Kliniken erstmals mit Gewinn beim Betrieb

Die Rems-Murr-Kliniken sind auf Erfolgskurs. Im Geschäftsjahr 2019 konnten die Häuser in Winnenden und Schorndorf erstmals ein positives operatives Ergebnis erzielen. Wegen der Neubaukosten muss der Kreis trotzdem jährlich 16 Millionen Euro zuschießen.

Die Entwicklung der beiden Krankenhäuser verläuft erfreulich. Im laufenden Betrieb wurden 2019 sogar schwarze Zahlen geschrieben. Was drückt, ist der Schuldendienst des Neubaus.Grafik: RMK

Die Entwicklung der beiden Krankenhäuser verläuft erfreulich. Im laufenden Betrieb wurden 2019 sogar schwarze Zahlen geschrieben. Was drückt, ist der Schuldendienst des Neubaus.Grafik: RMK

Von Matthias Nothstein

WAIBLINGEN/WINNENDEN. Gäbe es kein Corona – aus Winnenden und Schorndorf wären wohl Jubelgesänge bis nach Backnang und Waiblingen zu hören. Erstmals in der jüngeren Geschichte der Rems-Murr-Klinken konnte in den beiden Häusern ein positives Betriebsergebnis erzielt werden. Mit einem Gewinn von 133454 Euro zwar minimal, aber immerhin. Der Pferdefuß an der Rechnung ist jedoch, dass in diesem Wert der Schuldendienst des Kreises am Klinikneubau in Winnenden nicht enthalten ist. Und der hat es in sich. So müssen die Bürger am Murr und Rems indirekt über die Kreisumlage mehr als 20 Jahre lang Zins und Tilgung für die Neubaukosten stemmen. Und dies sind 22 Millionen Euro. Jährlich wohlgemerkt.

Im Vorjahr gab es einige Sondereffekte wie etwa die nachträgliche Förderung von 70 Betten des Neubau, wodurch das jährliche Defizit, das der Landkreis zu stemmen hat, auf 15,8 Millionen Euro sank. Für Klinikdirektor Marc Nickel ein Grund zur Freude. Mussten doch im Jahr 2015 noch satte 28 Millionen Euro Miese gemacht werden. Nickel: „Das jährliche Defizit wurde in den vergangenen vier Jahren fast halbiert.“

Für Landrat Richard Sigel und Klinikchef Marc Nickel kommt die erfreuliche Verbesserung nicht von ungefähr, sondern ist das Ergebnis der modernen Medizinkonzeption, die in den vergangenen Jahren Schritt für Schritt umgesetzt wurde. So konnte im Vorjahr ein Ergebnis erzielt werden, das eine Million Euro besser war als im Wirtschaftsplan veranschlagt. Das entspricht nochmals einer Verbesserung von rund 2,1 Millionen Euro im Vergleich zu 2018. Die Zuzahlung des Landkreises konnte um 2,9 Millionen Euro reduziert werden. Die Erträge stiegen innerhalb von Jahresfrist um 16 Millionen auf über 235 Millionen Euro, das entspricht einem Plus von 7,4 Prozent.

Die Zahlen sprechen eine noch deutlichere Sprache, wenn der Vergleich mit dem Jahr 2014 herangezogen wird, in diesem Jahr wurde der Neubau in Winnenden in Betrieb genommen und die beiden Häuser in Backnang und Waiblingen geschlossen. Die Erträge machten seither einen gewaltigen Sprung um 55 Prozent. Statt 152 Millionen wurden vergangenes Jahr die oben erwähnten 235 Millionen eingenommen. Und das operative Ergebnis wies damals einen Verlust von über 17 Millionen Euro aus.

Nickel und Sigel sind überzeugt davon, dass die Verbesserung daran liegt, dass die Medizinkonzeption bei den Bürgern ankommt. Die Zahl der behandelten Patienten stieg um 25 Prozent von 40300 auf mehr als 50500. Und auch der viel zitierte CMI-Wert, der die Behandlungsschwere anzeigt, kletterte um 12 Prozent auf 1,033. Das heißt: Im neuen Klinikum werden im Vergleich zu den Häusern von Backnang und Waiblingen schwierigere Fälle behandelt. Und dafür gibt es auch mehr Geld. Für Nickel eindeutig: „Die Zusammenlegung war ein Erfolg.“

Kritiker hatten einst befürchtet, der Erfolg eines modernen Klinikums in Winnenden würde auf Kosten des Schorndorfer Krankenhauses gehen. Das böse Wort der Kannibalisierung machte seinerzeit die Runde. Heute kann laut Nickel davon keine Rede sein. Im Gegenteil. Beide Häuser arbeiten immer enger und problemloser zusammen. Und Sigel erklärte: „Das Wachstum kommt aus dem Landkreis. Die Patienten sind unsere Bürger.“ Die Klinik in Schorndorf konnte ihr Ergebnis im Vergleich zum Jahr davor um fünf Prozent steigern, das Klinikum in Winnenden um vier Prozent. Für Nickel ist das der Beweis: „Die beiden Standorte tun sich nicht weh.“

Viele Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Kliniken wurden bereits umgesetzt, etwa die Etablierung neuer Leistungsschwerpunkte oder die Optimierung der Zusammenarbeit etwa im Bereich Kardiologie und Gynäkologie. Und trotz der Coronapandemie ist die Weiterentwicklung der Kliniken nicht gefährdet. So gehen die Planungen für den Erweiterungsbau in Winnenden ebenso weiter wie für den neuen Funktionsbau in Schorndorf. Frühester Baubeginn in Winnenden ist 2021.

