Kindergartengebühren steigen moderat

Seit Jahresbeginn müssen die Eltern im Schnitt 1,9 Prozent mehr für die Betreuung ihrer Kinder in den verschiedenen Backnanger Kindertageseinrichtungen bezahlen. Zwölf Stadträte stimmen der Erhöhung zu, sechs sind dagegen, acht enthalten sich.

Die Kosten für die städtischen Kindergärten steigen ständig, unter anderem auch durch Investitionen wie etwa für den Garten der Kita Heimgarten. Er wurde im Sommer vergangenen Jahres neu angelegt. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Die Kosten für die städtischen Kindergärten steigen ständig, unter anderem auch durch Investitionen wie etwa für den Garten der Kita Heimgarten. Er wurde im Sommer vergangenen Jahres neu angelegt. Foto: A. Becher

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. Die Kindergartengebühren steigen ab 1. Januar diesen Jahres um 1,9 Prozent. Für Regine Wüllenweber, die Leiterin des Amts für Familie, Jugend und Bildung, handelt es sich dabei um eine moderate Erhöhung. Sie rechnet vor: Für ein Kind in einer Einrichtung mit verlängerten Öffnungszeiten und einer täglichen Betreuungszeit von sechs Stunden handelt es sich um eine Erhöhung um zwei Euro pro Monat. Trotzdem stimmten nur zwölf Stadträte dafür, sechs dagegen, acht enthielten sich.

Die Kommunalen Landesverbände und die Kirchen als Träger von Kindergärten und Kitas vertreten bei der Frage der Kindergartengebühren eine pragmatische Lösung: 20 Prozent der Kosten sollen über die Gebühren von den Eltern erwirtschaftet werden. Soweit die Theorie. In der Praxis ist die Stadt Backnang ebenso wie die allermeisten Kommunen meilenweit entfernt von diesem Wert. Im Jahr 2019 waren es zum Beispiel nur 11,7 Prozent. Und nun sinkt die Quote trotz der beschlossenen Gebührenerhöhung weiter auf 10,22 Prozent. Der Grund hierfür ist, dass die Kosten noch stärker steigen als die Gebühren. Die Gebührenerhöhung spült aber immerhin zusätzliche 41000 Euro in den städtischen Haushalt. Ohne diesen Betrag läge die Quote nur hauchdünn über der 10-Prozent-Marke.

Nur 21 Prozent aller Eltern gehören zur höchsten Gebührenstaffel.

Die Gründe, weshalb in Backnang nur knapp über zehn Prozent der Kosten mit den Elterngebühren erwirtschaftet werden, hängt von vielen Faktoren ab. So listete Wüllenweber in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats auf, dass es im Krippenbereich noch deutlich günstigere Tarife gibt. Würde man dort die empfohlene Quote einfordern, so ergäbe sich eine Verdreifachung der Elterngebühren. Wüllenweber verwies auch auf familienfreundliche Vergünstigung für Mehrkindfamilien. Zwei Beispiele: Im Ü-3-Bereich bezahlt eine Familie mit einem Kind für die Ganztagesbetreuung (elf Stunden) 306 Euro monatlich. Hat eine Familie vier Kinder sind es nur 52 Euro. Ähnlich ist die Staffelung im Bereich U3. Bei der Halbtagsbetreuung (fünf Stunden) zahlen Eltern eines Einzelkindes 198 Euro. Hätte das Kind drei Geschwister, wären es nur 34 Euro. Nur 21 Prozent aller Eltern bezahlen diese höchste Staffelung (Ein-Kind-Familie). Etwa die Hälfte hat zwei Kinder, weitere 20 Prozent kommen in den Genuss der Vergünstigung von Drei-Kind-Familien und über sechs Prozent rangieren im günstigsten Bereich (ab vier Kinder). Die Gebührensteigerung verteidigte Wüllenweber auch damit, dass in Zeiten der Pandemie neben den Kostensteigerungen auch noch in hohem Maße organisatorische Aufwendungen wie zum Beispiel die Bewältigung der Hygieneanforderungen dazukommen. Und sie erinnerte daran, dass die Gebührenanpassung erst zum 1. Januar diesen Jahres in Kraft tritt, statt wie ursprünglich vorgesehen schon zum 1. September des Vorjahres.

