Knusprige Kruste und saftige Krume

Der Murrhardter Bäckermeister Richard Rauch erklärt, was ein gutes Brot ausmacht

Die deutsche Brotkultur ist als immaterielles Kulturerbe seit 2014 offiziell von der Unesco anerkannt. Deutsches Brot wird weltweit geschätzt, in seiner Vielfalt gilt es als einzigartig. Was aber macht ein gutes Brot eigentlich aus? Bäckermeister Richard Rauch aus Murrhardt hat jahrzehntelange Erfahrung. Er weiß: Beim Brotbacken kommt es auf viele Faktoren an – nicht nur auf Mehl, Hefe, Wasser und Salz, sondern zum Beispiel auch auf die Außentemperatur.

Leinsamen-, Kürbiskern-, Dinkelvollkorn- und Bauernbrot (von links): Jede Sorte weist ihre Charakteristika auf. Die eine kann als Laib gebacken werden, die andere braucht die Kastenform. Fotos: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Leinsamen-, Kürbiskern-, Dinkelvollkorn- und Bauernbrot (von links): Jede Sorte weist ihre Charakteristika auf. Die eine kann als Laib gebacken werden, die andere braucht die Kastenform. Fotos: J. Fiedler

Von Armin Fechter

MURRHARDT. Wie – die Außentemperatur? In der Backstube ist es doch immer gut warm, sollte man meinen. Aber da geht es jetzt gar nicht einmal ums Backen selbst, sondern um die Vorstufe – die Herstellung des Teigs.

Das Gemisch aus Mehl, Wasser, Salz und Hefe sollte, so erklärt Rauch, nach dem Kneten noch einmal mindestens eine Stunde ruhen und dabei zwischen 26 und 28 Grad warm sein. Liegen nun die Temperaturen draußen deutlich darüber, wie dies im Sommer öfter mal der Fall ist, dringt diese Wärme auch in die Bäckereiräume ein und macht den Bäckern Probleme. Doch die wissen sich zu helfen: Sie ersetzen in diesem Fall das Wasser durch zerkleinertes Eis und können damit den unerwünschten Hitzeeffekt beherrschen. Genau umgekehrt ist es dann im Winter, wenn draußen Minusgrade herrschen und frostige Luft in die Backstube eindringt: „Da brauchen wir warmes Wasser“, lässt der Meister hinter die Kulissen blicken. Wobei auch noch ein gutes Gespür vonnöten ist, wie viel Eis man einsetzen kann und wie warm das Wasser sein darf.

Der Murrhardter, dessen Betrieb seit den 20er-Jahren in Händen der Familie ist, hat sein Handwerk im Gaildorfer Stadtcafé gelernt. Danach war Rauch in Backnang und Stuttgart tätig. 1986 erwarb er den Meisterbrief. Nach dem Tod seines Vaters übernahm er zusammen mit seiner Frau, die ebenfalls gelernte Bäckerin ist und im Verkauf arbeitet, 1989 den elterlichen Betrieb mit heute fünf Beschäftigten.

Neben der täglichen Arbeit engagiert sich der 59-Jährige auch für seinen Berufsstand. Er ist als stellvertretender Obermeister in der Bäckerinnung Region Stuttgart Nord für den Rems-Murr-Kreis zuständig und sorgt beispielsweise dafür, dass hier jedes Jahr an wechselnden Orten eine Brotprüfung stattfindet.

Der Prüfer aus Berlin ist ein echter Brot-Sommelier

Zuletzt hat er selbst eine solche Veranstaltung in Murrhardt ausgerichtet. Vier Bäckereien – aus Kaisersbach, Aspach, Murrhardt und Waiblingen – nahmen daran teil. Sie legten dabei dem eigens aus Berlin angereisten Prüfer, einem echten Brot-Sommelier, insgesamt 60 Brote, lauter gängige Sorten, sowie Kleingebäck, Brötchen, Zöpfe und Baguette vor.

Aber was macht nun ein Brot zu einem guten Brot? Ist doch eigentlich eh alles klar: Teig kneten – nicht „rühren“, klärt der Meister auf – , dann, okay, eine Weile ruhen lassen und dann „schieb, schieb in Ofen rein“. Oder etwa nicht?

