Kirchlicher Segen nur mit Zweidrittelmehrheit

Württembergs Synode berät erneut über Traugottesdienste für homosexuelle Paare – Ausgang der Abstimmung völlig offen

Ein weiteres Mal behandelt die Württembergische Landessynode den Umgang mit gleichgeschlechtlichen Paaren. Für die Einführung von Segnungsgottesdiensten für Schwule und Lesben braucht es eine Zweidrittelmehrheit. Die bleibt ungewiss.

Stuttgart /EPD - Nächster Anlauf für die Einführung von Segnungsgottesdiensten für gleichgeschlechtliche Paare: Bei ihrer Frühjahrstagung wird die Synode der Evangelischen Landeskirche in Württemberg an diesem Samstag in Stuttgart über einen Gesetzentwurf beschließen, der solche Gottesdienste ermöglichen soll. Im Herbst 2017 war ein ähnlicher Versuch an der erforderlichen Zweidrittelmehrheit gescheitert, damals fehlten zwei Stimmen. Diesmal könnten aber nicht nur konservative Synodale der Lebendigen Gemeinde ihre Zustimmung verweigern, sondern auch progressive von der Offenen Kirche.

Die Frage wird deshalb so kontrovers diskutiert, weil dabei der richtige Umgang mit der Bibel im Mittelpunkt steht. Konservative verweisen darauf, dass die Heilige Schrift praktizierte Homosexualität durchgehend negativ bewertet. Eine Kirche könne nicht segnen, was Gott nicht segne, argumentierte etwa der frühere württembergische Landesbischof Theo Sorg. In ihrer Ablehnung wissen sich die Konservativen vereint mit dem Großteil der weltweiten Ökumene: Katholische Kirche, Orthodoxe, die meisten Freikirchen und viele evangelische Kirchen auf anderen Kontinenten lehnen die öffentliche Segnung von Schwulen und Lesben ab.

Progressive sehen die biblische Ablehnung gleichgeschlechtlicher Liebe als zeitbedingt. Lebenslange, auf Treue angelegte Partnerschaften unter zwei Männern oder zwei Frauen habe die Antike nicht gekannt. Und zudem könnten sich Menschen ihre sexuelle Orientierung nicht aussuchen, deshalb müsse über allem die Liebe von Jesus Christus stehen. So sehen es inzwischen alle Mitgliedskirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), ausgenommen die kleine Kirche in Schaumburg-Lippe – und Württemberg.

Der neue Gesetzentwurf beschreibt in seiner Präambel genau diese Gegensätze mit dem Hinweis, „dass angesichts unterschiedlicher Zugänge zur Bibel in dieser Frage gegenwärtig kein Konsens hergestellt werden kann“. Er sieht vor, dass in einem Kirchengemeinderat drei Viertel der Mitglieder und unter den Pfarrern einer Gemeinde ebenfalls drei Viertel in einen Segnungsgottesdienst für homosexuelle Paare einwilligen müssen. Voraussetzung ist eine bürgerliche Eheschließung. Maximal ein Viertel aller württembergischen Kirchengemeinden können solche Feiern anbieten – sollten mehr das wollen, muss die Sache erneut von der Synode behandelt und dann allgemeingültig für alle Kirchengemeinden entschieden werden.

Doch die erforderliche Zweidrittelmehrheit ist auch dieses Mal keineswegs sicher. Im größten Gesprächskreis, der Lebendigen Gemeinde (LG), verweist man auf die „grundlegende Einsicht“ von Bibel und reformatorischen Bekenntnissen, dass zu einer Ehe Mann und Frau gehören, sagte deren Sprecher, Dekan Ralf Albrecht. Homosexuelle seien in der Kirche willkommen, Diskriminierung lehnten auch die Pietisten ab. In dieser Frage gehe es aber um Differenzierung. Gleichwohl hält es Albrecht nicht für ausgeschlossen, das LG-Synodale dem Gesetz zustimmen werden, um einen weiteren gemeinsamen Weg in der Kirche zu ermöglichen. „Wir sind keine Fraktion, es gibt keinen Zwang zur einheitlichen Abstimmung.“

Die Offene Kirche (OK) hatte bereits im November den Gesetzentwurf als „diskriminierend“ abgelehnt. Sie fordert die Einführung einer „Trauung für alle“, bei der für Homosexuelle dieselben Regeln gelten wie für Heterosexuelle. Gemeinden, die dagegen Bedenken haben, sollten allerdings Gewissensschutz erhalten.

Der Gesprächskreis Evangelium und Kirche will dem Gesetz auf jeden Fall zustimmen. Wichtiger als einzelne Formulierungen sei das große Ziel, gleichgeschlechtlichen Paaren auf Wunsch ein Gottesdienstangebot machen zu können, sagt der Ulmer Dekan Ernst-Wilhelm Gohl. Sollte die erforderliche Zweidrittelmehrheit erneut nicht zustande kommen, befürchte er, dass einzelne Pfarrer ihrem Gewissen folgten und ohne Rechtsgrundlage solche Paare öffentlich segneten. Auch der Gesprächskreis Kirche für morgen hatte sich für eine Lösung ausgesprochen, die auf die Vorstellungen beider Lager Rücksicht nimmt.

Die Zerrissenheit spiegelt sich an der ­Basis wider. Inzwischen gibt es rund 90 Regenbogengemeinden, die darauf warten, von der Synode grünes Licht für Segnungsgottesdienste mit gleichgeschlechtlichen Paaren zu erhalten. Gleichzeitig kursiert eine Unterschriftenliste, auf der mehr als 330 Pfarrer angekündigt haben, sich an solchen Feiern nicht zu beteiligen.

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Erstellt:
21. März 2019, 03:04 Uhr

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