Kliniken bleiben trotz Krise auf Kurs

Der laufende Betrieb der Rems-Murr-Kliniken macht 2021 zwar 1,6 Millionen Euro Gewinn, aber wegen der Abschreibung des Neubaus Winnenden muss der Kreis im Vorjahr erneut 15,3 Millionen Euro zuschießen. Trotzdem wird weiter investiert. Ein Neubau in Schorndorf kostet 100 Millionen.

Der Erweiterungsbau des Klinikums Winnenden ist hier rechts hinter dem Verwaltungsgebäude (vorne) zu sehen. Visualisierung: Klinikum

Der Erweiterungsbau des Klinikums Winnenden ist hier rechts hinter dem Verwaltungsgebäude (vorne) zu sehen. Visualisierung: Klinikum

Von Matthias Nothstein

Schorndorf/Rems-Murr. Trotz der Krise und Corona fällt das Ergebnis der Rems-Murr-Kliniken für das Jahr 2021 sehr erfreulich aus. Wobei diese Einschätzung von Landrat Richard Sigel richtig eingeordnet werden muss. Die Prognose ging von einem Defizit von 19,6 Millionen Euro aus, jetzt wurden es „nur“ 15,3 Millionen Euro. Und das auch nur, „weil der Bund und das Land auf unser mehrfaches, intensives und lautes Rufen reagiert haben“, so Sigel gestern bei einer Bilanzpressekonferenz im Schorndorfer Gesundheitszentrum. Nur der Zuschuss vom Rettungsschirm des Bundes über 12,4 Millionen Euro und die Unterstützung des Landes in Höhe von 4,3 Millionen Euro trugen zur Reduzierung des Defizites bei, sodass sich dieses nun in vertretbarem Rahmen bewegt. Immerhin machen die Kliniken im laufenden Betrieb ein Plus von 1,6 Millionen Euro. Dass unterm Strich trotzdem ein dickes Minus stehen bleibt, liegt nur daran, dass der Landkreis als Träger den über 300 Millionen Euro teuren Neubau von Winnenden 30 Jahre lang abbezahlen muss.

Die Zahlen waren deshalb auch so positiv, weil alle Akteure gemeinsam die Pandemie bewältigt haben, lobte Sigel und zog das Fazit: „Unsere Vorausschau hat dazu geführt, dass es nie chaotisch wurde und wir nie in die Situation kamen, dass wir nicht mehr wussten wohin mit den Patienten.“ Ein Aspekt dabei waren die hohen Hygienestandards und die aufwendigen Sicherheitsregeln: „Wir haben die Kliniken umgebaut wie einen Flughafen.“ Aber auch die enge Koordination im internen Coronakrisenstab, die Schaffung eines Therapieteams mit weitreichenden Kompetenzen, der Bau und die Nutzung der Infektionsstation sowie die Schaffung einer Bettenreserve und der Stufenplan für Intensivbetten hätten ganz wesentlich zum Erfolg beigetragen. Am Ende wurden immerhin insgesamt etwa 2000 Covid-Fälle in den Rems-Murr-Kliniken behandelt.

Viele Pflegekräfte sind

erschöpft und frustriert

Laut Landrat Sigel hat die Pandemie bei den Pflegekräften und allen Mitarbeitern in den Kliniken aber auch Spuren hinterlassen: „Viele Pflegekräfte sind erschöpft, viele Pflegekräfte sind frustriert.“ Zwar wurde beispielsweise von der Politik eine höhere Wertschätzung angekündigt und versprochen, aber, so Sigels Meinung, „die Zeit ist schnelllebig“. Viele Versprechen seien wieder in Vergessenheit geraten.

Für Klinikgeschäftsführer Marc Nickel ist die Pandemie die eine Sache, die andere ist der Blick nach vorne. „Wir müssen uns trotz der Pandemie weiter zukunftsfähig machen, damit wir wettbewerbsfähig bleiben.“ Beim Blick zurück ist das bereits in vielerlei Hinsicht gelungen. Als Meilensteine listete er mehrere Investitionen auf, die vergangenes Jahr die Zukunftsfähigkeit untermauert haben. So etwa das schonende Da-Vinci-Operationssystem, das mit einem integrierten Bildgebungssystem ausgestattet ist. Wurde es bislang vor allem in der Urologie bei Prostataoperationen eingesetzt, so sind auch die Gynäkologie und die Thoraxoperationen weitere Anwendungsgebiete.

Besonders freute sich Nickel darüber, dass das onkologische Zentrum vom Gemeinsamen Bundesausschuss anerkannt und die „exzellente Qualität“ erneut bestätigt wurde, als erstes übrigens in Baden-Württemberg. Nickel sagte: „Wir haben den Ritterschlag bekommen.“ Das Zentrum sei „eine Erfolgsgeschichte des interdisziplinären Expertennetzwerks für die Bürger und Ärzte der Region“. Als erfolgreiches Beispiel für die standortübergreifende Zusammenarbeit erwähnte Nickel die Endoprothetik mit Operationen nach neuesten medizinischen Erkenntnissen und Standards. Beide Standorte profitieren von der Kompetenz des Endoprothetikzentrums unter der Leitung von Joachim Singer.

