Kindergartengebühr in Backnang steigt um 3,9 Prozent

Die Erhöhung bringt der Stadt Backnang Mehreinnahmen von etwa 300.000 Euro. Janocha: „Anhebung ist angemessen.“ Einige Stadträte monieren die Mehrbelastung von Familien in Zeiten hoher Inflation und gestiegener Energiepreise, andere zeigen Verständnis für die Stadt.

Weil es nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein soll, ob und in welcher Form ein Kinderbetreuungsangebot in Anspruch genommen wird, gibt es in Backnang als soziales Steuerungsinstrument den Familien- und Kulturpass.Foto: Robert Kneschke/stock.adobe.com

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Weil es nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein soll, ob und in welcher Form ein Kinderbetreuungsangebot in Anspruch genommen wird, gibt es in Backnang als soziales Steuerungsinstrument den Familien- und Kulturpass.Foto: Robert Kneschke/stock.adobe.com

Von Matthias Nothstein

Backnang. Trotz der aktuell schwierigen Zeit und ungeachtet der großen Belastung von Familien durch die Rekordinflation erhöht die Stadt Backnang die Kindergartengebühren um 3,9 Prozent. Diese Anhebung, die Erster Bürgermeister Siegfried Janocha als angemessen bezeichnete, bringt der Stadt Mehreinnahmen von etwa 300.000 Euro. Die Entscheidung fiel den Stadträten nicht einfach, was auch das Abstimmungsergebnis widerspiegelt: Es gab zwar 17 Jastimmen für die Gebührenerhöhung, aber auch fünf Neinstimmen und immerhin vier Enthaltungen.

Die Stadtverwaltung betonte, dass sie versucht habe, die Belastung abzumildern. So wurde die Erhöhung nicht wie vorgeschlagen zum 1. September vollzogen, sondern erst zum 1. Januar 2023. Zudem verwies sie auf den Backnanger Familien- und Kulturpass, durch den es zu keinen unangemessenen sozialen Härten komme. Zudem hätten Empfänger von Transferleistungen Anspruch auf vollen Kostenersatz durch das Kreisjugendamt. Auch werde durch die Einführung eines flexibleren Angebots bei Ganztagesbetreuungsplätzen zusätzlich für eine Entlastung der Eltern gesorgt. Und von welchen Beträgen sprechen wir? Für ein Kind in einer Gruppe mit einer verlängerten Öffnungszeit und einer täglichen Nutzung beträgt die Erhöhung fünf Euro pro Monat.

Stadträte sparen nicht mit Kritik

Trotzdem gab es Kritik. So monierte Volker Dyken (Backnanger Demokraten), dass die Gebühren zum vierten Mal in Folge angehoben werden, „aber in diesem Jahr ist die Situation besonders dramatisch“. Bei zehn Prozent Inflation würden viele Menschen nicht mehr weiterwissen. Dyken kritisierte einen Stadtratskollegen, der einmal gesagt hatte, die Stadt solle nicht das Sozialamt sein: „Falsch. Die öffentliche Hand hat jetzt die Aufgabe, die Menschen überall da zu entlasten, wo sie es kann. Daher erhalte ich eine weitere Erhöhung, egal wie hoch sie sein mag, für unangebracht.“ Oberbürgermeister Maximilian Friedrich konterte, die Stadt subventioniere im Durchschnitt jeden Kitaplatz mit 8.000 Euro, „man kann uns sicher nicht vorwerfen, dass wir nicht angemessen unterstützen würden“.

