Klage gegen Partnervermittler vor BGH

dpa Karlsruhe. In der Hoffnung, die Liebe zu finden, zahlen einsame Menschen Tausende Euro an Partnervermittlungsinstitute. Ist der Vertrag einmal geschlossen, gibt es oft kein Zurück. Oder doch?

Eine Frau und ein Mann halten sich bei einem Strandspaziergang an den Händen. Foto: Axel Heimken/dpa

Eine Frau und ein Mann halten sich bei einem Strandspaziergang an den Händen. Foto: Axel Heimken/dpa

Alles beginnt im Mai 2018 mit einer Kontaktanzeige im örtlichen Wochenblatt. Frau S. - die über ihre Geschichte nicht mit Journalisten sprechen möchte - ist damals Mitte 70 und seit Jahren allein.

Wie der Inserent sich beschreibt, spricht sie an. Noch am selben Tag wählt sie die angegebene Telefonnummer.

Sie ahnt nicht, dass ihr Fall drei Jahre später den Bundesgerichtshof (BGH) beschäftigen wird. Denn Frau S. wird einer Partnervermittlung fast 8500 Euro übergeben - und es sehr schnell bereuen. Jetzt will sie ihr Geld zurück. Am Donnerstag wurde darüber in Karlsruhe in letzter Instanz verhandelt (Az. III ZR 169/20).

Damals, so wird es in den Urteilen der Vorinstanzen geschildert, geht alles sehr schnell. Die Nummer gehört der Koblenzer Agentur Glück für Zwei. Einen Tag später bekommt Frau S. Besuch von einem Mitarbeiter und unterschreibt einen Vertrag: Das Institut will ihr 21 passende Kandidaten vorschlagen. Von dem netten Herrn aus der Zeitung ist keine Rede mehr. Das Honorar beträgt 8500 Euro, mit einem kleinen Nachlass. Am nächsten Tag holt Glück für Zwei das Geld bei Frau S. ab, der Bote bringt die ersten drei Partnervorschläge mit.

Iwona Husemann, Rechtsreferentin bei der Verbraucherzentrale NRW, hat solche Geschichten schon häufiger gehört. „In der Regel funktioniert das System so“, sagt sie. Eines sei allen Fällen gemeinsam: „Wir reden hier immer über hohe Summen, ab 5000 Euro aufwärts.“

Frau S. kommen im Nachhinein Zweifel. Einen der vorgeschlagenen Herren trifft sie dreimal, dann will er nicht mehr. Die anderen beiden stellen sich - so sagt es Frau S. - als vergeben heraus. Eine Woche nach Vertragsschluss schickt sie Glück für Zwei die Kündigung.

Das Problem: Sie hat eine Vereinbarung unterschrieben, mit der sie auf ihr Kündigungsrecht verzichtet. Eigentlich können sogenannte Haustürgeschäfte auch so 14 Tage lang widerrufen werden. Aber Frau S. hatte auch schriftlich erklärt, dass Glück für Zwei direkt mit der Arbeit beginnen soll - ihr sei bewusst, dass sie ihr Widerrufsrecht verliere, wenn der Vertrag vollständig erfüllt sei.

Die Glück für Zwei GmbH hat für das Vorgehen ihre Gründe. Ein versprochener Lohn für „Heiratsvermittlung“ kann laut Bürgerlichem Gesetzbuch nicht eingeklagt werden. „Deshalb werden die vereinbarten Beträge zeitnah gezahlt“, sagt Rechtsanwalt Markus Fischer, der die Agentur seit Jahren vertritt. Es werde immer Kunden geben, für die am Ende nicht der oder die Richtige dabei war. Manche seien dann enttäuscht und wollten kündigen. Aber: „Das ist keine schlechte Leistung. Es werden Menschen vermittelt, keine Maschinen.“

Nach Fischers Schilderung betreibt Glück für Zwei für jeden Kunden großen Aufwand: Der ausführliche Hausbesuch; die individuelle Zusammenstellung des „Partnerdepots“; die persönliche Betreuung. „Und dann macht vielleicht ein Kunde nach 20 oder 21 Vorschlägen von seinem Kündigungsrecht Gebrauch und es müsste womöglich alles zurückgezahlt werden.“ Deshalb der Vorschlag, die Kündigung freiwillig auszuschließen - bei Gegenleistung, versteht sich.

Frau S. zum Beispiel hatte die Option gewählt, zeitlebens kostenlos immer weiter Partnervorschläge abrufen zu können. „Im Vergleich dazu ist eine Summe von 8500 Euro dann auch nicht mehr so viel“, sagt Fischer. Man müsse auch den Gegenwert der Leistung sehen.

Rein rechtlich gibt es gegen diese Summen nichts einzuwenden. „Am Ende bestimmt der Markt, wie viel es einem wert ist, den Partner fürs Leben zu finden“, sagt Verbraucherschützerin Husemann. „Das kann man als schwierig empfinden, gerade wenn mit der Einsamkeit der Menschen Geschäft gemacht wird. Aber es ist nicht verboten.“ Vor Gericht gehe es nicht darum, ob der Preis angemessen sei oder das Verhalten. „Es geht allein um die Frage, ob etwas zurückzuzahlen ist.“

So auch bei Frau S. - und es sieht gut für sie aus, so viel lässt sich nach der BGH-Verhandlung schon sagen. Das Urteil wollen die Richter zwar erst in nächster Zeit verkünden, voraussichtlich am 6. Mai. Wie es ausfällt, scheint aber weitgehend festzustehen.

Die Richter gehen davon aus, dass Frau S. den Vertrag auf jeden Fall widerrufen konnte. Glück für Zwei argumentiert zwar, dass mit der internen Zusammenstellung des „Partnerdepots“ der wichtigste Teil der Leistung erbracht sei, und veranschlagt dafür 90 Prozent des Honorars. Bei dieser Rechnung macht der BGH aber nicht mit: Für den Kunden komme es auf die tatsächlich erhaltenen Vorschläge an.

Frau S. bekam unmittelbar nach ihrer Kündigung noch schnell 17 Kandidaten vorgeschlagen. Und muss damit für 20 Vorschläge bezahlen?

So nicht, hatte zuletzt schon das Oberlandesgericht Köln gesagt - und ließ nur die ersten drei Kandidaten gelten. Nach dieser Entscheidung bekäme Frau S. gut 7100 Euro zurück. Inzwischen gibt es aber noch ein neueres Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Online-Dienst Parship, das vor allem auf die Vertragslaufzeit abstellt. Daran scheint sich der BGH nun orientieren zu wollen.

Für Frau S. hieße das: Zwölf Monate Laufzeit, nach einer Woche gekündigt - damit dürfte Glück für Zwei sogar nur ein Zweiundfünfzigstel der erhaltenen 8330 Euro behalten: 160,19 Euro. Und die Geschichte hätte doch noch ein halbwegs glückliches Ende.

© dpa-infocom, dpa:210422-99-303420/3

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Erstellt:
22. April 2021, 07:52 Uhr

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