Rundfunkbeitrag wird ein Fall für Karlsruhe

dpa Mainz/Köln. Das Bundesverfassungsgericht übernimmt jetzt: Die Klagen der öffentlich-rechtlichen Sender gegen die Blockade aus Sachsen-Anhalt zu einem höheren Rundfunkbeitrag in Deutschland sind eingetroffen.

Das ZDF klagt vor dem Bundesverfassungsgericht für die Erhöhung des Rundfunkbeitrags. Foto: Nicolas Armer/dpa

Das ZDF klagt vor dem Bundesverfassungsgericht für die Erhöhung des Rundfunkbeitrags. Foto: Nicolas Armer/dpa

Die Blockade aus Sachsen-Anhalt zum höheren Rundfunkbeitrag in Deutschland wird jetzt ein Fall für das Bundesverfassungsgericht. Es liegen Klagen von ARD, ZDF und Deutschlandradio vor, wie ein Gerichtssprecher am Freitag der Deutschen Presse-Agentur sagte.

Neben Verfassungsbeschwerden wurden auch Anträge auf eine einstweilige Anordnung eingereicht. Die ARD teilte der dpa mit: „Mit dem Eilverfahren könnte eine vorläufige Entscheidung fallen, bis über die Verfassungsbeschwerde entschieden ist.“

Damit wenden sich die Sender gegen das Unterlassen der Zustimmung des Landtags Sachsen-Anhalt zum Staatsvertrag, der die Erhöhung des Rundfunkbeitrags zum 1. Januar 2021 auf monatlich 18,36 Euro vorsieht. Der Gerichtssprecher teilte weiter mit: „Ein Entscheidungstermin ist derzeit nicht absehbar.“

Sachsen-Anhalt blockierte in dieser Woche die Anpassung des Rundfunkbeitrags von derzeit 17,50 Euro um ein Plus von 86 Cent, indem Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) den Gesetzentwurf vor der Abstimmung aus dem Landtag zurückzog. Die regierende CDU hätte dort entgegen der Haltung ihrer Koalitionspartner SPD und Grüne eine Mehrheit mit der größten Oppositionspartei AfD bilden können, die viele Sitze in dem Parlament stellt.

Weil alle Bundesländer bis Jahresende zustimmen müssen, kann der Staatsvertrag nicht in Kraft treten. Der Rundfunkbeitrag ist die Haupteinnahmequelle für die öffentlich-rechtlichen Sender. Es wäre die erste Erhöhung des Rundfunkbeitrags seit 2009. Am Freitag unterstützte die ARD-Gremienkonferenz als Aufsichtsorgan der Landesrundfunkanstalten den Klage-Kurs. „Dies ist ohne Aufschub geboten, um Schaden für Medienvielfalt und Meinungsbildung abzuwenden“, sagte der Vorsitzende Andreas Meyer-Lauber.

Die Rundfunkkommission der Länder traf sich am Nachmittag zu einer Sondersitzung, um über die Lage nach der Blockade zu sprechen. Details blieben zunächst unbekannt. Am Vortag war bekanntgeworden, dass das Saarland und Bremen die Klagen der Sender unterstützen und eine eigene Stellungnahme nach Karlsruhe schicken werden.

Hintergrund ist, dass in den beiden Bundesländern die kleinsten ARD-Anstalten Radio Bremen und Saarländischer Rundfunk angesiedelt sind und bereits heute von anderen ARD-Häusern in einem Finanzausgleich gestützt werden müssen. Für sie hätte der Staatsvertrag auch bedeutet, dass der Anteil des Finanzausgleichs gestiegen wäre.

Die rheinland-pfälzische Medienstaatssekretärin Heike Raab (SPD), die auch die Medienpolitik der Länder-Rundfunkkommission koordiniert, sagte am Donnerstag der dpa, dass auch alle anderen Länder, die dem Staatsvertrag zugestimmt haben, sich aktiv in das Verfahren einbringen wollen. Sachsen-Anhalt war der einzige Wackelkandidat in der Beitragsplus-Frage.

Dass Haushalte in Deutschland monatlich 86 Cent mehr Rundfunkbeitrag zahlen sollen geht zurück auf eine Empfehlung einer unabhängigen Kommission, die in regelmäßigen Abständen den Finanzbedarf der Sender berechnet. Danach entscheiden die Ministerpräsidenten und die Landtage - sie müssen sich gemäß der Rechtslage aber eng an der Empfehlung orientieren. Für die nächsten vier Jahre wird eine Finanzlücke der öffentlich-rechtlichen Sender von 1,5 Milliarden Euro prognostiziert - so kommt das Beitragsplus zustande. In die Berechnungen fließen zum Beispiel Kosten für Programminhalte ein, Anpassungen von Tarifgehältern und auch Pensionen spielen eine Rolle.

Die Einnahmen der Sender lagen nach früheren Angaben des Beitragsservice im Jahr 2019 bei rund 8,07 Milliarden Euro. Die Zahl der Beitragskonten lag im vergangenen Jahr bei rund 46,1 Millionen. Die Masse mit rund 40 Millionen sind Wohnungen. Rundfunkbeiträge müssen aber ebenso Betriebe bezahlen, auch für ihre Fahrzeuge. Hotels und Ferienwohnungen sind ebenfalls gelistet. Es ist aber auch möglich, sich unter gewissen Voraussetzungen von der Beitragspflicht befreien zu lassen.

Einige Sender signalisierten, dass es ohne 86 Cent Einschnitte im Programm geben würde. Ganz konkrete Folgen wurden zunächst nicht genannt. ZDF-Intendant Thomas Bellut sagte am Freitag in der Fernsehratssitzung: „Wir könnten kurzfristige Einsparungen in erster Linie nur über die Auftragsvergabe an Produktionsfirmen realisieren. Das wäre schmerzhaft. Diese Firmen stellen einen großen Teil unseres Programms her.“

Die Vorsitzende des ZDF-Fernsehrats, Marlehn Thieme, sagte mit Blick auf den Klageweg, es sei „eine gewisse Eile“ geboten. Der Rat ist die unabhängige Kontrollinstanz unter anderem der Programmarbeit des Senders. Er wertete in einer eingebrachten Resolution die Blockade in Magdeburg als „offensichtlich sachfremde politische Entscheidung“. Damit würden der öffentlich-rechtliche Rundfunk und seine verfassungsrechtlich garantierte Staatsferne beschädigt.

Der Fernsehrat genehmigte zugleich den Haushalt des ZDF mit Hauptsitz in Mainz für das nächste Jahr. Dieser sieht Aufwendungen in Höhe von 2,6 Milliarden Euro vor, als Gesamtergebnis wird mit einem Verlust von rund 2,6 Millionen Euro gerechnet. Der schon vor Jahren angestoßene Stellenabbau wird zugleich bis Ende des Jahres die Zielmarke erreicht haben. Gestrichen wurden bei dem Sparkurs insgesamt 562 Stellen und damit rund 10 Prozent der Belegschaft.

© dpa-infocom, dpa:201211-99-652507/9

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Erstellt:
11. Dezember 2020, 09:44 Uhr

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