Zukunftsweisende Architektur

Klimagerecht bauen: Stuttgarter Architekten punkten in Frankfurter Schau

Das Deutsche Architekturmuseum zeigt, wie die klimafreundliche Architektur von morgen funktioniert – kuratiert ist die sehenswerte Schau von einem weltberühmten Stuttgarter.

Bildungszentrum in Weil der Stadt, entworfen in Holzbauweise vom Stuttgarter Büro lohrmannarchitekten.

© Volker Schrank/DAM

Bildungszentrum in Weil der Stadt, entworfen in Holzbauweise vom Stuttgarter Büro lohrmannarchitekten.

Von Tomo Pavlovic

Architektur hat einen immensen Einfluss auf das Klima. Rechnet man die CO-Emissionen aus der Herstellung all des verbauten Baumaterials zusammen, macht allein der Gebäudesektor mehr als ein Drittel des weltweiten CO-Ausstoßes aus. Das bedeutet allerdings auch, dass Architektur bei der Anpassung an den Klimawandel helfen oder sie behindern kann.

Radikal anders entwerfen

Um Kosten zu sparen, werden zunehmend ältere Häuser gedämmt, Fenster ausgetauscht, Heizungen modernisiert. Neubauten werden unter anderem mit Photovoltaikanlagen, Wärmepumpen und Lüftungen mit Wärmerückgewinnung ausgestattet, damit sie als Energieeffizienzhäuser zertifiziert und mit Krediten gefördert werden.

Es stellt sich dennoch die Frage, ob da nicht ein Widerspruch besteht: Zwischen dem enormen Einsatz und Aufwand einer neuen Technologie und dem Anspruch, einfacher und damit ressourcenschonender zu bauen. Eine mögliche Antwort könnte sein, dass Architekten künftig radikal anders entwerfen und bauen müssen. Doch wie?

Ausstellung mit Stuttgarter Beteiligung

Die Ausstellung „Architecture and Energy“ im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt am Main (DAM) präsentiert sehr anschaulich Lösungsansätze, die tatsächlich die Architektur als solche ernst nimmt. Klimagerechtes Bauen ist ja viel mehr als der Einsatz von Wärmepumpen und Balkonkraftwerken. Und es bedeutet eben auch nicht, dass beispielsweise Holz allein das Baumaterial der Stunde wäre. Oder Lehm. Oder Stroh. So einfach ist und wird das nicht werden, im Gegenteil.

Doch es gibt Hoffnung. Insgesamt 23 beispielhafte Projekte haben die Kuratoren Werner Sobek und Annette Becker ausgewählt. Ja, genau jener Werner Sobek aus Stuttgart ist gemeint, der weltbekannte Vordenker im Leichtbau und beim nachhaltigen Bauen.

Der Ingenieur und Architekt gründete an der Universität Stuttgart das Institut für Leichtbau, Entwerfen und Konstruieren (Ilek) und kämpft nicht nur mit Worten seit langem für das emissionsfreie Bauen. Seine Bauwerke und Konstruktionen wurden unzählige Male mit renommierten Architekturpreisen bedacht. Annette Becker wiederum ist Kunsthistorikerin und Kuratorin am DAM in Frankfurt.

Sozialer Wohnungsbau bildet einen Schwerpunkt

Die vorgestellten Projekte befinden sich in Dänemark, der Schweiz, Frankreich, Spanien und weiteren Ländern. Und es sind beileibe keine Einfamilienhäuser, die im Fokus stehen. Zweimal steht in der Schau der soziale Wohnungsbau im Mittelpunkt, beide Male in Spanien, einmal in Barcelona, einmal auf Ibiza.

In der katalanischen Hauptstadt kann in dem Mehrfamilienhaus mit 47 Apartments über ein gebautes Glasdach ohne Wärmezufuhr von außen geheizt und durch clevere gebaute Belüftungswege ohne Klimaanlagen gekühlt werden. Das bestaunenswerte Projekt verantworteten Dataae + Narch + Maira Arquitectes, drei ansässige Büros, die mit der Arbeit international bekannt geworden sind.

Schön und richtig, dass Deutschland ebenfalls mit seiner in Teilen herausragend innovativen Architekturszene einen wichtigen Part in der Ausstellung des Frankfurter DAM einnimmt, die – Überraschung! – eher einfach eingerichtet ist, ja geradezu karg. Der Besucher findet man sich inmitten von haptischen Modellen sowie Sperrholz-Gerüsten, auf denen Pappen mit Bildern, Skizzen und Texten zu den 23 ausgewählten Projekten festgepinnt sind; aber keine Sorge – es gibt auch einige Bildschirme.

Weniger Emissionen – und trotzdem gute Architektur

Und das funktioniert allemal. Das Material ist gut aufbereitet und macht Spaß auf eine vernünftigere architektonische Zukunft. Interessant ist allerdings, dass die vorbildlichen deutschen Vertreter – so etwa Ingenhoven Architekten aus Düsseldorf oder Florian Nagler Architekten aus München – der besonders energiesparenden und dennoch formal anspruchsvollen Architektur nicht etwa in Berlin oder Hamburg zu bewundern sind, also in den Metropolen. Sondern in Ursprung (bei Chemnitz), in Memmingen, Bad Aibling, Freiburg und auch in Weil der Stadt.