Vor allem aber betonte Wüllenweber die große Betreuungsqualität in der Murr-Metropole. So listete sie etwa das Backnanger Modell auf, das in Kitas mit U-3-Kindern mehr Personal vorsieht. Auch werde viel Wert auf Ausbildung gelegt. Aktuell würden zwölf Erzieherinnen praxisintegriert ausgebildet. Diese PIAs würden zusätzlich zum geforderten Mindestpersonalschlüssel dazukommen. Die Ausbildungsoffensive habe zu wenigen vakanten Stellen geführt und somit zur Beibehaltung der Qualität beigetragen.

Ferner ist es der Stadt Backnang wichtig, dass jede Einrichtung ein eigenes besonderes Profil hat. Beispiele sind Sportkita, Waldkindergarten, Arbeiten nach Maria Montessori oder Sprachkitas. Dort werden die besonderen Bedürfnisse und Talente der Kinder in den Fokus gerückt.

Wüllenweber listete weiter verschiedene Projekte auf, die in den städtischen Kindergärten durchgeführt werden. Beispiele hierfür sind das Haus der kleinen Forscher, die Projekte Schulreifes Kind und Bildungshaus, die Musikinselgruppen in Kooperation mit der Jugendmusikschule und gemeinsame Sportprojekte mit den Vereinen. Es findet Sprachförderung nach dem Denkendorfer Modell statt, und vier Kindertageseinrichtungen sind Sprachkitas nach dem Bundesprogramm „Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“.

Die Stadträte stimmten der Gebührenerhöhung zwar zu, aber das Gremium war weit entfernt von einem einstimmigen Beschluss. So erklärte etwa Willy Härtner (Grüne), dass seiner Ansicht nach der Kitabesuch für jedes Kind über zwei Jahren gebührenfrei sein sollte: „Deshalb werden wir uns enthalten“. Auch SPD-Fraktionschef Heinz Franke trug die Erhöhung nur zähneknirschend mit. Er verwies auf die Investitionen in Höhe von 20 Millionen Euro und kündigte an, wegen dieses Kraftakts werde seine Fraktion dieses Jahr nochmals zustimmen: „Wir werden es aber künftig nicht mehr tun“. Ute Ulfert (CDU) sagte zwar, „wir werden auf jeden Fall zustimmen“, sie forderte jedoch auch in Zukunft eine grundsätzliche Diskussion und verwies zum Thema Gerechtigkeit auf die Tatsache, dass es „viele verschiedene Famienmodelle“ und Gebührenhöhen gebe. Lutz-Dietrich Schweizer (CIB) legte Wert auf die Feststellung, dass die Investition der 20 Millionen Euro nicht allesamt auf das Konto der U-3-Betreuung gehe. Er sagte: „Ich sehe, dass die Erhöhung insgesamt nötig ist. Deshalb wollen wir uns enthalten und nicht dagegen stimmen.“

Die Stadträte Charlotte Klinghoffer, Jörg Bauer), Erdal Demir (alle BfB/FDP/BIG), Volker Dyken (BD), Michael Malcher und Steffen Siggi Degler (beide AfD) stimmten gegen den Beschluss.

Kommentar
Alle helfen mit

Von Matthias Nothstein

Die Stadträte haben es nicht leicht, wenn es um die Erhöhung der Kindergartengebühren geht. Auf der einen Seite sehen sie die ständig steigenden Kosten der Träger, auf der anderen Seite wollen sie die Eltern nicht über Gebühr belasten. Zumal nicht in Zeiten von Corona. Auch wenn die Pandemie die Kosten derzeit zusätzlich in die Höhe treibt.

Die Erhöhung um 1,9 Prozent ist nicht nur moderat, sondern auch angebracht. Damit wird zwar der städtische Etat nicht saniert, aber es ist zumindest ein Zeichen, dass nicht alles am Träger hängen bleibt. In Zeiten, in denen alle das Zusammenhalten beschwören, gehört auch diese Mithilfe der Bürger zur Wahrheit.

Es stimmt, dass es gerade jetzt Familien gibt, die unter dem Einbruch der Wirtschaft und dem Lockdown finanziell zu knabbern haben. Richtig ist aber auch, dass die wenigsten den höchsten Beitragssatz zahlen. Deshalb ist die Anpassung der Gebühren akzeptabel und führt aufgrund der Vergünstigungen für Mehrkindfamilien, dem Bildungspaket der Regierung oder dem Backnanger Familienpass zu keinen unangemessenen sozialen Härten.

m.nothstein@bkz.de

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Erstellt:
6. Januar 2021, 10:00 Uhr

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