Aber ganz so einfach ist es doch nicht. Jede Sorte hat ihre Eigenheiten. Rauch greift zu einem imposant langen Brotmesser und schneidet einen stattlichen runden Laib Bauernbrot auf, ein Klassiker unter den Broten. Außen die knusprige Kruste, innen eine lockere saftige Krume. Die Mehlmischung besteht in diesem Fall zu 80 Prozent aus Weizen- und zu 20 Prozent aus Roggenmehl. Hinzu kommen 1,5 Prozent Hefe und etwas Sauerteig. Der Wasseranteil liegt bei 60 Prozent. Anders beim Kürbiskernbrot: Dafür verwendet Rauch zwar die gleiche Mehlmischung, aber es kommen noch Kürbiskerne dazu, die vorher etwas angeröstet werden, und ein Spritzer Kürbisöl. Und: Der Wasseranteil liegt bei 80 Prozent. „Je mehr Wasser, umso mehr muss man kneten“, erläutert der Bäcker. Und weil der Wasseranteil höher ist, benötigt das Kürbiskernbrot im Gegensatz zum Bauernbrot auch die feste Backform: damit es in Form bleibt.

Beim Leinsamenbrot kommt es darauf an, die Saatenkörner beizeiten einzuweichen, damit es später beim Kunden nicht zu Verdruss kommt, wenn er herzhaft zubeißt. Das Dinkelvollkornbrot wiederum, für das Rauch 100 Prozent Dinkelvollkornmehl verwendet, braucht nach dem Kneten 24 Stunden Ruhezeit, ehe es in den Ofen kommt. Die ist erforderlich, damit sich die Geschmacksstoffe entfalten können. Denn dem Dinkelbrot wird kein Sauerteig zugesetzt, und auch die Hefegabe wird auf 0,5 Prozent reduziert.

Was hat es nun aber mit dem Sauerteig auf sich, der im Brot so geheimnisvolle Geschmackseffekte hervorruft? Den kann man im Grunde fix und fertig im Supermarkt kaufen, und das tun auch viele, die daheim Brot backen. Rauch setzt den Sauerteig aber aus Roggenvollkornmehl selbst an. Ein halber Eimer voll reicht für die Tagesproduktion von 60 Bauern- und 20 Roggenbroten. Aber wieso ist Sauerteig so wichtig? Bei der Gärung bilden sich Milchsäurebakterien und Essigsäure; wichtig ist das richtige Verhältnis zwischen beidem. „Das ist das, was man schmeckt“, sagt Rauch bezüglich der Essigsäure. Roggenbrot, so erklärt er, wäre ohne Sauerteig nicht herstellbar.

Geruch, Geschmack und Optik ergeben sinnlichen Genuss

Das fertige Brot soll dann eine kräftige Kruste haben, je nach Sorte auch eine knusprige, und innen soll es fein gelockert sein, es darf nicht teigig oder kaugummiartig sein. Um das hinzukriegen, kommt es auch aufs Kneten und auf eine ausreichende Teigruhezeit an. Rauch will ferner keine Zusätze im Brot haben, der Einsatz von Zuckercouleur oder Roggenmalz kommt für ihn nicht infrage: „Ich brauche nicht nachdunkeln.“ Vorteile sieht er auch im Holzbackofen, bei dem allein die Speicherhitze des Steins im Backraum fürs Backen genutzt wird.

„Unsere Brote sehen nie gleich aus“, erklärt der Bäckermeister. Optisch kommen die Laibe mal so, mal so raus – manchmal runder, manchmal länglicher. Handarbeit eben. Frisches Brot birgt aber auch sinnlichen Genuss: Es riecht – je nach Sorte – würzig, blumig, nussig oder erdig. Oder, mit Rauchs Worten: „Brotmäßig.“

Bauernbrot hat einen kräftigen, rustikalen Charakter, den eine dicke, knusprig gebackene Kruste unterstreicht. Bäcker Richard Rauch, stellvertretender Obermeister der Bäckerinnung Stuttgart Nord, zeigt die gut gelockerte saftige Krume im Innern des Laibs.

© Jörg Fiedler

Bauernbrot hat einen kräftigen, rustikalen Charakter, den eine dicke, knusprig gebackene Kruste unterstreicht. Bäcker Richard Rauch, stellvertretender Obermeister der Bäckerinnung Stuttgart Nord, zeigt die gut gelockerte saftige Krume im Innern des Laibs.

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Erstellt:
18. Juli 2019, 11:31 Uhr

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