Stuttgarter Architekten zitieren traditionelle Holzscheunen

Genau hier, in Weil der Stadt, hat ein Stuttgarter Büro mit einer eindrucksvollen Realisierung die Aufmerksamkeit des Kuratorenduos auf sich gezogen: Lohrmann Architekten haben in das LOGL projektiert, das Bildungszentrum des Landesverbands für Obstbau, Garten und Landschaft. Die beiden Gebäude erinnern an traditionelle Holzscheunen, eingebettet sind sie in sanft wellige Streuobstwiesen, weshalb der Einsatz von Holz sich geradezu aufdrängte.

CO2-Emissionen sind minimal

Tatsächlich wurde bei den Holzrahmenkonstruktionen der beiden Gebäudehüllen und dem Innenausbau auf die Verwendung regionaler Holzarten geachtet, so etwa wurden Douglasie und Weißtanne verbaut, Walnuß und Esche, Apfel und Eiche.

Auch bei den Wertschöpfungsketten wurde konsequent auf Regionalität gesetzt, die CO2-Emissionen sind im Vergleich zu ähnlichen Bauten konventioneller Art kaum erwähnenswert. Und das ohne Verzicht auf ästhetische Ansprüche. Das ist einfach gute Architektur. Die hat auch schon den Holzbaupreis Baden-Württemberg 2024 erhalten, und die das Stuttgarter Büro präsentiert sie neben zwei weiteren Projekten aktuell auf der Architekturbiennale in Venedig.

Alles in allem ist der Rundgang in der Frankfurter Ausstellung ein bisschen wie der Besuch einer Vorlesung von Werner Sobek an der Stuttgarter Universität, die Älteren werden sich erinnern: so simpel wie motivierend und eindrucksvoll. Als könnten die Architekten mit den Ingenieuren die gebaute Welt doch noch zu einem lebenswerteren Ort machen.

Info

Ausstellung Deutsches Architekturmuseum (DAM), Frankfurt am Main, die Schau läuft bis zum 5. Oktober. Öffnungszeiten Di, Do-So 11-18 Uhr, Mi 11-20 Uhr, Mo geschlossen. Katalog (Hirmer Verlag) 35 Euro.

Rathaus Freiburg im Breisgau; Architekturbüro: Christoph Ingenhoven Architects, Düsseldorf; ingenhoven associates GmbH, Düsseldorf

© HG Esch/DAM

Rathaus Freiburg im Breisgau; Architekturbüro: Christoph Ingenhoven Architects, Düsseldorf; ingenhoven associates GmbH, Düsseldorf

Gemischter Quartiersblock, Wuppertal; Architekturbüro: raumwerk.architekten, Hübert & Klußmann PartGmbB, Köln

© Jens Willebrand/DAM

Gemischter Quartiersblock, Wuppertal; Architekturbüro: raumwerk.architekten, Hübert & Klußmann PartGmbB, Köln

Kindertagesstätte Memmingen, Memmingen; Architekturbüro: heilergeiger architekten Kempten

© LATZ+PARTNER LandschaftsArchitektur Stadtplanung/DAM

Kindertagesstätte Memmingen, Memmingen; Architekturbüro: heilergeiger architekten Kempten

Sozialer Wohnungsbau, Barcelona; Architekturbüros: dataAE + Narch + Maria Arquitectes, Barcelona

© Adrià Goula/DAM

Sozialer Wohnungsbau, Barcelona; Architekturbüros: dataAE + Narch + Maria Arquitectes, Barcelona

Sozialer Wohnungsbau, Ibiza; Architekturbüro: Peris + Toral, Barcelona

© José Hevia/DAM

Sozialer Wohnungsbau, Ibiza; Architekturbüro: Peris + Toral, Barcelona

Schulerweiterung,  Rønde, Dänemark; Architekturbüro: Henning Larsen

© Rasmus Hjortshøj/DAM

Schulerweiterung, Rønde, Dänemark; Architekturbüro: Henning Larsen

Kindergarten, Søborg, Dänemark; Architekturbüro: Lendager Arkitekter ApS

© Rasmus Hjortshøj/DAM

Kindergarten, Søborg, Dänemark; Architekturbüro: Lendager Arkitekter ApS

Gemischter Quartiersblock, Wuppertal; Architekturbüro: raumwerk.architekten, Hübert & Klußmann, Köln

© Jens Willebrand/DAM

Gemischter Quartiersblock, Wuppertal; Architekturbüro: raumwerk.architekten, Hübert & Klußmann, Köln

Ganztagsschule, Bretenoux, Frankreich; Architekturbüro: Dietrich Untertrifaller Architects, Paris

© Aldo Amoretti/DAM

Ganztagsschule, Bretenoux, Frankreich; Architekturbüro: Dietrich Untertrifaller Architects, Paris

Energieberg in Georgswerder; Architekturbüro: häfner jiménez betcke jarosch landschaftsarchitektur, Berlin

© Hanns Joosten/DAM

Energieberg in Georgswerder; Architekturbüro: häfner jiménez betcke jarosch landschaftsarchitektur, Berlin

Forschungshaus in Bad Aibling; Architekturbüro: Florian Nagler Architekten, München

© Sebastian Schels; PK Odessa/DAM

Forschungshaus in Bad Aibling; Architekturbüro: Florian Nagler Architekten, München

Kultur- und Informationszentrum, Ursprung; Architekturbüro: furoris X art, Chemnitz

© Christian Reuther/DAM

Kultur- und Informationszentrum, Ursprung; Architekturbüro: furoris X art, Chemnitz

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Erstellt:
22. August 2025, 18:16 Uhr

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