Unterstützung erhielt Dyken von Steffen Siggi Degler (AfD), der erklärte: „Wir leben in Zeiten, in denen Bevölkerungsgruppen im mittleren oder unteren Lohnsektor nicht wissen, wie sie ihre Heizung bezahlen sollen.“ Ferner sagte er: „Kinder sind unsere Zukunft. Wenn wir Anreize schaffen, keine Kinder mehr zu bekommen, erreichen wir genau das Gegenteil.“

Friedrich verwies auf „vielfältige Instrumente“, mit denen Menschen der unteren Einkommensgruppe entlastet werden. Die Verteuerung beim Wohnen, die Degler angesprochen hatte, solle etwa durch eine große Wohngeldreform abgefedert werden. Und so fragte Friedrich: „Warum sollen wir diese Erhöhung nicht vornehmen, wenn wir eine soziale Steuerung haben? Warum sollen Menschen wie ich nicht 3,9 Prozent mehr bezahlen?“ Friedrich warf Degler „einen gewissen Widerspruch“ vor, wenn dieser einerseits der Stadt bei den Haushaltsplanungen vorwarf, die Stadt Backnang würde über ihren Verhältnissen leben, aber gleichzeitig diese Form der gemäßigten und sozial verträglichen Einnahmenerhöhung ablehne.

Franke stimmte „ohne Begeisterung“ für die Erhöhung

Heinz Franke (SPD) erinnerte daran, dass die meisten Kommunen einen höherer Kostendeckungsgrad hätten als Backnang und dass gleichzeitig auch das Kindergeld auf 250 Euro pro Monat steigen würde. Insofern stimmte er „ohne Begeisterung“ für die Erhöhung, die oft nur drei oder vier Euro im Monat ausmache. Grundsätzlich forderte er die Einführung der einkommensabhängigen Gebühren, „damit wir ein faireres Verhältnis der Kostenverteilung haben“.

Ute Ulfert (CDU) sprach ebenfalls von einer „moderaten Anpassung“ und betonte, das Amt für Familie, Jugend und Bildung solle auf persönliche Notlagen achten und eine flexible Lösung finden. Fraktionskollege Rolf Hettich erinnerte daran, dass irgendjemand die Kosten einmal bezahlen müsse: Wenn die Erhöhung jetzt nicht komme, „dann müssen es irgendwann einmal die Kinder, die jetzt im Kindergarten sind, bezahlen“.

Aufwendungen der Stadt steigen zwischen 2020 und 2022 jährlich um zwei Millionen Euro

Empfehlung Die Entgelte für die städtischen Kindertageseinrichtungen werden in Backnang immer in Anlehnung an den Landesrichtsatz erhoben. Dieser Richtsatz ist eine Empfehlung der kommunalen Landesverbände und der Kirchen in Baden-Württemberg zur Höhe der Elternbeiträge. Und die haben sich im Juni für eine Erhöhung der Elternbeiträge von 3,9 Prozent für das Kitajahr 2022/2023 ausgesprochen. Die Gebührenerhöhung fällt damit zwar höher aus als in den Jahren zuvor, aber sie bleibt deutlich hinter der Entwicklung der tatsächlichen Kostensteigerung zurück. Damit möchten die Verantwortlichen den Auswirkungen der Pandemie und des Ukrainekrieges auf die Einrichtungen und Elternhäuser gerecht werden. Aber auch die Städte leiden der hohen Inflation, der Energiekrise und den gestiegenen Personalkosten.

Kostensteigerung In Backnang sind die Aufwendungen für die Kindertagesbetreuung in den Jahren 2020 bis 2022 um je zwei Millionen Euro gestiegen. Für 2023 werden enorme Kostensteigerungen erwartet. Zu diesen hohen Kosten hat auch der Ausbau der Kitaplätze beigetragen. Von 2020 bis 2023 werden und wurden 15 zusätzliche Gruppen einschließlich der Klein- und Spielgruppen sowie des neuen Tageselternhauses eingerichtet. Allein diese Gruppen sorgen für weitere jährliche Betriebskosten oder Zuschüsse von zwei Millionen Euro.

Kostendeckung Die tatsächliche Kostendeckung liegt in Backnang für 2022 bei knapp elf Prozent und bleibt damit weit unter dem Ziel der Verbände, mit dem Richtsatz einen Kostendeckungsgrad in Baden-Württemberg von 20 Prozent durch Elternbeiträge anzustreben.

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Erstellt:
7. Dezember 2022, 11:30 Uhr

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