Die Modernisierung der Kliniken hat leistungsstarke Strukturen geschaffen, und die haben sich laut Nickel nun während der Pandemie bewährt. Nickel: „Wir können Krise.“ Innerhalb kürzester Zeit wurden alle Hürden gemeistert. Es wurden Beatmungsplätze eingerichtet, ein Testzentrum aufgebaut, Laborarbeiten übernommen und Schutzkleidung organisiert. „Die medizinische Versorgung wird für alle Patienten sichergestellt. Wir stehen wie ein Fels in der Brandung. Diese Erkenntnis hat allen Sicherheit gegeben.“

Sicherheit in Sachen Finanzierung der Coronakrise hätte Sigel gerne auch von politischer Seite. Nachdem die planbaren Operationen ab März eingestellt wurden, gab es schnell unverbindliche Zusagen, dass die Ausfälle ausgeglichen werden. Sigel: „Wir waren zwischenzeitlich sehr pessimistisch, dass dies geschieht. Inzwischen sehen wir das etwas positiver.“ Allerdings räumte er ein, dass es immer noch Risiken gebe. „Ich glaube es erst, wenn das Geld in der Kasse ist.“ Er rechne dieses Jahr mit einer Verschlechterung von sieben Millionen Euro. Dieser Wert setzt sich zusammen aus geringeren Einnahmen aufgrund der fehlenden Operationen und höheren Ausgaben aufgrund von Anschaffungen, Umbauten und den Personalkosten. Sigel glaubt, dass der genannte Wert die Obergrenze darstellt. „Jede Million, die das Ergebnis besser ausfällt, ist gut.“ Die Unsicherheiten sind riesig. So sollte es einst für jedes freigehaltene Bett 560 Euro pro Tag geben, dann sank der Wert auf 480 Euro. Und für die Anschaffung eines Intensivbetts darf Nickel mit 55000 Euro rechnen, in Bayern gibt es dafür 85000 Euro. „Vieles oder eigentlich alles ist noch unklar.“

Inzwischen stellen sich viele die Frage, wie es in den Kliniken mit dem Neustart aussieht. Hier kritisierten die Verantwortlichen die Politiker, „das ist wie bei den Schulen und Kitas leicht gesagt, in der Praxis aber oft nicht so einfach umsetzbar“. Nickel: „Der Lockdown ist einfach, die Rückkehr komplex. Im Hintergrund stellt sich für uns immer die Frage nach der Haftung im Falle einer Infektion, die im Haus auftritt. Es gilt, das Risiko zu minimieren, auch wenn man eine Infektion nie zu 100 Prozent verhindern kann.“

Die Rems-Murr-Kliniken planen, zum 1. Juli wieder zum Normalbetrieb zurückzukehren. Das heißt, dann werden nicht nur wie bisher Notfälle aufgenommen und dringende Operationen vorgenommen, sondern dann sind auch wieder planbare OPs möglich. Allerdings alles unter Berücksichtigung von Covid-19-Strukturen. Das bedeutet: Die Patientenströme werden getrennt und alle Patienten werden bei der Aufnahme getestet. Die Testkapazitäten wurden zuletzt enorm ausgeweitet, von einst 50 Test pro Woche auf nun 60 Tests pro Tag. Zudem gibt es im Klinikum inzwischen acht Bosch-Schnell-Testgeräte, bei denen die Ergebnisse in zwei Stunden vorliegen.

Schwierig ist das Thema Besucherstopp. Er wird ab 1. Juli ebenfalls insofern aufgehoben, dass jeder Patient zwei Angehörige benennen darf, die ihn besuchen dürfen. Nickel geht fest davon aus, dass es zu einer zweiten Welle kommt. „Wir sind darauf vorbereitet.“ So wurde ausreichend Schutzkleidung eingelagert und die Zahl der Beatmungsplätze und der Intensivkapazitäten an beiden Standorten von 32 auf 91 Plätze aufgestockt.

Als Fazit stellt Nickel fest: „Das Ergebnis 2019 und der Umgang mit Corona geben uns recht: Wir sind auf dem richtigen Weg, die Campusentwicklung wird weiter vorangetrieben.“

Kommentar
Keine Prämie

Von Matthias Nothstein

Mehrmals während der Bilanzpressekonferenz lobten und würdigten Landrat Sigel und Klinikchef Nickel das Engagement der Mitarbeiter über den grünen Klee, ohne sie hätte man das Jahresergebnis und Corona so nicht geschafft. Aber eine Prämie, wie von der Regierung versprochen, gibt es dafür nicht, die könne man sich nicht leisten, es wären immerhin drei Millionen Euro. Dafür durften sich die Schwestern und Pfleger über Pizza und auch mal einen Blumenstrauß freuen. Und in Zukunft werde noch mehr in gute Arbeitsbedingungen wie etwa ein neues Mitarbeiterwohnheim investiert. Auch heißt es, es werde nicht auf Kosten des Personals gespart.

Ob das die Mitarbeiter zufrieden stellt? Es darf bezweifelt werden. Die eigentliche Enttäuschung ist entstanden, weil erst etwas versprochen, dann aber nicht gehalten wurde. Nur ein warmer Händedruck ist dann ein bisschen wenig.

m.nothstein@bkz.de

Kliniken erstmals mit Gewinn beim Betrieb

© Edgar Layher

„Wir sind auf dem richtigen Weg, die Campusentwicklung wird weiter vorangetrieben.“

Mark Nickel, Geschäftsführer der Rems-Murr-Kliniken

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Erstellt:
19. Juni 2020, 06:00 Uhr

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