Kirchberg setzt weiterhin auf Papiervorlagen

Freie Liste scheitert mit ihrem Antrag auf digitale Geräte für die Ratsmitglieder und ein neues Ratsinformationssystem

Im Rathaus Kirchberg wird es für Gemeinderatssitzungen weiterhin Papiervorlagen geben. Archivfoto: E. Layher

© Edgar Layher

Im Rathaus Kirchberg wird es für Gemeinderatssitzungen weiterhin Papiervorlagen geben. Archivfoto: E. Layher

Von Ingrid Knack

KIRCHBERG AN DER MURR. Vor knapp fünf Jahren, im November 2015, hatte die Freie Liste im Kirchberger Gemeinderat beantragt, die Sitzungsunterlagen digital zugestellt zu bekommen. Damals wurde sogar ein Arbeitskreis eingesetzt. Das Ergebnis wurde im März 2016 beraten. Mehrheitlich kam der Gemeinderat zum Schluss, dass keine Tablets angeschafft werden. Für die öffentlichen Sitzungsvorlagen und Protokolle wurde aber ein Log-in-Bereich auf der Homepage der Gemeinde eingerichtet.

Nun machte die Freie Liste abermals einen Vorstoß in Sachen Digitalisierung. Die zurückliegenden Monate – Stichwort Corona – hätten gezeigt, wie wichtig es sei, digital vernetzt zu sein, sagte Gudrun Wilhelm. Dazu gehöre aber auch das richtige Instrumentarium, ein für diese Arbeit zur Verfügung gestelltes Tablet und ein zeitgemäßes Programm, mit dem die ehrenamtliche Arbeit komfortabel möglich sei. Ihr gehe es beispielsweise darum, Notizen in Vorlagen schreiben und Textstellen markieren zu können. Wenn sie heute in einer älteren Vorlage etwas nachschauen wolle, müsse sie in den Keller gehen und dort in Ordnern die entsprechenden Papiere suchen.

Zudem wies Wilhelm noch auf eine seit 13. Mai 2020 gültige Änderung der Gemeindeordnung in Baden-Württemberg hin, die der Coronapandemie geschuldet ist. Es handelt sich um den neuen Paragrafen 37a. Dadurch sollen Sitzungen ohne persönliche Anwesenheit der Mitglieder im Sitzungsraum ermöglicht werden. Dies gilt aber nur, „sofern eine Beratung und Beschlussfassung durch zeitgleiche Übertragung von Bild und Ton mittels geeigneter technischer Hilfsmittel, insbesondere in Form einer Videokonferenz, möglich ist“. In Punkt 2 ist geregelt, dass die Gemeinde sicherstellen muss, „dass die technischen Anforderungen und die datenschutzrechtlichen Bestimmungen für eine ordnungsgemäße Durchführung der Sitzung einschließlich Beratung und Beschlussfassung eingehalten werden“. Wilhelm: „Das kann aus unserer Sicht nur mit einheitlichen Geräten, einem Programm, für das wir Schulungen und Unterweisungen erhalten, sichergestellt werden.“ Auch der Datenschutz müsse gewährleistet sein. Die Kopien, die Zustellung durch die Amtsbotin, Papierflut und Wege würden dann gespart. Wilhelm appellierte an das Gremium, sich nicht in Details zu verlieren, sondern einen Grundsatzbeschluss zu fassen und die dazu notwendigen Mittel für die Haushaltsberatungen einzustellen. Die Geräte sollen nach den Vorstellungen der Freien Liste eine Leihgabe der Gemeinde an die Ratsmitglieder für deren Gremienarbeit sein. Des Weiteren betonte Wilhelm, Livestream und Zoom seien die modernen Kommunikationsmöglichkeiten. „Ich habe mit allen umliegenden Gemeinden gesprochen, viele nutzen die digitalen Möglichkeiten schon lange, andere sind auf dem Weg zur Realisierung noch in diesem Jahr.“

In nächster Zeit ändert sich in Sachen Digitalisierung in Kirchberg nichts. Der Antrag der Freien Liste wurde bei vier Ja-Stimmen, vier Enthaltungen und sieben Gegenstimmen abgelehnt. Schon zu Beginn des Tagesordnungspunktes hatte Bürgermeister Frank Hornek angekündigt: „Ich werde mich enthalten, weil ich es als Ihr Recht anerkenne, wie Sie Ihre Arbeit machen wollen.“ Aus der Sitzungsvorlage ging aber hervor, dass die Verwaltung ein Ratsinformationssystem nicht für notwendig hält. „Die Verwaltung sieht im Moment keinen Bedarf für die Beschaffung eines Ratsinformationssystems, da das vorhandene Log-in-System inhaltlich die gleichen Informationen liefert wie ein Ratsinformationssystem.“ Die Verwaltung hatte im Vorfeld ein Angebot eingeholt. „Die einmaligen Kosten für die Einrichtung des Systems belaufen sich auf rund 8000 Euro. Die Kosten beinhalten die Implementierung des Ratsinformationssystems auf der Homepage der Gemeinde sowie die auf den Tablets zu installierende App. Zudem fallen jährlich rund 2000 Euro für die laufende Betreuung an“, heißt es in der Vorlage. Ferner werde eine Schulung der Räte empfohlen, die mit rund 1700 Euro zu Buche schlagen würde.

Erich Drexler (Gesundes Gemeinwesen Kirchberg) meldete sich als Erster zu Wort: Er hob auf die Kosten ab und fragte: „Wo ist der Benefit?“ Überdies laufe der Support für die Tablets nach vier bis fünf Jahren aus, „dann müssen Sie ein neues Gerät beschaffen“. Andererseits bemängelte er, dass die Informationslage im Homepage-Bereich durchaus optimiert gehöre. Christoph Berroth indes unterstützte den Antrag der Freien Liste. Die von der Verwaltung aufgeführten Kosten für ein Tablet hielt er aber mit 300 bis 600 Euro für zu niedrig angesetzt. Gerd Bärlin von der Bürger-Union Kirchberg (BUK) argumentierte genau in die Richtung, die Wilhelm in diesem Stadium für nicht angesagt hielt. Bärlin: „Bevor ich einen Grundsatzbeschluss fassen kann, muss ich die anderen Sachen klären.“ Woraufhin Wilhelm konterte: „Genau der Weg ist vor fünf Jahren fehlgeschlagen.“ Skeptisch zeigte sich auch Gebhard Kunzi von der Unabhängigen Bürgerschaft Kirchberg. Er meinte, ein Gerät nur für den Gemeinderat anzuschaffen, sei unwirtschaftlich. Er könne auch sein eigenes Gerät nutzen. Aber auch er sprach nicht zu findende Protokolle im Log-in-System an. Reinhard Enge (BUK) erteilte einem neuen System ebenso eine Absage. Durch solche Systeme gebe es höchstens marginale Verbesserungen. Hornek ergriff dann doch noch das Wort. Er höre heute zum ersten Mal, dass die Räte „mit dem, was Sie haben“, bestimmte Dinge nicht fänden.

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Erstellt:
16. Oktober 2020, 16:00 Uhr

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