Ukraine: Krieg gegen die Kinder
Kinderraub als Waffe
Die Ukraine meldet 11000 nach Russland verschleppte Kinder. Dabei handelt es sich um das wohl perfideste Kriegsverbrechen. An die Hilfen für diese Kriegskinder muss bei der Planung der Zukunft gedacht werden, kommentiert Hilke Lorenz.
Von Hilke Lorenz
Es sind die Kriegsschäden, die kein Foto abbilden kann. Sie zielen auf die Auslöschung der Identität von Menschen. In diesem Fall der von Kindern – und damit indirekt auch der ihrer Eltern. Denn wie sollen die nach dem Raub ihrer Töchter und Söhne noch an eine Zukunft glauben. Die ukrainische Kinderschutzbeauftragte spricht von 10764 Mädchen und Jungen, die aus der Ukraine nach Russland verschleppt worden seien. Manche sollen zur Adoption freigegeben worden sein. Russische Militärs und Behörden dementierten den Vorgang auch gar nicht. Zynischerweise sprechen sie jedoch von der Rettung der Kinder aus dem Kriegsgebiet, als sei dieser Krieg ein Naturereignis.
Unsichtbares Gift
Dabei ist die Verschleppung der Kleinsten neben den gezielten Vergewaltigungen an Frauen und Mädchen das wohl perfideste Kriegsverbrechen, das weltweit begangen wird. Es zielt auf die emotionale Entwurzelung und ist somit ein unsichtbares Gift, das lebenslang und meist in die nachfolgenden Generationen hinein wirkt. Auch wenn die Rückführung gelingt, wie sie nicht nur die Ukraine nun fordert, zeigt ein Blick auf die Kriegskinder der Menschheitsgeschichte: es sind die Kinder, die Krieg, Gewalt und dem Gefühl der Ohnmacht in noch größerem Maß als alle anderen Menschen ausgeliefert sind. Deren Seelenheilung muss Teil jeder – für wann auch immer – anvisierten Nachkriegsordnung sein.