet, das relativ einheitlich dasteht. Wir haben hier zwei Geschosse vorgeschrieben und wollen eins kaputtmachen.“ Die maximale Traufhöhe von 3,80 Meter lasse sich dann gar nicht einhalten.

Letztlich wurde der geänderte Bebauungsplan Stockrain II mit 13 Jastimmen und zwei Neinstimmen (Gerhard Seiter und Markus Bäßler, beide UWA) bei zwei Enthaltungen (Tanja Aberle und Erich Gruber, beide UWA) beschlossen.

Seiter zeigte sich am Ende der Sitzung enttäuscht, nicht nur von der Gemeindeverwaltung, sondern auch von seinen Ratskollegen: „In Auenwald ist leider die Klimaerwärmung nicht annähernd angekommen.“

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Erstellt:
23. März 2023, 06:00 Uhr

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