All die Angebote können jedoch nur ihren Segen entfalten, wenn gut geschulte Mitarbeiter zur Verfügung stehen. Deshalb kümmern sich die Verantwortlichen sehr darum, das Personal zufrieden zu stellen. Etwa mit dem Bau neuer Personalwohnheime in Schorndorf und Winnenden. In den Bau der 100 neuen Wohnungen investierte der Landkreis zwölf Millionen Euro. Ferner stieg die Zahl der Vollkräfte laut Nickel seit 2019 um 180 Stellen beziehungsweise etwa 250 Mitarbeiter. Unterm Strich hätten all die Anstrengungen dazu geführt, „dass wir bei der Personalgewinnung im Gegensatz zu anderen Häusern keine Probleme haben“, so Nickel. Und Sigel ergänzte: „Die Investitionen sollen auch ein Zeichen sein, dass der Landkreis als Träger voll hinter seinen Kliniken steht.“

Trotz widriger Umstände – Stichwort Baupreisentwicklung – investieren die Rems-Murr-Kliniken laut Nickel weiter. Landrat Sigel bringt es auf den Punkt: „Wir können nicht mitten in der Krise den Kopf in den Sand stecken. Die Projekte laufen weiter, wir müssen zukunftsfähig bleiben.“ Am deutlichsten ist dieses Engagement am Neubau des Funktionshauses in Schorndorf zu sehen. Der Baubeginn des 100-Millionen-Euro-Projekts ist in den nächsten sechs bis zwölf Monaten geplant. Nach der Fertigstellung des neuen Herzstücks des Schorndorfer Hauses ist Folgendes komplett neu eingerichtet: Notaufnahme, Aufnahmebereich für planbare Operationen mit digitaler Terminvergabe, Diagnostik und Intervention, Radiologie, Kardiologie (Herzkatheter), Gastroenterologie (Endoskopie), Intensivstation, OP-Räume, Kreißsaal, Infektionsstation und nicht zuletzt eine Pflegestation. Der Verwaltungstrakt wird hingegen ausgelagert und das MRT neu gebaut. Unterm Strich steigt die Kapazität auf etwa 300 Betten. Vom Land gab es bereits sechs Millionen Euro Zuschuss für die Planungsleistungen. Demnächst können die Vergaben der Bauleistungen erfolgen, dann gibt es auch genaue Zahlen der Baukosten.

Der Standort Winnenden hingegen darf sich auf das neue Parkhaus mit einer Kapazität von 567 Stellplätzen freuen, es soll nächste Woche in Betrieb gehen. Es ist nicht nur ein Riesengewinn für die Mitarbeiter, sondern auch für die Umwelt. Die Fotovoltaikanlage auf dem Dach hat eine Spitzenleistung von 467 Kilowatt und kann ein Zehntel des Energiebedarfs des Klinikums decken. Mit der Eröffnung wird der Interimsparkplatz frei. Auf dessen Fläche wird in den nächsten Jahren ein Erweiterungsbau mit fünf Stockwerken entstehen, unter anderem mit einer weiteren Privatpatientenstation und mehreren Pflegestationen für Kurzzeit- oder Übergangspflege. Möglich ist dann eine bessere Verzahnung von stationärer Behandlung und Pflege in Pflegeeinrichtungen.

Schwere Rückkehr zur Normalität – 13 Prozent weniger Eingriffe

Ergebnis Das operative Ergebnis des Jahres 2021 liegt mit 1,6 Millionen Euro im positiven Bereich und mit 0,7 Millionen Euro nur leicht unter dem Wirtschaftsplan. Gegenüber dem Jahr zuvor entspricht dies einer Verschlechterung um etwa eine Millionen Euro. Aus Sicht des Kreises hat sich der Jahreszuschuss von 14,51 Millionen Euro auf 15,3 Millionen vergrößert. Damit liegen die Kliniken lediglich um 339000 Euro hinter dem Wirtschaftsplan.

Prognose Für das laufende Jahr geht der Landkreis davon aus, dass er 24,1 Millionen Euro zuschießen muss. Voraussetzung dafür sind jedoch Zuschüsse von Bund und Land. Die Höhe und der Verwendungszweck der Landeszuschüsse sind derzeit unbekannt, die Klinikverwaltung rechnet mit 3,7 Millionen Euro, spricht aber gleichzeitig von einer unsicheren Ergebnisverbesserung. Die Höhe des Rettungsschirms des Bundes beträgt 5,8 Millionen Euro. Ohne den Rettungsschirm und den Zuschuss vom Land würde das prognostizierte Jahresergebnis aus Sicht des Kreises bei minus 33,6 Millionen Euro liegen.

Weniger Eingriffe Unzufrieden ist Klinikmanager Marc Nickel derzeit noch mit der Anzahl der Eingriffe. Viele Patienten seien aus den verschiedensten Gründen noch sehr zurückhaltend, notwendige Eingriffe vornehmen zu lassen. Dieser Leistungsrückgang macht auch das Jahr 2022 laut Nickel zur großen Herausforderung. Die Fallzahlen liegen noch 13 Prozent unter den Vor-Coronawerten. Weil auch die Zukunft eines weiteren Rettungsschirms unsicher ist, werde es eine große Herausforderung, die Werte des Wirtschaftsplans 2022 zu erreichen.

Corona Die Pandemie schwächt sich ab, doch die Auswirkungen sind auch 2022 zu spüren. Wurden im März noch 80 Coronapatienten in den Rems-Murr-Kliniken behandelt, so sind es aktuell nur noch zehn Fälle. Insgesamt wurden etwa 2000 Covid-Fälle behandelt. Die Pandemie hat das Personal stark belastet, viele Mitarbeiter sind selbst erkrankt. Die Belastbarkeit ist nach zwei Jahren Corona spürbar gesunken. Aktuell werden die Besuchszeiten wieder verlängert. Die Maskenpflicht und die Abstands- und Hygienegebote bleiben bestehen.

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Erstellt:
25. Mai 2022, 06:00 Uhr

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