Keine Zeit zum Älterwerden
Oberbürgermeister seiner Heimatstadt Stuttgart zu werden, war Frank Noppers Traum, vor vier Monaten hat er sich erfüllt. Heute feiert der ehemalige Backnanger OB seinen 60. Geburtstag. Wir haben ihn im Stuttgarter Rathaus getroffen.

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Angekommen in der Großstadt: Oberbürgermeister Frank Nopper auf dem Stuttgarter Schlossplatz. Persönliche Begegnungen mit der Bürgerschaft sind wegen Corona bis jetzt allerdings noch rar. Fotos: Stadt Stuttgart/Lichtgut/L. Piechowski
Von Kornelius Fritz
STUTTGART/BACKNANG. Dass er jetzt in einer anderen Liga spielt, merkt Frank Nopper schon, wenn er die Tür zu seinem Amtszimmer öffnet. In Backnang brauchte der OB nur hindurchzugehen, schon stand er vor seinem Schreibtisch. Jetzt muss er erst mal einen Fußweg von etwa zehn Metern über ein tanzsaalartiges Parkett hinter sich bringen, um seinen Arbeitsplatz zu erreichen. Zum Gespräch mit der Presse bittet Nopper zu einer Sitzgruppe mit schweren, schwarzen Ledersesseln, die in weitem Abstand gestellt sind, in der Mitte steht auf einem Glastisch ein Strauß weißer Rosen – die Insignien der Macht werden in der Landeshauptstadt ganz anders zur Schau gestellt als im eher bescheidenen Ambiente des Backnanger Rathauses.
Auf den OB hat das feudale Umfeld aber nicht abgefärbt: Frank Nopper ist so, wie man ihn kennt. „Was gibt’s Neues in Backnang?“, will er wissen. Die Entwicklungen an seiner alten Wirkungsstätte verfolgt er nach wie vor mit Interesse. Für den Besuch der BKZ hat er extra die gestreifte Krawatte des Städtischen Blasorchesters angezogen.
Nopper ist keiner, der Wert auf Statussymbole legt: Obwohl er jetzt einen persönlichen Fahrer hat, fährt er meistens selbst zur Arbeit oder nimmt die S-Bahn. Das Mobiliar in seinem Büro hat er weitgehend von seinem Vorgänger Fritz Kuhn übernommen. Neu sind die Fahnen hinter dem Schreibtisch: Neben dem schwarz-gelben Stuttgarter Banner mit dem „Rössle“ stehen dort die Flaggen von Baden-Württemberg, Deutschland und der EU. Nopper hat ein Faible für Fahnen: Schon in Backnang zierten sie sein Büro.
Der OB kann sich nicht mehrbei jedem Thema auskennen.
Seit knapp vier Monaten ist der gebürtige Stuttgarter nun Oberbürgermeister der Landeshauptstadt. Ein Kindheitstraum sei in Erfüllung gegangen, hat er nach seiner Wahl im vergangenen November gesagt. Aber ist das neue Amt tatsächlich so schön, wie er es sich ausgemalt hat? „Es ist das höchste kommunalpolitische Amt in Baden-Württemberg und für mich als Ur-Stuttgarter nach wie vor ein Traumamt. Allerdings ist es auch mit viel harter Arbeit verbunden“, sagt der OB. 13-Stunden-Tage waren seit dem Amtsantritt Anfang Februar normal – und das obwohl viele Veranstaltungen und Termine, an denen ein Oberbürgermeister üblicherweise teilnimmt, wegen Corona zurzeit gar nicht stattfinden. Es war ein Start ohne Schonzeit. Amerikanischen Präsidenten werde üblicherweise eine Frist von 100 Tagen zur Einarbeitung gewährt, ehe man ihre Leistung beurteilt. Davon habe er in seinem Fall nichts gespürt, sagt Nopper: „Man wird ins kalte Wasser gestoßen und alle erwarten, dass man gut und gekonnt darin schwimmt.“
Dabei bedeutete der Wechsel von der Großen Kreisstadt in die Landeshauptstadt mit mehr als einer halben Million Einwohnern eine große Umstellung. Wusste Nopper in Backnang noch über alle wichtigen Themen der Stadtpolitik persönlich Bescheid, so musste er in Stuttgart bald erkennen, dass das schon aus Zeitgründen unmöglich ist. „Manche Themen muss ich den Beigeordneten überlassen“, sagt der Verwaltungschef, der in Stuttgart von gleich sieben Fachbürgermeistern und 17 hauptamtlichen Bezirksvorstehern unterstützt wird. Am Ende wird allerdings trotzdem der OB für alles verantwortlich gemacht. Eine Erfahrung, die Nopper zum Beispiel nach der aus dem Ruder gelaufenen Querdenkerdemo am Karsamstag machen musste. Sie zu genehmigen, war die Entscheidung des Ordnungsbürgermeisters, die öffentlichen Prügel kassierte allerdings der OB. Frank Nopper kann damit umgehen. Manchmal würden ihm dafür auch positive Dinge zugeschrieben, für die er nichts könne, sagt er und lacht sein breites Nopper-Lachen.

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Frank Nopper an seinem neuen Arbeitsplatz im Stuttgarter Rathaus. Wie schon in Backnang hat er hinter seinem Schreibtisch die Fahnen von Stadt, Land, Bund und EU aufstellen lassen.
Für den Job eines Oberbürgermeisters gibt es keine Stellenbeschreibung. Wie er seine Rolle interpretiert, muss Frank Nopper für sich selbst definieren. Seit er im Amt ist, bitten ihn unterschiedlichste Initiativen und Interessengruppen um Unterstützung für ihre Ideen und Projekte – von der Rettung des Metropol-Kinos bis zur Errichtung eines Denkmals fürs „Äffle und Pferdle“. Auf der Straße sprechen ihn die Leute auch auf eine Straßensperrung in Rohracker oder den schlechten Zustand des Alten Rathauses von Sillenbuch an. Die Bürger erwarteten, dass sich ein OB auch um die kleinen Dinge kümmert, glaubt Nopper. Dass er schon in der Zeitung lesen musste, er mache Nichtigkeiten zur Chefsache, nimmt er dafür in Kauf.
Frank Nopper möchte in Stuttgart Aufbruchsstimmung verbreiten – und das in einem Alter, in dem andere bereits an den Ruhestand denken. Dass bei ihm jetzt eine Sechs vorne steht, ist für ihn kaum der Rede wert: „Mein Geburtstag ist mir nicht besonders wichtig und 60 ist heute ja kein Alter mehr“, sagt der OB, der sich selbst als „Ruhestandsverweigerer“ bezeichnet. Bislang spüre er jedenfalls keinerlei Einschränkungen seiner Leistungsfähigkeit. „Außerdem bin ich ja erst mit 32 Jahren richtig ins Berufsleben gestartet. Da kann man doch erwarten, dass ich noch ein bisschen durchhalte.“
Statt Geburtstagsfeier plant Noppereine Bustour durch Stuttgart.
Dass es wegen Corona keinen großen Geburtstagsempfang für ihn geben wird, macht den OB nicht allzu traurig. Stattdessen will Frank Nopper heute zusammen mit seiner Frau in einem Sonderbus mit der Nummer 60 verschiedene Stationen in Stuttgart abfahren – von der Suppenküche über das Klinikum bis zur Kläranlage – um den städtischen Mitarbeitern dort eine kleine Geburtstagsüberraschung vorbeizubringen. Am Abend ist dann noch eine kleine Feier im engsten Familienkreis geplant.
Nopper hat auch nicht vor, das große Fest später noch nachzuholen. Dafür freut er sich auf eine andere Feier: Ende Juli soll ihm, wenn Corona es erlaubt, in Backnang die Ehrenbürgerwürde verliehen werden. Dann wird auch ein gemaltes Porträt des Ex-Oberbürgermeisters enthüllt. Am Samstag wird er dafür der Hamburger Künstlerin Caroline von Grone Modell sitzen. Frank Nopper findet das eine „großartige Tradition“. Eine, die in Stuttgart übrigens schon vor langer Zeit abgeschafft wurde: Dort werden die Ehrenbürger nur noch mit Fotografien im Rathaus verewigt.
Zumindest als Gemälde bleibt Frank Nopper der Stadt, die er zur Murr-Metropole erhoben hat, also erhalten, auch wenn er seine Zelte hier bald abbricht. Anfang Juni wird er mit seiner Familie aus dem gemieteten Haus in Maubach ausziehen und in die Wohnung im Stuttgarter Osten zurückkehren, in der er bereits vor seiner Backnanger Zeit gewohnt hat. Im Gegensatz zu seinem Amtszimmer wird sich Nopper durch diesen Umzug jedoch räumlich verkleinern.